Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Nähe der »Suhle«, blick-
ten wir noch einmal auf das Steinfeld zurück, das
nicht länger ein Chaos für uns war. Dann erst trenn-
ten wir uns zögernd von einer Stelle, über der ein
ganz besonderer Zauber waltet. Die Natur wuchs hier
einst wild in eine Stätte der Kultur hinein und wu-
cherte darin; nun hat eine andere Kultur den Wald
gefällt und breitet ihre Saaten darin aus. Städtisches
Leben von ehemals und Ackerbau von heut reichen
sich über einem vierhundertjährigen Wald-
Interregnum die Hand.
Aber an Unheimlichem fehlt es noch immer nicht.
Das Wildschwein hat es nicht vergessen, daß
jahrhundertelang ihm diese Stelle gehörte, und in Sommernächten, wenn der Rapsduft vom Felde her
in den Wald zieht, dann bricht es in sein altes Revier
ein, erst in die »Suhle«, dann in die Saat, und tritt
nieder und wirbelt auf. Wer dann im »Blumenthal«
seines Weges kommt, der hört ein Lärmen und Joh-
len, ein Grunzen und Quietschen wie in alter Zeit,
1444
und er weiß nicht, ist es ein Hexensabbat oder die
Wilde Jagd.
1. Dies »unstreitig« bezieht sich auf Klöden, der
in seinen Auslassungen über die »Stadtstelle«
bestreitet, daß hier eine Stadt gestanden ha-
be. Klöden nimmt an, daß es eine heidnische
Begräbnisstätte gewesen sei, und findet in
den Steinreihen nichts als eine Art Feldstein-
umzäunung oder Einfriedigung dieser Stätte.
Er irrt darin ganz unbedingt. Hätte er die Stel-
le gesehen, wie sie jetzt daliegt, so hätte er
sich auf den flüchtigsten Blick von seinem Irr-
tum überzeugen müssen.
Prädikow
Vor Taue noch und Tage
Zog aus er heut mit Hund und Horn,
Daß er den Hirsch erjage.
Alte Ballade
Um den großen und sagenreichen »Blumenthal-
Wald« herum, der das Plateau des Barnim von West
nach Ost durchzieht, gruppiert sich eine ganze An-
1445
zahl schöner und reicher Güter, die bis in die Zeiten
des Dreißigjährigen Krieges hinein das Besitztum vier
alter märkischer Familien waren: der Sparrs, der
Pfuels, der Krummensees und der Barfuse.
Die letztren, die Barfuse , sind es, die uns in diesem Kapitel ausschließlich beschäftigen sollen. Sie kommen zuerst 1280 in den Marken vor. In ihre Vorge-
schichte steigen wir aber nicht zurück und leisten namentlich darauf Verzicht, den alten Streit wegen
»Barfus« mit einem s und »Barfuß« mit einem ß an
dieser Stelle entscheiden zu wollen. Die Genealogen
schreiben »Barfuß«, einfach auf das Wappen der
Familie deutend, das drei unverkennbare Barfüße
zeigt; die Familie selbst aber verwirft die Ableitung
von einem niedersächsischen Geschlecht der Baar-
foote, Barfuße oder Nudipes und schreibt sich Barfus,
ihren Ursprung auf das altrömische Patrizierge-
schlecht der Parvus zurückführend, das mit bei der
Gründung der Colonia Agrippina war und durch end-
lose Generationen hin den noch existierenden Parvu-
senhof in Köln innehatte.
Gleichviel ob Barfuß oder Barfus, für unsere Zwecke
genügt es, daß die Barfuse, wie wir in Huldigung ge-
gen die Familie, aber ohne direkte Parteiergreifung
schreiben wollen, schon ausgangs des dreizehnten
Jahrhunderts auf dem Oberbarnim sässig waren und
bald darauf bereits dieselben Güter erworben hatten,
die später den Kern ihres ausgebreiteten Besitzes
bildeten: Kunersdorf, Batzlow, Prädikow und Möglin.
1446
Prädikow galt als das eigentliche Familiengut, und
damals unmittelbar am Rande des »Blumenthal-
Waldes« gelegen, war es besonders wertvoll durch
seine Forstbestände, die sich nach Westen hin bis
weit in den genannten Wald hinein erstreckten. Die-
sen reichen Forstbeständen verdanken wir es auch,
daß wir die Barfuse bereits um 1590 in der Spezial-
geschichte unseres Landes auftreten sehen, indem
es ebendieser Prädikowsche Anteil am Blumenthat-
Walde war, der unter Johann Georg und Joachim
Friedrich zu einem vieljährigen Streite zwischen den
beiden eben genannten Kurfürsten und den Barfusen
führte. Dem ganzen Ereignis – ohne schließlich in
einer Schlacht von Otterbourne oder einem Percy-
und-Douglas-Kampf zu kulminieren – stand nichts-
destoweniger von Anfang an ein gewisses romanti-
sches Element zur Seite, und um dieses Stückleins
Romantik willen (eine seltene Blume hierlandes) mag
es gestattet sein, einen Augenblick bei der Erzählung
des Herganges zu verweilen.
Kurfürst Johann Georg liebte die Jagd wie alle Ho-
henzollern vor und nach ihm, Friedrich den Großen
ausgenommen, der
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