Wanderungen durch die Mark Brandenburg
goldenen Kreuzen
deckt den Abendmahlstisch; Kruzifix und Altarleuch-
ter, größer und reicher, als sie sonst in Dorfkirchen
heimisch sind, deuten auf den königlichen Geber; zu
Füßen des Kruzifixes aber liegt die sogenannte Kur-
fürstenbibel, mit vielen Stichen und Bildern, prächtig
gebunden. Der breite Goldschnitt zeigt oben und
unten, wie auch in Front, drei zierliche Aquarellbil-
der: die Taufe, das Abendmahl, die Himmelfahrt –
eine Art der Ornamentierung, der wir hier zum ers-
ten Male begegneten. Es sind Arbeiten (ihrem
Kunstwert nach unsern Porzellanmalereien ver-
wandt), wie sie damals in Dresden nach berühmten
Poussins und Carraccis gut und mannigfach ausge-
führt wurden.
Durch eine Balustrade vom Kirchenschiff getrennt ist
der »Königsstuhl«. Er hat die Dimensionen eines
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kleinen Zimmers; die Herrichtung ist einfach; an der
Westwand erhebt sich, in das Mauerwerk eingelas-
sen, eine durch den Stich mannigfach bekannt ge-
wordene Arbeit Schadows: »Die Apotheose der Köni-
gin Luise«. Mehr eigentümlich als schön. In ihrer
Mischung von christlicher und heidnischer Symbolik
ist uns die Arbeit kaum noch verständlich, jedenfalls
unserem Sinne nicht mehr adäquat. Sie gehört, ihrer
Grundanschauung nach, jener wirren Kunstepoche
an, wo der Große Fritz in Gefahr war, unter die Heili-
gen versetzt zu werden, wo er im Elysium, mit Ster-
nenkranz und Krückstock angetan, die der Zeitlich-
keit entrückten preußischen Helden wie zur Parade
empfing. Eine Art Sanssouci auch dort oben.
Schadow, sonst von so gutem Geschmack, vergriff
sich in diesem Falle, wie uns scheinen will, und die
Inschrift eines von einem Engel gehaltenen Schildes
gibt Auskunft darüber, wie er sich vergriff. Diese Inschrift lautet: »Hohenzieritz, den 19. Juli 1810,
vertauschte sie die irdische Krone mit der himmlischen, umgeben von Hoffnung, Liebe, Glaube und
Treue, und in tiefe Trauer versinken Brennus und
Borussia.« Wir haben hier Kunst mengerei und Religions mengerei, alles beieinander. Die Verdienste der Arbeit sind nichtsdestoweniger bedeutend, aber sie
sind mehr technischer Natur und greifen zum Teil auf
das Gebiet der Kunstindustrie hinüber.
Die anderweitigen Schätze, die die Paretzer Kirche,
weit über diese großen Schildereien hinaus, in ihrer
Mitte birgt, sind zwei Erinnerungsstücke, alt und neu,
das eine aus der Zeit der kirchlichen, das andere aus
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der Zeit der politischen Umgestaltung, die dieses
Land erfuhr – beinahe dreihundert Jahre liegen da-
zwischen. Aus dem Jahre 1539, wie die eingebrannte
Jahreszahl zeigt, stammt das Bildnis des heiligen
Mauritius, das aus dem Spitzbogen des Chorfensters
in die Kirche hinein grüßt; zu Füßen des alten
Schutzpatrons dieser Lande aber steht ein zierlicher,
mit Tapisseriebildern versehener Kasten, in dem ein
blauseidenes, silbergesticktes Tuch zusammengefal-
tet liegt. Es ist das Tuch, das Königin Luise bei ihrem letzten Besuch an dieser Stelle trug. Der König, nach
ihrem Tode, breitete es, als das Liebste, was er hat-
te, über den Altartisch, bis es, halb zerfallend in seinem leichten Gewebe, durch den Damast abgelöst
wurde, der, mit goldenen griechischen Kreuzen ge-
schmückt, jetzt dieselbe Stelle ziert.
Aber in dem Kästchen liegen doch, wie verkörpert,
die Erinnerungen dieser Stätte.
Der »Tempel«
Die Kirche von Paretz ist ein Platz reicher Erinnerun-
gen, aber Paretz hat der Erinnerungsplätze mehr.
Speziell der Erinnerung geweiht ist der »Tempel«. Er
befindet sich in einer verschwiegenen Ecke des
Parks, wo dieser die Havel berührt, und bildet einen
Teil des an dieser Stelle künstlich aufgeworfenen
Aussichtshügels, der auf seiner Spitze ein japani-
sches Häuschen, an seiner westlichen Seite eine Ro-
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kokogrotte und nach Süden hin ebendiesen »Tem-
pel« trägt.
Dieser Tempel, eine bloße Façade, die auf halbver-
sunkenen dorischen Säulen ruht und zunächst kei-
nem anderen Zwecke gedient haben mochte, als
Schutz gegen Regen und Sonne zu gewähren,
scheint von Anfang an ein bevorzugter Platz gewesen
zu sein, wie es auch in dem laubenreichsten Garten
immer noch eine Lieblingslaube gibt, woran sich Leid
und Freud des Hauses knüpft, der erste Kuß, die stil-
le Verlobung, Abschied und Wiedersehen.
Zu solchem Platze wuchs der Tempel heran, und der
ziemlich nichtssagende Bau, der bei seiner Anlage
nichts gewesen war als eine Gärtnerlaune,
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