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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Rückschritt,
    eine Einbuße an ideellen Gütern erkennen? Wer hat
    den Mut, die Glaubenskraft des Menschen unter die
    Verstandeskraft zu stellen? Glaube und wissenschaft-
    liche Erkenntnis schließen einander nicht aus, und
    mit höchster Geisteskraft ist höchste Glaubenskraft
    durch ganze Epochen hin vereinigt gewesen. Das
    Rosenkreuzertum hat dadurch keine Sünde auf sich
    geladen, daß es das Gegenteil von dem wollte, was der alte Nicolai wollte.1)
    Wenn wir dennoch das Auftreten des Rosenkreuzer-
    tums zu beklagen und sein Erlöschen, nach kurzer
    Allmacht, als ein Glück für das Land zu bezeichnen
    haben, so liegt das in Nebendingen, in begleitenden
    Zufälligkeiten, die, teils irrtümlicherweise, von den
    Feinden aber in wohlüberlegter Absicht, in den Vor-
    dergrund gestellt worden sind, um das moralische
    Ansehen des Gegners zu diskreditieren. Wir meinen
    hier die Geistererscheinungen , den ganzen Apparat, der von den Rosenkreuzern in Bewegung gesetzt
    wurde, um einen trägen Glauben künstlich zu bele-
    ben.
    Wegzuleugnen sind diese trüben Dinge nicht, wie-
    wohl sie höchstwahrscheinlich eine viel geringere
    Rolle gespielt haben, als man gewöhnlich annimmt.
    Gleichviel: man hat zu diesen Hilfsmitteln gegriffen, 2061
    und wir perhorreszieren es, daß es geschehen. Es
    war unwürdig, bei dem betrügerischen Schrepfer
    sozusagen auf Borg zu gehen, seine im Dienst der
    Lüge klug verwandten Künste in den Dienst einer
    Sache zu stellen, die, für unsere Überzeugung we-
    nigstens, ganz unbestritten einen idealen Kern hatte.
    Es war ein Unrecht. Aber betonen wir dies Unrecht
    nicht stärker als nötig. Beurteilen wir die Dinge aus
    der Zeit heraus. Auch das sittliche Empfinden stellt sich in verschiedenen Jahrhunderten verschieden.
    Eine Politik, wie sie der Große Kurfürst, ein frommer,
    strenggläubiger Mann, gegen Polen und Schweden
    übte, würde heute verabscheut werden; damals
    nahm niemand Anstoß daran; man bewunderte nur
    den klugen, patriotischen Fürsten – und zu allen Zei-
    ten sind Wunder gemacht worden, nicht bloß von
    Betrügern, sondern auch von Priestern, die an einen
    ewigen, allmächtigen und wundertätigen Gott in aller Aufrichtigkeit glaubten. Wie wir schon an früherer
    Stelle sagten: das kleine Mit-Eingreifen, das Mit-
    Spielen ist kein Beweis für ein frivoles Sich-drüber-Stellen über die transzendentale Welt.
    Der Hokuspokus bleibt ein Fleck an jener interessanten geheimen Vergesellschaftung, die durch eine
    seltsame Verkettung von Umständen in die Lage
    kam, Preußen auf zwölf Jahre hin zu regieren, aber
    ein billiges Urteil über den moralischen Wert derjenigen, die damals an der Spitze dieses Ordens stan-
    den, wird doch nur derjenige haben, der sich die
    Frage nach dem »guten Glauben« der Betreffenden
    vorlegt und gewissenhaft beantwortet. Daß Bi-
    schofswerder diesen »guten Glauben« hatte, haben

    2062
    wir in dem Kapitel » Marquardt « darzulegen getrachtet; in betreff Wöllners steht uns das unverfänglichs-
    te Zeugnis zur Seite, das Zeugnis seines Antagonis-
    ten Nicolai selbst. Dieser schreibt über ihn: »Eine
    Menge kabbalistischer und magischer Worte verdun-
    kelte nach und nach seinen hellen Kopf, und seine
    irregeleitete Einbildungskraft ließ ihn allenthalben Geheimnisse und Wunder sehen . Im Jahre 1778 war er bereits so weit, daß er die geheime Lehre der rosenkreuzerischen Philosophie für das einzig wahre
    Wissen hielt, für ein Wissen, das bald ganz allgemein werden und alle andere Philosophie verdrängen wür-de.«
    So Nicolai. Die Verurteilung der Richtung Wöllners wird hier, unbeabsichtigt, zur Anerkennung seiner
    persönlichen Aufrichtigkeit . Und dies genügt uns. Wie wenig Nicolai fähig war, der Richtung gerecht zu werden, glauben wir im Vorgehenden gezeigt zu haben.
    1800 starb Wöllner zu Groß Rietz, 1803 Bischofswer-
    der zu Potsdam. Das Rosenkreuzertum ging mit ih-
    nen zu Grabe.

    1. Wie wenig der alte Nicolai, mit all seinen Me-
    riten, imstande war, einer Erscheinung wie
    der des Rosenkreuzerordens gerecht zu wer-
    den, geht aus seinen eigenen Aufzeichnungen
    am besten hervor. Er sah in allem , was da-
    mals in Dichtung und Philosophie den Vor-

    2063
    hang von einer neuen Welt hinwegzuziehn
    gedachte, nur Eitelkeit, Anmaßung, Phantas-
    terei und Geisterschwindel und stand gegen
    die ganze junge Literatur, wenigstens soweit
    sie romantisch war, ebenso feindselig wie ge-
    gen Wöllner und die Rosenkreuzerei. »Die
    Herren Fichte,

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