Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Sohle sichtbar vor uns wie
eine korkgeschnitzte Kirche auf einer Tischplatte. Es
kommt dies der architektonischen Wirkung, wie
gleich hier hervorgehoben werden mag, sehr zustat-
ten, weniger der malerischen , die für eine Ruine meist wichtiger ist als jene. Wir kommen am Schlusse unseres Aufsatzes auf diesen Punkt zurück.
Kloster Mariensee
Kloster Chorin trat nicht gleich als es selbst ins Dasein, sondern ging vielmehr aus einer früheren, an
anderem Orte gelegenen Anlage hervor. Es scheint
geboten, auch bei dieser Vorgeschichte, die wenig
bekannt ist, zu verweilen.
Kloster Chorin, ehe es diesen seinen Namen an-
nahm, war Kloster Mariensee. Die Stelle, wo letzte-
res stand, war lange zweifelhaft. Die Urkunden sag-
ten freilich deutlich genug: »auf der Ziegeninsel im
Parsteiner See«; aber der Parsteiner See hatte zwei Inseln, von denen – wenigstens in den Nachschlagebüchern – keine mehr den Namen »Ziegeninsel«
führte. Die eine hieß, in ebendiesen Büchern, der
1706
»Parsteiner Werder«, die andere der »Pehlitzer Wer-
der«.
Nachfragen am Parsteiner See selbst indes, die ich
anstellen durfte, haben die Streitfrage schnell ent-
schieden. Der »Pehlitzer Werder« heißt im Volks-
mund an Ort und Stelle noch immer die Ziegeninsel , und wenn dennoch ein leiser Zweifel bliebe, so würde
derselbe durch die Kirchentrümmer beseitigt werden,
die, unverkennbar auf eine Klosteranlage deutend,
bis diesen Augenblick noch auf dem »Pehlitzer Wer-
der« – in alten Urkunden Insula Caprarum – ange-
troffen werden.
Diese Ziegeninsel liegt am Südende des Sees und ist
Privateigentum, etwa wie ein eingezäuntes Stück
Grasland, weshalb man auch nur vom gegenüberlie-
genden Amtshof aus die Überfahrt nach derselben
bewerkstelligen kann. Die Erlaubnis dazu wird gern
gewährt.
Früher, wenn die Tradition recht berichtet, war das
Terrain zwischen dem Amtshof und der Insel mehr
Sumpf als See, so daß ein Steindamm, eine Art Mole, existierte, die hinüberführte; der Parsteiner See aber, im Gegensatz zu anderen Gewässern der Mark,
wuchs konstant an Wassermenge, so daß allmählich
der Sumpf in der wachsenden Wassermenge ertrank
und mit dem Sumpf natürlich auch der Steindamm.
Die Tradition hat nichts Unwahrscheinliches; auch
erkennt man noch jetzt, bei klarem Wasser, lange
Steinfundamente, die in gerader Linie vom Ufer zur
Insel führen.
1707
Die Insel selbst, an deren Südwestseite man landet,
hat die Form eines verschobenen Vierecks, dessen
vier Spitzen ziemlich genau die vier Himmelsgegen-
den bezeichnen. Der Umfang der Insel mag einige
Morgen betragen.
An der Landungsstelle, in ziemlicher Ausdehnung,
erhebt sich eine aus mächtigen Blöcken aufgetürmte
Wand: Roll- und Feldsteine, von denen es schwer zu
sagen ist, ob die Fluten hier vor Jahrtausenden sie
ablagerten oder ob erst unsere Freunde, die Mönche,
sie zu Schutz und Trutz hier aufschichteten.
Die Insel zeigt im übrigen auf den ersten Blick nichts
Besonderes; sie macht den Eindruck eines vernach-
lässigten Parks, in dem die Natur längst wieder über
die Kunst hinausgewachsen ist. Es vergeht eine Zeit,
ehe man die Trümmer entdeckt und überhaupt in
dem bunten Durcheinander sich zurechtfindet; dann
aber wirkt alles mit einem immer wachsenden Reiz.
Die Überreste des Klosters liegen nach Osten zu, fast
entgegengesetzt der Stelle, wo man landet. Was
noch vorhanden ist, ragt etwa zwei Fuß hoch über
den Boden und reicht in seinen charakteristischen
Formen völlig aus, einem ein Bild des Baues zu ge-
ben, der hier stand.1) An der Profilierung der Steine
erkennen wir, daß wir es mit einem romanischen Bau
zu tun haben, der wahrscheinlich drei Schiffe (eher
schmal als breit) hatte; an einzelnen Stellen glaubt
man noch Pfeilerfundamente des Mittelschiffs zu er-
kennen. Weitere Nachgrabungen würden gewiß man-
cherlei Auskunft Gebendes zutage fördern, wobei
bemerkt werden mag, daß auch das, was jetzt dem
1708
Auge sich bietet, erst infolge von Erdarbeiten, die der Pehlitzer Amtmann anordnete, vor kurzer Zeit zutage
getreten ist.
Was die Trümmer selbst angeht, so gehören sie sehr
wahrscheinlich der Ostseite der ehemaligen Kloster-
kirche an, woraus sich ergeben würde, daß das
Längsschiff derselben sich nicht parallel mit dem Ufer, sondern senkrecht auf dasselbe, also inselein-
wärts , hingezogen haben muß. In dieser Richtung hätten also auch weitere Nachgrabungen zu
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