Wanderungen durch die Mark Brandenburg
wir Groß Glienicke, Rittergut,
Filiale von Kladow, 279 Einwohner. Darunter, wie die
Nachschlagebücher gewissenhaft bemerken, zwei
Katholiken. Diese werden es schwer haben, sich pari-
tätisch zu behaupten.
Groß Glienicke wird 1300 zuerst genannt. Um die
Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts finden wir die
Bammes hier, eine alte, westhavelländische Familie.
1888
In Groß Glienicke saßen sie nicht allzulange.
Schon 1572 erscheinen die Ribbecks, zuerst Ober-
hofmeister Jürgen von Ribbeck; dann folgen zwei-
hundert Jahre später die Winnings. Jetzt gehört das
Gut der Familie Berger.
Es soll hier manches erlebt worden sein, namentlich
unter den Winnings. Die Kirche aber erzählt nur von
den Ribbecks.
Beim Eintreten in dieselbe überrascht die verhält-
nismäßig große Zahl von Bildwerken, namentlich in
Stein.
An der Wand uns gegenüber bemerken wir, dicht
nebeneinander, die Epitaphien zweier Hans Georg von Ribbeck, Vater und Sohn. Der Vater noch der
Schwedenzeit angehörig, der Sohn aus der höfi-
schen, französierten Zeit Friedrichs I. Ebendiesen
Unterschied zeigen auch die hautreliefartigen Stein-
bilder. Der ältere Hans Georg, in Brustharnisch und
Beinschienen, wie ein Derfflingerscher Reiterführer;
der jüngere in einem Roquelaure mit mächtigen Auf-
schlägen und Seitentaschen, auf dem Haupt eine
ziemlich seltsame Kappe, fast in Form einer Bi-
schofsmütze. Das Ganze in einem bestimmten,
künstlich gegebenen Farbenton: die Kappe rot ge-
malt. Dieser jüngere Hans Georg war ein branden-
burgischer Domherr, vielleicht auch – wenn ich das
Bild richtig interpretiere – ein Mann der Wissen-
schaft. Er tritt, einen Vorhang zurückschlagend, aus
diesem hervor und legt seine Rechte auf einen Schä-
del. Das Ganze eine vortreffliche Arbeit und in Auf-
1889
fassung wie technischer Durchführung an das be-
rühmte Sparr-Denkmal in unsrer Berliner Marienkir-
che erinnernd.
Beide Hans Georg von Ribbeck finden wir auch in der Gruft der Kirche wieder. Wie sie im Schiff, in bildlicher Darstellung, nebeneinander stehen, so liegen
sie hier nebeneinander. Wohlerhalten. Denn die
Groß-Glienicker Gruft gehört zu den vielen in der
Mark, in denen die beigesetzten Leichen zu Mumien
werden. Wir steigen hinab. Der Sargdeckel des zu-
vörderst stehenden Hans Georg (des Domherrn) ließ
sich ohne Mühe aufheben. Da lag er, in Roquelaure
und roter Samtkappe, in allem Äußerlichen von bei-
nahe gespenstischer Ähnlichkeit mit dem Hautrelief-
bilde, das ich eben im Schiff der Kirche gesehen hat-
te. Ganz ersichtlich hat man, bei einer erst kürzlich
stattgehabten Übermalung, die Gruft zu Rate gezo-
gen und das Mumienbild , wenn dieser Ausdruck gestattet ist, bei Restaurierung des Steinbildes benutzt.
Kirche und Gruft enthalten übrigens der Epitaphien
und Särge mehr, beispielsweise einer Frau von Rib-
beck, gebornen Brand von Lindau, einer Frau von
Lattorff, gebornen von Grävenitz, die alle dem vori-
gen Jahrhundert angehören, aber weder künstlerisch
noch historisch eine besondere Aufmerksamkeit ver-
dienen.
Ein Interesse erweckt nur noch das Altarbild, richti-
ger die Predelle desselben, die, wie so oft, ein A-
bendmahl darstellt. Christus in der Mitte, Johannes
neben ihm; neben diesem aber, statt des Petrus, der
1890
Große Kurfürst . Er trägt Allongenperücke, dunkles, enganschließendes Samtkleid, Spitzenmanschetten
und Feldbinde. Die wunderlichste Art von Huldigung,
die mir der Art vorgekommen ist. Was wollen die
anbetenden Donatoren auf den Madonnenbildern des
Mittelalters daneben sagen! Sie knien doch immer zu
Füßen der Madonna oder verdrängen wenigstens
niemand; hier aber wird Petrus, wie eine Schildwacht, einfach abgelöst, und der Große Kurfürst
zieht statt seiner auf.
Fahrland
Oh, wie warst du so schön, wenn die Fliegen der Stub
im September
Starben und rot die Eb'reschen am Hause des Jägers
sich färbten;
Wenn die Reiher zur Flucht, im einsam schwirrenden
Seerohr,
Ahnend den Sturm, sich versammelten.
Aus Schmidt von Werneuchens »Fahrland«
Von Potsdam bis Fahrland ist eine gute Meile. Der
Weg läuft in gerader Linie nordwärts und wendet sich
erst ganz zuletzt gegen Westen. Die erste halbe Mei-
1891
le, wenn man nicht das Glück hat, auf dem linkshin
sich dehnenden Exerzierfelde die Potsdamer Garden
in Übung zu sehen, ist interesselos; in Höhe des Dor-
fes Nedlitz aber ändert sich die Szene, und wir
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