Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Duft der Re-
sedabeete zu. Es war eine halbe Stunde, wie sie nur
an dieser Stelle erlebt werden kann, hier, wo sich Stille und Erinnerung die Hand reichen.
Wir hingen noch den letzten Worten nach, der
Schloßdiener öffnete die Läden und lüftete die Zim-
mer, in die wir einzutreten hatten, als die Szene sich
plötzlich änderte. Ein Windstoß, jäh und heftig, fuhr
durch den Park, die uns zunächst stehenden hohen
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Pappeln beugten sich, Blätter, wie Flocken, fielen auf
uns nieder, die Chaussee herauf kam eine Wolke von
Kies und Staub, und über den ganzen Himmel hin
rollte die erste Ankündigung des Gewitters. Es war,
als ob wir erleben sollten, daß auch diese Stille täusche. Überall rollen die Donner Gottes und künden,
daß kein ewiger Friede sei.
Einen Augenblick schwankten wir, ob wir von der
Poesie des Gegensatzes Nutzen ziehen und die sich
öffnenden Schloßräume, die verblaßten Zeichen stil-
len Familienglücks, bei Gewitterschein in Augen-
schein nehmen sollten, aber das mahnende Wort:
»Das kommt schwer herauf«, gab uns doch zu den-
ken, und nachdem erst einmal gezweifelt und der
»angebornen Farbe der Entschließung« die bekannte
Gedankenblässe angekränkelt war, gaben wir's auf
und nahmen die Einladung an, die uns in die Woh-
nung des Hofgärtners führte. Es war die höchste
Zeit; noch trafen uns die ersten großen Tropfen;
kaum unter Dach, und das Schauspiel begann: Re-
gen und Feuer fielen vom Himmel nieder. Als es vor-
über war, war es zu spät, den Rückweg anzutreten;
die Wege waren grundlos, die tiefen Stellen unter
Wasser; wir blieben zu Nacht. Wer eingeregnet und
eingewittert, mög es immer so gastlich treffen wie
wir im Gärtnerhause zu Paretz.
Ein Morgen kam, wie er nur nach solchem Abend
kommt. Die Sonne funkelte wie gebadet, und als die
Läden des Schlosses sich wieder öffneten, schoß das
Licht hinein und lief wie ein Blitz durch alle Räume.
Das Dunstige und Trübselige, das sonst in solchen
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Räumen zu Hause ist, es war wie ausgefegt; Licht
macht wohnlich, alles schien bereit; es war, als solle
das schöne königliche Paar, das hier vor siebenzig
Jahren lebte und lachte, jeden Augenblick wieder
seinen Einzug halten.
Und wenn es so wäre, sie würden die Stätte ihres Glücks wenig verändert finden. Da sind noch dieselben Tapeten und Wandgemälde, dieselben kissenrei-
chen, mit Zitz überzogenen Sofas und Ottomanen,
dieselben gemalten Papageien und Fasanen, diesel-
ben Büsten und Bilder. Bilder wohl 1 000 an der
Zahl, englische Stiche in Nußbaum- und Ehenhol-
zumrahmung, wie sie jeder von uns aus dem Hause
der Großeltern oder aus den Gast- und Logierstuben
der Landedelleute kennt. Wie diese Gaststuben ge-
meinhin neben der Rumpelkammer liegen, so sind
sie auch, in allem, was Kunst angeht, die Vorberei-
tung, die Etappe zu ihr. Ein junges Mädchen, mit
Kaninchen spielend, ein junges Mädchen mit einem
Taubenkorb, die Grotte der Egeria, die Kaskaden von
Tivoli, so folgen die Blätter aufeinander, abwechselnd
in Schwarz- und in Buntfarbendruck und alle einer
Lordship oder Royal Highness respectfully devoted.
1 000 Blätter, aber keines von Bedeutung, mit Aus-
nahme eines einzigen, das durch seinen Gegenstand
und seine Schicksale ein gewisses Interesse einflößt.
Es ist dies »Die Zusammenkunft des preußischen
Königspaares und des Kaisers von Rußland in Me-
mel, 1802«. Der Stich nach diesem Bilde ist allge-
mein bekannt; hier befindet sich das Original, eine Arbeit Dählings, in Gouache sauber ausgeführt.
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Schloß Paretz ist genau der Punkt, wo dieses Bild
seine Stelle finden mußte, denn die Personen, die es
darstellt, sind recht eigentlich Paretzer Personen,
Gestalten, die dem Schloß »Still-im-Land« in der
Epoche von 1795 bis 1805 angehörten. Es sind, au-
ßer dem Kaiser auf der einen und dem König und der
Königin auf der andern Seite, die folgenden: Prinz
Wilhelm, Prinz Heinrich, Feldmarschall von Kalck-
reuth, Hofmarschall von Massow, Gräfin von Voß,
General von Köckritz, die Kammerherren von Schil-
den und von Buch, die Kammerdame von Moltke und
der Major von Jagow. Dies Gouachebild Dählings, das
auf der Rückseite mit drei verschiedenen Zetteln
oder Briefen beklebt ist, denen wir auch diese Noti-
zen entnehmen, war wohl, wenn nicht direkt im Auf-
trage des Hofes, so doch wenigstens in der Hoffnung
angefertigt worden, daß der Hof es erstehen würde;
die
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