Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Duft der Re-
    sedabeete zu. Es war eine halbe Stunde, wie sie nur
    an dieser Stelle erlebt werden kann, hier, wo sich Stille und Erinnerung die Hand reichen.
    Wir hingen noch den letzten Worten nach, der
    Schloßdiener öffnete die Läden und lüftete die Zim-
    mer, in die wir einzutreten hatten, als die Szene sich
    plötzlich änderte. Ein Windstoß, jäh und heftig, fuhr
    durch den Park, die uns zunächst stehenden hohen

    2086
    Pappeln beugten sich, Blätter, wie Flocken, fielen auf
    uns nieder, die Chaussee herauf kam eine Wolke von
    Kies und Staub, und über den ganzen Himmel hin
    rollte die erste Ankündigung des Gewitters. Es war,
    als ob wir erleben sollten, daß auch diese Stille täusche. Überall rollen die Donner Gottes und künden,
    daß kein ewiger Friede sei.
    Einen Augenblick schwankten wir, ob wir von der
    Poesie des Gegensatzes Nutzen ziehen und die sich
    öffnenden Schloßräume, die verblaßten Zeichen stil-
    len Familienglücks, bei Gewitterschein in Augen-
    schein nehmen sollten, aber das mahnende Wort:
    »Das kommt schwer herauf«, gab uns doch zu den-
    ken, und nachdem erst einmal gezweifelt und der
    »angebornen Farbe der Entschließung« die bekannte
    Gedankenblässe angekränkelt war, gaben wir's auf
    und nahmen die Einladung an, die uns in die Woh-
    nung des Hofgärtners führte. Es war die höchste
    Zeit; noch trafen uns die ersten großen Tropfen;
    kaum unter Dach, und das Schauspiel begann: Re-
    gen und Feuer fielen vom Himmel nieder. Als es vor-
    über war, war es zu spät, den Rückweg anzutreten;
    die Wege waren grundlos, die tiefen Stellen unter
    Wasser; wir blieben zu Nacht. Wer eingeregnet und
    eingewittert, mög es immer so gastlich treffen wie
    wir im Gärtnerhause zu Paretz.
    Ein Morgen kam, wie er nur nach solchem Abend
    kommt. Die Sonne funkelte wie gebadet, und als die
    Läden des Schlosses sich wieder öffneten, schoß das
    Licht hinein und lief wie ein Blitz durch alle Räume.
    Das Dunstige und Trübselige, das sonst in solchen

    2087
    Räumen zu Hause ist, es war wie ausgefegt; Licht
    macht wohnlich, alles schien bereit; es war, als solle
    das schöne königliche Paar, das hier vor siebenzig
    Jahren lebte und lachte, jeden Augenblick wieder
    seinen Einzug halten.
    Und wenn es so wäre, sie würden die Stätte ihres Glücks wenig verändert finden. Da sind noch dieselben Tapeten und Wandgemälde, dieselben kissenrei-
    chen, mit Zitz überzogenen Sofas und Ottomanen,
    dieselben gemalten Papageien und Fasanen, diesel-
    ben Büsten und Bilder. Bilder wohl 1 000 an der
    Zahl, englische Stiche in Nußbaum- und Ehenhol-
    zumrahmung, wie sie jeder von uns aus dem Hause
    der Großeltern oder aus den Gast- und Logierstuben
    der Landedelleute kennt. Wie diese Gaststuben ge-
    meinhin neben der Rumpelkammer liegen, so sind
    sie auch, in allem, was Kunst angeht, die Vorberei-
    tung, die Etappe zu ihr. Ein junges Mädchen, mit
    Kaninchen spielend, ein junges Mädchen mit einem
    Taubenkorb, die Grotte der Egeria, die Kaskaden von
    Tivoli, so folgen die Blätter aufeinander, abwechselnd
    in Schwarz- und in Buntfarbendruck und alle einer
    Lordship oder Royal Highness respectfully devoted.
    1 000 Blätter, aber keines von Bedeutung, mit Aus-
    nahme eines einzigen, das durch seinen Gegenstand
    und seine Schicksale ein gewisses Interesse einflößt.
    Es ist dies »Die Zusammenkunft des preußischen
    Königspaares und des Kaisers von Rußland in Me-
    mel, 1802«. Der Stich nach diesem Bilde ist allge-
    mein bekannt; hier befindet sich das Original, eine Arbeit Dählings, in Gouache sauber ausgeführt.

    2088
    Schloß Paretz ist genau der Punkt, wo dieses Bild
    seine Stelle finden mußte, denn die Personen, die es
    darstellt, sind recht eigentlich Paretzer Personen,
    Gestalten, die dem Schloß »Still-im-Land« in der
    Epoche von 1795 bis 1805 angehörten. Es sind, au-
    ßer dem Kaiser auf der einen und dem König und der
    Königin auf der andern Seite, die folgenden: Prinz
    Wilhelm, Prinz Heinrich, Feldmarschall von Kalck-
    reuth, Hofmarschall von Massow, Gräfin von Voß,
    General von Köckritz, die Kammerherren von Schil-
    den und von Buch, die Kammerdame von Moltke und
    der Major von Jagow. Dies Gouachebild Dählings, das
    auf der Rückseite mit drei verschiedenen Zetteln
    oder Briefen beklebt ist, denen wir auch diese Noti-
    zen entnehmen, war wohl, wenn nicht direkt im Auf-
    trage des Hofes, so doch wenigstens in der Hoffnung
    angefertigt worden, daß der Hof es erstehen würde;
    die

Weitere Kostenlose Bücher