Wanderungen durch die Mark Brandenburg
den Teilen, zumal in den Ne-
benfiguren, ein künstlerisch modifizierter Rea-
lismus unverkennbar. Es offenbart sich darin
etwas von dem kräftigen Geiste Schlüters,
verbunden mit einem Anfluge jener Manier,
die die französische Bildhauerkunst des vori-
gen Jahrhunderts beherrschte. Wer das Werk
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schuf, ist nicht mit Sicherheit festgestellt. Die
Tradition nennt den jüngeren Artus Quellinus,
einen Holländer, den Sohn und Schüler seines
gleichnamigen Vaters. Das Denkmal selbst
trägt weder Namen noch Chiffre.
Die Geschichte vom alten Sparr hatte, seit meinen
Kindertagen, immer den Zauber jener unbestimmten
Linien für mich gehabt, die mehr ahnen lassen als
geben, und, so seltsam es klingen mag, ich machte
mich auf den Weg nach Prenden in einer gewissen
Gehobenheit der Stimmung, als wanderte ich in al-
tes, romantisches Land.
Und es ist auch ein romantisches Land, märkisch -
romantisch.
Von Biesenthal aus – einem Städtchen, das seiner-
seits wie eine holprige Idylle in der Talrinne des Fi-
now-Flusses liegt – haben wir noch eine halbe Meile,
und diese halbe Meile führt durch eine Art Muster-
stück heimatlicher Landschaft. Wie Linien, die über
ein Blatt gezogen sind, laufen zahlreiche Hügelreihen
von Ost nach West, und da wir in senkrechter Linie
gen Norden müssen, so haben wir das Terrain in
vollkommener Wellenbewegung zu durchschreiten.
Die Hügel sind von einer äußersten Sterilität, kaum
eine Moosschicht hat sich darauf niedergelassen, und
ihr ganzes Erscheinen erinnert lebhaft an die Sand-
dünen der Ostsee. Zwischen den Hügeln aber dehnt
sich jedesmal ein grüner Streifen, aus dessen Mitte
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leise gekräuselte Wasserflächen, mal dunkel wie ein
Teich, mal blau wie ein See, hervorblicken. Alles Le-
bendige scheint diese Öde zu meiden, keine Lerche
wiegt sich in Lüften, kein Storch stolziert am Sumpf
entlang, nur eine Krähe fliegt gleichgültig über die
Landschaft hin, wie ein Bote zwischen dem vor uns
liegenden Wald und dem Biesenthaler Kirchturm in
unserm Rücken.
Die Krähe passiert diese Gegenden wie wir, sie
wohnt nicht darin.
Ein halbstündiger Gang in dem mahlenden Sande hat
uns endlich an eine tiefere Talschlucht geführt, und
die andre Seite derselben hinaufsteigend, treten wir
ein in die Stille des Waldes. Das Wellenterrain bleibt
dasselbe, aber der Boden ist anders geworden, und
die roten Fichtenstämme steigen in schlanker Schön-
heit auf, während das Fehlen alles Unterholzes einen
Blick weit waldeinwärts gestattet und den grünen
Moosteppich in überraschender Frische zeigt. Der
Forst ist von großer Längenausdehnung, aber von
wenig Tiefe. So sehen wir es denn bald wieder Lich-
ter vor uns werden und fühlen jenen veränderten
Luftzug, der den Ausgang des Waldes verrät. Eh wir
ihn erreicht haben, hören wir ein leises Geräusch und
gewahren, zu seiten eines dichten Brombeerbusches,
einen Alten, der Reisig sammelt und die zerbroche-
nen Zweige auf seine Karre wirft. Neben ihm liegt ein
alter Spaten, um Wurzeln auszugraben, und an der
obersten Karrensprosse hängt ein Korb, drin er die
fleischfarbenen Reizker und die gelben Pfefferlinge
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sammelt, die ihm sein gutes Glück als Zugabe be-
schert.
Der Alte selbst trägt Strohhut und Leinwandjacke
und zeigt nichts Auffälliges als das Fehlen jeder Spur
von Oberlippe. Mittlerweile hab ich ihm guten Tag
geboten und frag ihn, ob er aus Prenden sei.
»Joa, ick bin ut Pren'n.«
»Ist es noch weit, Papa?«
»Nei, jlieks wenn Se 'rutkomen. Awers sehen künn'n
Se nich; 't liggt in 'n Grunn.«
»Und ist ein Krug da?«
»Joa, twee. Een jlieks hier vöhrnan, wo Sparren sin
Slott stunn.«
»Noch was zu sehen?«
»Veel nich. As ick in 't Dörp käm (ick bin nich bührtig von Pren'n), doa stunn noch veel. Awers nu nich
mihr. Ick hebb mien'n Zickenstall von Oll-Sparren sin
Slott bu't.«
»Und erzählen sich noch die Leute von ihm?«
»Joa, se vertellen noch veel. Un mine Fru seggt im-
mer, de grote Steen, dicht an unsern Tuun, dat wihr
Sparren sien Steen. Un vördem, so meent se, sinn
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ook vier iserne Krampen anwest, un an jede Kramp
wihr wedder ne iserne Kett un an jede Kett een von
Oll-Sparren sine Skloaven. Un ook en Linnenboom
wihr doa. Awers nu is de Linn' wech, un de Krampen
sinn ooch wech. Man bloot den groten Steen, den
hebben se liggenloaten. He mücht wol en beeten to
sweer sinn.«
»Sonst nichts, Papa?«
»Duch, duch. Se
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