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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Eichen und
    Schlingkraut zog in die offenen Tore ein, die Maline-
    kens rankten und blühten über Steintrog und Brun-
    nen hinweg, und eh ein Jahrhundert um war, war es
    ein unheimlicher Ort, eine »verwunschene Stelle«.
    Jeder mied sie. Wie es Seen und Seestellen gibt, wo
    die Fischer nicht fischen, weil sie fürchten, daß eine
    Hand aus der Tiefe fahren und sie herniederzerren
    wird, so berührte kein Jäger die Stelle, wo die alte
    Stadt gestanden hatte. Rundum tobte die Jagd, die
    Kurfürsten selbst erschienen mit »Hund und Horn«,
    aber vorüber an der Stadtstelle ging ihr Zug. Und waren Kinder beim Himbeersuchen unerwartet unter

    1438
    das alte Mauerwerk geraten, so befiel sie's plötzlich
    wie bittere Todesangst, und sie flohen blindlings
    durch Gestrüpp und Dorn, bis sie zitternd und atem-
    los einen sicheren Außenplatz erreichten. Was gab es
    da nicht alles zu erzählen! Und so wuchs die Sage
    und zog immer festere Kreise um die »Stadt im
    Wald«. Selbst das Wild blieb aus, und nur Keiler und
    Bache hatten ihre Tummelplätze hier. An den tief
    gelegenen Stellen des alten Marktplatzes, wo aus
    moderndem Eichenlaub und sickerndem Quellwasser
    sich Sumpflandstücke gebildet hatten, kamen die
    Wildschweinsherden aus dem ganzen »Blumenthal«
    zusammen, und wenn sie dann in Mondscheinnäch-
    ten ihre Feste feierten, klang ihr unheimliches Getös
    bis weit in den Wald hinein und mehrte die Schauer
    des Orts.
    So vergingen Jahrhunderte. Die Eichen wurden im-
    mer höher, das Gestrüpp immer dichter – die »alte
    Stadt« schien verschwunden. Nur um die Winterzeit,
    wenn alles kahl stand, wurde das Mauerwerk sicht-
    bar. Aber niemand war, der dessen geachtet hätte.
    Es waren die Zeiten des Dreißigjährigen Krieges! So
    viele Dorf- und Stadtstellen lagen wüst, so viele neue Herde waren zerstört; wer hätte Lust und Zeit gehabt, sich um alte, halbvergessene Zerstörung zu
    kümmern?
    So kam das Jahr 1689, und mit diesem Jahre tritt die
    »alte Stadt«, die bis 1375 ein Stück wirklicher Ge-
    schichte gehabt hatte, wieder ins Leben ein. Man
    kümmert sich wieder um sie. 1689 besuchte sie Bür-
    germeister Grüvel aus Kremmen und fand noch Feld-

    1439
    steinmauern, die den Boden in Mannshöhe überrag-
    ten. Von da ab folgten weitere Besucher in immer
    kürzeren Zwischenräumen: Bekmann um 1750, Ber-
    nouilli um 1777. Beide fanden Mauerreste und hiel-
    ten sie für die Überbleibsel einer alten Stadt. Noch
    andere Reisende kamen. Aber ausführlichere Mittei-
    lungen gelangten erst wieder zur Kenntnis des Publi-
    kums, als im Jahre 1843 der Geistliche des benach-
    barten Dorfes Prötzel einen auf genaue Forschung
    gegründeten Bericht veröffentlichte. In diesem heißt
    es: »Die merkwürdige Stadtstelle Blumenthal ist un-
    streitig 1) in alten Zeiten ein menschlicher Wohnort gewesen. Man sieht noch jetzt Spuren von Feldsteinmauern. Vor einigen Jahren sind von den Wald-
    arbeitern mehrere Werkzeuge, Hämmer, Sporen und
    dergleichen, gefunden worden, die, den Kindern
    dann zum Spielen gegeben, leider wieder verloren-
    gegangen sind. Kalk wird noch jetzt dort gefunden.
    Die Stadt soll von den Hussiten auf ihrem Zuge nach
    Bernau zerstört worden sein. Einige meinen, daß die
    Zerstörung älter sei. Der große platte Stein innerhalb
    der ›Stadtstelle‹, der sogenannte Mark- oder Markt-
    stein, ist vielleicht ein Denkmal aus der heidnischen
    Zeit. Es ist nicht undenkbar, daß hier, mitten im Ur-
    walde, schon die Semnonen einen Volksversamm-
    lungsplatz oder eine Opferstätte hatten und daß die
    Städtebauer einer späteren Epoche den heidnischen
    Opferstein einfach liegenließen, wo er lag, weil es
    unmöglich war, ihn fortzuschaffen. Dieser Markstein
    wird hier auch noch liegen, wenn von den Feldstein-
    mauern ringsumher längst die letzte Spur ver-
    schwunden ist. Sollen diese Spuren aber vorläufig
    noch gewahrt werden, so ist es die höchste Zeit .

    1440
    Schon hat die Pflugschar ganze Strecken der ›Stadt-
    stelle‹ in Äcker umgewandelt, und der Eichenwald ist
    hin, der diese Stelle so lang in seinen Schutz ge-
    nommen.«

    Soweit der Bericht von 1843. Ich suche nun in nach-
    stehendem zu schildern, wie ich zwanzig Jahre spä-
    ter die Stadtstelle gefunden habe.
    Von einem Wasserpfuhl, der sogenannten »Suhle«,
    aus gesehn, hat man nach Osten hin ein wellenför-
    miges, hier und da bebautes Stück Land vor sich,
    das an einzelnen Stellen von aufgetürmten, sehr
    niedrigen Steinmauern eingefaßt,

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