Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Dienste solide
ist, so bin ich der Mann dazu... Ganz natürlich wäre
hier der Ort, mich gegen die schwarze Kabale meines
eigentlichen Pfarrdorfes zu verteidigen, weil es ihr
doch gelungen ist, ihre Verleumdungen auch bis Sac-
row auszudehnen. Die Zeit aber, die alles entdeckt,
wird auch dieses aufdecken.«
Hierauf bekam ich folgende Antwort: »Euer Hoch-
ehrwürden an mich geschriebene Briefe habe ich
richtig erhalten; da es aber noch lange Zeit hat, bis
1924
das Gnadenjahr um ist, so werden Sie mir wohl nicht
verdenken, daß ich nicht eile. Unter der Zeit hoffe
das Vergnügen zu haben, Sie persönlich kennenzu-
lernen. Finde ich, was ich suche, nämlich einen wah-
ren Seelsorger seiner Gemeinde, so wird die Vocati-
on nicht lange ausbleiben. – Was die ›Kabale‹ anbe-
trifft, von der Sie sprechen, so ist mir dieselbe nicht nur unbekannt, sondern das Wort Kabale allein
schon ist mir unerträglich, insonderheit in Sachen,
wo man Gott sein Schicksal überlassen und von ihm erwarten muß, was er zu unserem Seelenheil bestimmt.«
Der Graf (so fährt das Tagebuch fort) schreibt von
Seelenheil wie ein Pietist, wofür er auch in seiner
Gegend gehalten wurde. Das Wort Schicksal, wel-
ches kein Hallenser verträgt, mag er verdauen. Er
ärgert sich über den Ausdruck Kabale, wie mir Hofrat
Brandhorst erzählt, bloß deshalb, weil es ihm seine
eigene ehemalige Kabale zu Stockholm ins Gedächtnis ruft, worüber er öfter Gewissensvorwürfe haben
soll.
Der 11. p. trinitatis führte mich zur Vakanzpredigt
nach Sacrow. Ich predigte über die Sonntagsepistel
und entwickelte den wahren Begriff der Bekehrung.
Der Graf lobte mich ins Gesicht; die Gräfin bat sich
die Predigt abschriftlich aus.
Während des Kaffees trat ein gemeiner Mann in den
Saal. Er ward von der Herrschaft sehr freundlich be-
willkommt, ihm ein Stuhl neben der Gräfin gesetzt
und ein Glas Wein gereicht (mir nicht). »Kennen Sie
1925
diesen Mann?« – »Nein!« – »Es ist ein wahres Kind
Gottes, der Weinmeister Reuter von Krampnitz. Ler-
nen Sie ihn kennen.«
Ich erwartete nun des Grafen Erklärung über die Vo-
cation. Allein er schwieg. Beim Abschied bat ich
nochmals darum. »Ich werde Ihnen meine Meinung
schriftlich melden.«
Ich ging ohne Freudigkeit weg, und diese Freudigkeit
sollte mir auch nicht kommen, als endlich des Grafen
Brief eintraf, in dem er mir einen Gehalt von sechzig
Talern versprach, weil das Korn, das laut Matrikel der
Stelle zugehört, so viel betrage. Dies war nicht rich-
tig, es betrug mehr , und so schrieb ich denn, der Herr Graf möchte es entweder beim alten (Natural-lieferung) belassen oder sich ans Oberconsistorium
wenden. Wie sehr ich hierdurch den schwedischen
Reichsgrafen aufgebracht und was er für böse Worte
im Zorn gegen mich ausgestoßen, das hab ich wohl
erfahren, mag es aber nicht niederschreiben.
(1775.) Der Graf war also mein Feind und suchte
sich anderwärts zu helfen. Der Kandidat Korthym
sollte sich ordinieren lassen – die Waisenhausdirekti-
on widersetzte sich. Er (der Graf) bot es dem Predi-
ger Hollmann in Uetz an, aber der war zu ehrlich, um
im trüben zu fischen. Prediger Schmidt in Döberitz
war bereit, wenn ihn der Graf wollte abholen und
zurückfahren lassen. Aber der Graf wollte nicht plus,
sondern minus. Endlich wandte er sich an den irren-
den Ritter, Herrn Magister Kindleben, damals Predi-
ger in Gladow, ein Mann von der schlechtesten Auf-
1926
führung, der es mit Freuden annahm, aber bald sei-
nen Posten niederlegte, um der öffentlichen Cassati-
on zuvorzukommen.
Mit Anfang des August kam der Küster Wurm aus
Sacrow zu mir, ein Mann, wie zum Küster gebaut,
ohne den gewöhnlichen Nagel im Kopf. »Der Graf ist
in der Enge«, sagte er, »jetzt ist es Zeit, schreiben
Sie.« – »Ich! schreiben! der Graf hat unrecht.« –
»Ja, das hat er; aber er ist doch ein großer Herr«
(Wurm war vorher Bedienter des Grafen gewesen),
»geben Sie nach.« – Und ich gab nach. Wir wurden
einig. Ich ward nebst meiner Frau zu Tische gebeten.
Nach Tisch standen der Graf und ich am Fenster.
»Sie sind mein Mann, wir sind füreinander gemacht.«
– »Ja«, sagte ich, »es sei so für meine Person. Mein
Nachfolger bleibe ungebunden. Hier ist meine Hand.«
(1777.) Graf und Gräfin waren wenig hier. Sie lebten
in Berlin. Nur einmal ist die Gräfin bei mir zum A-
bendmahl gegangen, am Sonntage vor der Predigt.
Sie war ganz schlecht
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