Wanderungen durch die Mark Brandenburg
nun gar Personen, die dem Königshause »verwandt oder zugetan«
waren, so brach die Loyalität in hellen Flammen sieg-
reich durch. Die Liebenswürdigkeit der Frau Friedrich
wetteiferte an solchem Tage mit ihrer Kochkunst,
und ihr märkisch-schlagfertiger Witz tat das Weitere,
um das Maschinenmeisterhaus bei den hohen Besu-
chern in gutem Andenken zu erhalten. Traditionell
pflanzte sich alsbald die Sitte fort, diesem Andenken
einen ganz bestimmten Ausdruck zu leihn: ein Milch-
oder Sahnentopf wurde »zur Erinnerung an eine froh verlebte Kaffeestunde« bei Frau Friedrich abgegeben. Daraus entstand denn im Laufe eines Men-
schenalters ein Porzellancabinet, wie es die Welt
wohl nicht zum zweiten Male gesehen hat, eine Topf-
kollektion, neben der die berühmtesten Pfeifen-
sammlungen verschwinden. Das Aufstellungslokal
war und ist natürlich die in ihrer Sauberkeit ein
Schmuckkästchen bildende Küche, und an allen Bor-
den und Realen hin, in Schränken und Ständern, als
Garnierung von Wand und Rauchfang hängen an
Nägeln und Häkchen an 200 Töpfe und Töpfchen.
Alle ein Souvenir . Jede Form und Farbe, jedes denk-bare Material, jede Art der Verzierung ist vertreten.
Endlos wechseln Weiß und Blau, und Grün und Gold;
Glas, Biscuit, Chausseestaub gesellen sich dem Gros
des eigentlichen Porzellans, das wiederum seiner-
seits zwischen China und Frankreich, zwischen Mei-
1885
ßen und Sèvres hin und her schwankt. Hautrelief und
Basrelief, bemalt und gekratzt, so präsentieren sich
die Ornamente. Zahlreich sind die Portraits , noch zahlreicher die Schlösser vertreten, und zwischen Prinzen und Prinzessinnen, zwischen Marmor- und
Neuem Palais erscheinen Vater Wrangel und Minister
von der Heydt; der letztere sogar in Begleitung eines
Pfauenpaares. Schon in den fünfziger Jahren war die
Zahl der Bildnisse so groß, daß König Friedrich Wil-
helm IV., als er in neckischem Geplauder um einen
Portraitkopf gebeten wurde, replizieren konnte: »Sie
haben hier meine Minister und Generale aufgehängt,
nun soll mir dasselbe passieren. Ich werde mich hü-
ten.« Aber die Ablehnung selbst involvierte bereits
eine anderweite Zusage, und zwei Tage später hat-
ten zwei Souvenirs von Sanssouci die Sammlung
vermehrt.
Diese Küche, wie wir nur wiederholen können, ist
einzig in ihrer Art, und es verlohnt sich, eine Viertelstunde lang in dieser eigentümlichsten aller barocken
Portraitgalerien zu verweilen.
Aber so unterhaltlich ein Aufenthalt an dieser Stelle
ist, zumal wenn Frau Friedrich sich herabläßt, einiges
aus der Fülle ihres Erinnerungs- und Anekdoten-
schatzes auszustreuen und die ganze Stätte zu bele-
ben, der eigentlichste Zauber dieses glücklichen Fleckchens Erde liegt doch draußen , auf dem schmalen Gartenstreifen zwischen Haus und Fluß. Ulmen
und Linden stellen sich zu natürlichen Lauben zu-
sammen, und zwischen Apfelbäumen und Blumen-
beeten hin führt ein schmaler Gang zu einer weinum-
1886
laubten Wassertreppe. Hier sitzt man, während der
Wind über die Levkojenbeete fährt, und genießt die
Stunde des Sonnenunterganges, dessen reflektiertes
Licht eben jetzt die Spitzen der gegenübergelegenen
Kiefern rötet. Das Haveltreiben zieht beinah ge-
räuschlos an uns vorüber; Dampfschiffe, unter
glückverheißendem Namen: Fortuna und Viktoria,
schießen auf und ab; Segelschiffe, schwer und lang-
sam, dazwischen. Und nun Gondeln mit Musik, und
drüben schweigend der Wald, aus dem die Hirsche
treten.
Der Abend kommt, die Nebel steigen, die Kühle
mahnt zur Rückfahrt, und unser Boot schiebt sich
durch das Rohr hin und in die freie Wasserfläche hin-
aus. Hinter uns, die verschleierte Mondsichel über
den Bäumen, versinkt das Eiland. Mehr eine Feen-
als eine Pfaueninsel jetzt!
1887
Groß Glienicke
In dunkler Gruft
Das Gebein;
In Licht und Luft
Der aufgerichtete Marmelstein.
Was ungemessen
Vielleicht gestrebt,
Es ist vergessen –
Nur das Bild noch lebt.
Die Havelufer links und rechts des Flusses weisen
strichweise einen guten Lehmboden (im Wendischen:
Glin , der Lehm) auf, weshalb wir in allen hier in Betracht kommenden Landesteilen, also in Havelland,
Zauche, Teltow, vielfach den Ortsbezeichnungen:
Glien, Glindow, Glienicke begegnen. In unmittelbarer
Nähe von Potsdam, zu Füßen von Babelsberg, liegt
Klein Glienicke mit seinen Schlössern und seiner Brü-
cke; weiter nördlich, halben Wegs zwischen Potsdam
und Spandau, treffen
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