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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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an anderen Stellen
    wie mit großen Feldsteinen besäet ist. Wer viel in der
    Mark gereist ist, dem fallen diese Feldsteine nicht
    auf, die hier einfach um des Ackers willen beiseite
    geworfen oder sozusagen an den Tellerrand gelegt
    erscheinen. Und so nähert man sich der Umwallung
    in der vollen Überzeugung, daß Klöden recht gehabt
    habe, als er die Existenz einer Stadtstelle bestritt.
    Aber dieser Eindruck ist nicht von Dauer. Unser kun-
    diger Führer führt uns an ein Gestrüpp von Elsbusch
    und Brombeerstrauch und sagt dann, auf eine Stein-
    linie zeigend, die kaum fußhoch aus der Erde hervor-
    ragt: » Dies ist die Kirche .« Wir antworten zunächst mit einem halb verlegenen Lächeln. »Hier können Sie
    den Kalk sehen«, fährt er fort, ein Stück Mörtel aus
    den Fugen losstoßend, und indem wir uns nunmehr
    niederbeugen und das Kalkstück in die Hand neh-
    men, erkennen wir mit denkbar größter Bestimmt-

    1441
    heit, daß wir hier nicht eine aufgeschüttete Einfriedi-
    gung, sondern ein in die Tiefe gehendes, gemauertes Fundament vor uns haben. Auf einen Schlag sind wir
    überführt. Wir verfolgen nun die Steinlinie, kommen
    an einen Eckstein, endlich an einen zweiten und drit-
    ten und überblicken das Oblong. Alle Zweifel sind
    geschwunden, und wir sehen klärlich, daß hier ein
    Gebäude gestanden hat. Die Fundamente liegen da.
    Ob Kirche oder Rathaus, ist gleichgültig. Höchst-
    wahrscheinlich eine Kirche.
    Unser Führer erkennt sehr wohl die Umwandlung, die
    mit uns vorgegangen. »Ich werde Sie nun zu dem
    großen Brunnen führen«, murmelt er gleichgültig vor
    sich hin, aber mit erkünsteltem Gleichmut, denn die-
    se »Stadtstelle« ist sein Stolz. Und inmitten eines
    Stück Roggenlandes, dessen Halme kaum erst hand-
    hoch aus der Erde ragen, stehen wir alsbald vor ei-
    nem jener Ziehbrunnen, wie wir ihnen noch jetzt in
    unsren Dorfgassen begegnen. Wir sehen eine Run-
    dung von fünf bis sechs Fuß Durchmesser, die Run-
    dung selbst mit Feldsteinen ausgemauert und die mit
    Geröll locker zugeworfene Höhlung noch immer über
    fünf Fuß tief. Auf unsere Fragen erfahren wir, daß
    vor einem Menschenalter alle diese Dinge noch viel
    erkennbarer waren: das Mauerwerk der Kirche ragte
    noch mannshoch auf, die Brunnenhöhlung war noch
    gegen funfzehn Fuß tief, und der Mantel des Brun-
    nens erwies sich noch deutlich als eine Art Lehmzy-
    linder, in dem die Steine kreisförmig übereinan-
    dersteckten.

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    Wir schreiten von der »Brunnenstelle« zu der be-
    nachbarten »Backofenstelle«. Sie liegt im Roggen-
    land und gibt sich zunächst durch nichts Besonderes
    zu erkennen. Halme stehen jetzt dicht umher. Erst
    bei genauerer Einsicht gewahren wir, daß sich mitten
    in dem schwarzbraunen Boden eine kreisrunde
    Lehmstelle von etwa Backofendurchmesser scharf
    markiert.
    Von hier aus geht es weiter zum »Markstein«, der bis
    diesen Tag von einer alten Eiche überschattet wird.
    Aber sie gehört doch nur dem Nachwuchs an, der, als die Stadt zerstört war, durch die offenen Tore
    hier einrückte. Die wirklich alte Eichengeneration, die zu Lebzeiten der Stadt den Marktplatz einfaßte und
    beschattete, ist hin und zeigt nur noch an einzelnen
    Wurzelstubben, wes Schlages und Umfanges sie war.
    Weit mehr indes als diese Wurzelstubben von kolos-
    salem Durchmesser ist der Markstein selbst eine Se-
    henswürdigkeit. Es ist derselbe, über den wir schon
    weiter oben berichtet haben. Er mißt etwa acht Fuß
    im Quadrat, geht über vierzehn Fuß in die Tiefe und
    ragt nur wenig aus dem Erdreich hervor. Natürlich
    hat ihn nicht Menschenhand hierher gelegt, und die
    Annahme hat nichts Gezwungenes, daß er ein Opfer-
    stein der Ureinwohner war. Auf diesem Stein zu
    schlafen müßte mindestens ebenso unheimlich wie
    unbequem sein.
    Und von diesem an höchster Stelle gelegenen
    »Markstein« aus haben wir jetzt, nach vorgängiger
    Kenntnisnahme der Einzelnheiten, alles in der Klar-

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    heit einer Reliefkarte vor uns. Wir erkennen deutlich
    die Mauer, die Tore, die Hauptstraße, die Kirche, die
    einzelnen Häuser und Gehöfte, und ungerufen wie
    eine Vision steigt die alte Stadt aus ihrem Grabe
    wieder vor uns auf. Gewiß ist das Bild, das wir uns
    von ihr machen, ein vielfach falsches; aber es sind
    dieselben Fehler nur, wie wenn wir uns, mit Hülfe
    eines Plans, eine Stadt im Geiste aufbauen. Die Din-
    ge selbst sind nicht richtig, aber wir geben den Dingen ihren richtigen Platz .
    Unten am Hügelabhang, in

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