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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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tre-
    ten, auf eine ganze Strecke hin, in ein durch Land-
    schaft und Geschichte gleich bemerkenswertes Ter-
    rain ein. Nur schade, daß die Geschichte an der
    Grenze sagenhafter Vorzeit liegt und nur Vermutun-
    gen gestattet.

    Die Nedlitzer Fähre
    In Höhe von Nedlitz geben sich an einer Schmalung
    drei Seen ein Rendezvous; die Krampnitz, der Fahr-
    landsche und der Jungfernsee treffen an einer
    Schmalung zusammen, und ein viaduktartiger Bau,
    mit Brückentoren und Brückenhaus, führt von einem
    Ufer zum andern.
    Ein so stattliches Bild präsentierte sich hier nicht
    immer. Dies war vordem die bescheidene Wirkungs-
    stätte der Nedlitzer Fähre . Jahrhundertelang fuhr hier ein schlichter Kahn über die Schmalung, erst
    von Vater und Sohn, dann vom Enkel und zuletzt
    vom Ur-Urenkel geführt. Immer desselben Namens.
    Die Nedlitzer Fährstelle war eine Erbstelle geworden.
    Schon im vorigen Säculo war die Familie so angese-
    hen, daß sich ihre Töchter nach Sanssouci hin mit
    Hofgärtnern und Hofbauräten vermählten. Die Fähr-
    Müllers von Nedlitz waren reiche Leute; in Bornstedt

    1892
    hatten sie ein Erbbegräbnis, das größte, was der
    Kirchhof bis diese Stunde noch aufzuweisen hat.
    Die Fähre ist nicht mehr. An ihre Stelle ist die impo-
    sante Bogenbrücke getreten; aber noch im Ausschei-
    den aus ihrer alten dynastischen Herrlichkeit hielt
    das Glück bei den Müllers aus. Die Ablösungssumme
    entsprach nicht nur der Fähreinnahme, die sie auf-
    gaben, sondern vielmehr noch der historischen
    Macht, die sie niederlegten. An das Haus Müller ka-
    men liegende Gründe, Geld, zuletzt auch der Brü-
    ckenpalast, der auf ihrem alten Territorium, wie als
    Wahrzeichen ihrer früheren Herrlichkeit, ihnen er-
    richtet worden ist. Selten wohl hat eine Fährstelle im
    Leben und Sterben so gute Tage gesehen.

    Der Königswall
    Von der Mitte der Brücke aus hat man ein anspre-
    chendes Bild in die genannten drei Wasserflächen
    und die zwischenliegende Landschaft hinein.
    Nach rechts hin, wo die Krampnitz und der Jungfern-
    see ein Eck bilden, zieht sich dammartig ein Erdwerk
    zwischen Wald und Wasser. Dieses Erdwerk ist der
    Königswall , im Munde des Volks, wie all dergleichen primitive Festungswerke, die Römer- oder Räuber-oder Schwedenschanze geheißen. Ausdrücke, die
    historisch gar keinen Anhalt geben. Die Bezeichnung
    »Königswall« ist übrigens kaum besser. Drei Seiten
    der Umwallung, welche sich zwanzig Fuß vom Boden

    1893
    erheben, sind mit geräumigen Eingängen versehen,
    von denen zwei dem Wasser, der dritte dem Lande
    zugewandt liegen. Die vierte Seite des Walles –
    wahrscheinlich eine von der Natur gebildete Hügel-
    wand – fällt aus einer Höhe von mindestens fünfzig
    Fuß steil zum Seeufer ab und scheint auch darum
    keinen Zugang zu haben. Die ganze Umwallung, so-
    weit sie künstlich ist, mißt 700 Schritt und muß viel
    Hände und viel Zeit erfordert haben. Es ist wohl un-
    zweifelhaft ein alter Camp, ein wendischer Lager-
    oder Verteidigungsplatz aus jenem Jahrhundert her,
    wo sich Christen- und Heidentum hier bekämpften.
    Die Deutschen hatten das Westhavelland inne; hier
    in dem Waldterrain des Osthavellandes, auf der »In-
    sel Potsdam«, von allen Seiten her durch Fluß und
    See und Sumpf geschützt, saßen noch die Wenden.
    Hier hatten sie ihre letzten Stätten, ihre ausgedehn-
    testen Begräbnisplätze; einzelne Striche sind mit
    Waffen und Totenurnen wie besäet.

    Das Hainholz und der Kirchberg
    Eine kaum minder interessante Wegstrecke bildet
    das Gehölz , in das die Fahrlander Straße, unmittelbar nach Passierung der Brücke, einmündet. Dies
    Wäldchen führt den Namen des » Hainholzes «, und
    aus seiner Mitte hervor steigt der höchste Berg die-
    ser Gegenden, der » Kirchberg «. Es verlohnt sich durchaus, ihn zu besteigen. Seine Höhe ist 270 Fuß.
    Das landschaftliche Bild, das sich von seiner Kuppe
    aus dem Auge darstellt, ist sehr schön und würde

    1894
    noch schöner sein, wenn nicht die Bäume, die den
    oberen Abhang umstehen, mit ihren Kronen allmählich über die Kuppe des Berges hinausgewachsen
    und dadurch einem Umblick hinderlich geworden
    wären. Wo er sich indessen bietet, ist er von großem
    Reiz und dem Wald- und Wasserpanorama nah ver-
    wandt, das ein Blick von den Müggelbergen gewährt.
    Wie der »Königswall« unten, so ist die »Kirchbergs-
    kuppe« hier oben ein ergiebiges Feld für die Konjek-
    turalhistorie; wie jener als ein Camp der Wenden,

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