Wanderungen durch die Mark Brandenburg
gekleidet, comme en négligé.
Es war auch in Berlin, wo sie am 13. Juli 1777 starb.
Ihre Leiche wurde nach Sacrow gebracht. Über Stol-
pe kam sie und ward mit einer Fähre (die dazu ange-
schafft wurde und seit der Zeit da ist) übergesetzt.
Ich war gegen sechs Uhr abends bestellt, und als ich
kam, stand der Sarg schon im Salon und die Träger
dabei. Ich ging hinauf zu ihm. »Wie wollen es der
Herr Graf gehalten wissen?« – »Sie gehen mit dem
Küster voran. Unterwegs wird nicht gesungen. Bei
dem Grabe singen Sie: ›Jesus, meine Zuversicht‹.
1927
Dann tun Sie ein Gebet; darauf wird weitergesungen
und das Grab zugeworfen.« Und so geschah es. Er
hatte sich an einen Baum gelehnt und zog etliche Mal
das Schnupftuch heraus. Nach vier Wochen bestellte
Herr Lüdicke (Schreiber und Faktotum) eine Leichen-
predigt, brachte auch den Lebenslauf. Ich hielt sie,
aber der Graf war bei dem König. Niemand vergoß
eine Träne. Es sah für eine Gräfin etwas kahl aus.
Die verstorbene Gräfin wurde den 16. Juni 1722 ge-
boren. Ihr Vater war Graf Karl Wachtmeister, könig-
lich schwedischer Admiral, und der Großvater Graf
Johann Wachtmeister, Reichsrat und Großadmiral der
ganzen schwedischen Flotte. Die Frau Mutter war
Henriette Baronesse von Metsch und die Großmutter
eine Gräfin Archenberg. – Im zwanzigsten Jahre ih-
res Alters ward sie mit dem Grafen Johann Ludwig
Hordt, damals königlich schwedischer Oberst, jetzt
königlich preußischer Generallieutenant und Gouver-
neur der Veste Spandau, Erbherr auf Sacrow, ver-
mählt. In dieser Ehe hat sie vier Kinder geboren,
davon nur noch der zweite Sohn lebt, Graf Karl Lud-
wig Hordt, geboren 1749, jetzt Lieutenant beim Re-
giment Prinz Leopold von Braunschweig zu Frankfurt
an der Oder und Adjutant des Prinzen. In den letzten
Jahren stand sie manche Schwachheit des Körpers
aus. Es waren gichtische Zufälle, die ihren Tod be-
schleunigten. Von Person ansehnlich, hatte sie das
ganze air de grandesse. Sie sah aus wie die Ernst-
haftigkeit selbst. Daher stutzte ich, als sie einst von dem liederlichen Kindleben sagte: »Er war ein allerliebster Mann, sprach gut französisch und konnte
einen recht zu lachen machen.« Es heißt, daß die
1928
Ehe keine glückliche war. Die fromme Miene hatte
sie ganz und besuchte oft den Weinmeister Reuter.
Seit dieser Beerdigung habe ich den Grafen nicht
wieder in Sacrow gesehen. Er war seit des Lentulus
Abreise beständig bei dem König und ging 1778 mit
zu Felde als Chef eines Freiregiments. Beim Ende des
Krieges 1779 verzürnte er sich mit dem König, nahm
seinen Abschied, wohnte zu Berlin und verkaufte
Sacrow an den Baron von Fouqué, Sohn des be-
rühmten Generals.
Man muß dem Grafen Hordt die Gerechtigkeit wider-
fahren lassen, daß er das elende Sacrow umgeschaf-
fen hat. Das schöne Wohnhaus, der ganze Plan des
Gehöftes, des Gartens und des Dörfleins, alles
kommt von ihm her. Wenn ich Sacrow jetzt mit dem
von 1750 vergleiche, so kann ich sagen, Sacrow war
damals ein Ratzenloch. Hordt kaufte es, wie man
sagt, für 15 000 Taler, baute stark, erholte sich in
der Heide und verkaufte es an Fouqué für
23 000 Taler, doch inclusive vielen Meublements.
Der Gräfin Zimmer blieb in statu quo. Der Graf,
wenn er in Sacrow war, lebte sehr eingezogen. In
meinen Jahren habe ich keine fremde Seele bei ihm
getroffen. Er mochte es nicht überflüssig haben. Ge-
gen mich hat er sich geizig betragen. Nichts von Ge-
nerosität habe ich von ihm aufzuweisen. Der Schrei-
ber Lüdicke war sein Herz und Werkzeug, tätig und
wirtschaftlich, übrigens falsch wie eine Schlange und
dumm wie ein Schöps.
1929
1. Diese Aufzeichnungen sind im wesentlichen
wörtlich wiedergegeben, nur selten gebot es
sich, einzelne Worte, Namen, Sätze fortzulas-
sen oder umgekehrt zur Erklärung einzuschal-
ten. Alles trägt den Stempel des Ernstes, der
Wahrheit und absoluter Phrasenlosigkeit. Das
letztere führt zu einer gewissen Herbheit;
nichts ist beschönigt, das Leben, eignes wie
fremdes, gegeben, wie es war. Darin liegt a-
ber, bei manchem ästhetisch Anfechtbaren,
auch wieder der Wert dieser Notizen. Sie ge-
ben ein Zeit- und Sittenbild aus dem letzten
Viertel des vorigen Jahrhunderts; die Laxheit
des Herrenhauses, die Kümmerlichkeit der
Pfarren, beide finden eine gleich treffende
Darstellung.
Sacrow unter Baron Fouqué
von 1779 bis 1787
Der Graf Hordt hatte keine Kirchenrechnung
Weitere Kostenlose Bücher