Wanderungen durch die Mark Brandenburg
tre-
ten, auf eine ganze Strecke hin, in ein durch Land-
schaft und Geschichte gleich bemerkenswertes Ter-
rain ein. Nur schade, daß die Geschichte an der
Grenze sagenhafter Vorzeit liegt und nur Vermutun-
gen gestattet.
Die Nedlitzer Fähre
In Höhe von Nedlitz geben sich an einer Schmalung
drei Seen ein Rendezvous; die Krampnitz, der Fahr-
landsche und der Jungfernsee treffen an einer
Schmalung zusammen, und ein viaduktartiger Bau,
mit Brückentoren und Brückenhaus, führt von einem
Ufer zum andern.
Ein so stattliches Bild präsentierte sich hier nicht
immer. Dies war vordem die bescheidene Wirkungs-
stätte der Nedlitzer Fähre . Jahrhundertelang fuhr hier ein schlichter Kahn über die Schmalung, erst
von Vater und Sohn, dann vom Enkel und zuletzt
vom Ur-Urenkel geführt. Immer desselben Namens.
Die Nedlitzer Fährstelle war eine Erbstelle geworden.
Schon im vorigen Säculo war die Familie so angese-
hen, daß sich ihre Töchter nach Sanssouci hin mit
Hofgärtnern und Hofbauräten vermählten. Die Fähr-
Müllers von Nedlitz waren reiche Leute; in Bornstedt
1892
hatten sie ein Erbbegräbnis, das größte, was der
Kirchhof bis diese Stunde noch aufzuweisen hat.
Die Fähre ist nicht mehr. An ihre Stelle ist die impo-
sante Bogenbrücke getreten; aber noch im Ausschei-
den aus ihrer alten dynastischen Herrlichkeit hielt
das Glück bei den Müllers aus. Die Ablösungssumme
entsprach nicht nur der Fähreinnahme, die sie auf-
gaben, sondern vielmehr noch der historischen
Macht, die sie niederlegten. An das Haus Müller ka-
men liegende Gründe, Geld, zuletzt auch der Brü-
ckenpalast, der auf ihrem alten Territorium, wie als
Wahrzeichen ihrer früheren Herrlichkeit, ihnen er-
richtet worden ist. Selten wohl hat eine Fährstelle im
Leben und Sterben so gute Tage gesehen.
Der Königswall
Von der Mitte der Brücke aus hat man ein anspre-
chendes Bild in die genannten drei Wasserflächen
und die zwischenliegende Landschaft hinein.
Nach rechts hin, wo die Krampnitz und der Jungfern-
see ein Eck bilden, zieht sich dammartig ein Erdwerk
zwischen Wald und Wasser. Dieses Erdwerk ist der
Königswall , im Munde des Volks, wie all dergleichen primitive Festungswerke, die Römer- oder Räuber-oder Schwedenschanze geheißen. Ausdrücke, die
historisch gar keinen Anhalt geben. Die Bezeichnung
»Königswall« ist übrigens kaum besser. Drei Seiten
der Umwallung, welche sich zwanzig Fuß vom Boden
1893
erheben, sind mit geräumigen Eingängen versehen,
von denen zwei dem Wasser, der dritte dem Lande
zugewandt liegen. Die vierte Seite des Walles –
wahrscheinlich eine von der Natur gebildete Hügel-
wand – fällt aus einer Höhe von mindestens fünfzig
Fuß steil zum Seeufer ab und scheint auch darum
keinen Zugang zu haben. Die ganze Umwallung, so-
weit sie künstlich ist, mißt 700 Schritt und muß viel
Hände und viel Zeit erfordert haben. Es ist wohl un-
zweifelhaft ein alter Camp, ein wendischer Lager-
oder Verteidigungsplatz aus jenem Jahrhundert her,
wo sich Christen- und Heidentum hier bekämpften.
Die Deutschen hatten das Westhavelland inne; hier
in dem Waldterrain des Osthavellandes, auf der »In-
sel Potsdam«, von allen Seiten her durch Fluß und
See und Sumpf geschützt, saßen noch die Wenden.
Hier hatten sie ihre letzten Stätten, ihre ausgedehn-
testen Begräbnisplätze; einzelne Striche sind mit
Waffen und Totenurnen wie besäet.
Das Hainholz und der Kirchberg
Eine kaum minder interessante Wegstrecke bildet
das Gehölz , in das die Fahrlander Straße, unmittelbar nach Passierung der Brücke, einmündet. Dies
Wäldchen führt den Namen des » Hainholzes «, und
aus seiner Mitte hervor steigt der höchste Berg die-
ser Gegenden, der » Kirchberg «. Es verlohnt sich durchaus, ihn zu besteigen. Seine Höhe ist 270 Fuß.
Das landschaftliche Bild, das sich von seiner Kuppe
aus dem Auge darstellt, ist sehr schön und würde
1894
noch schöner sein, wenn nicht die Bäume, die den
oberen Abhang umstehen, mit ihren Kronen allmählich über die Kuppe des Berges hinausgewachsen
und dadurch einem Umblick hinderlich geworden
wären. Wo er sich indessen bietet, ist er von großem
Reiz und dem Wald- und Wasserpanorama nah ver-
wandt, das ein Blick von den Müggelbergen gewährt.
Wie der »Königswall« unten, so ist die »Kirchbergs-
kuppe« hier oben ein ergiebiges Feld für die Konjek-
turalhistorie; wie jener als ein Camp der Wenden,
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