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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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goldenen Kreuzen
    deckt den Abendmahlstisch; Kruzifix und Altarleuch-
    ter, größer und reicher, als sie sonst in Dorfkirchen
    heimisch sind, deuten auf den königlichen Geber; zu
    Füßen des Kruzifixes aber liegt die sogenannte Kur-
    fürstenbibel, mit vielen Stichen und Bildern, prächtig
    gebunden. Der breite Goldschnitt zeigt oben und
    unten, wie auch in Front, drei zierliche Aquarellbil-
    der: die Taufe, das Abendmahl, die Himmelfahrt –
    eine Art der Ornamentierung, der wir hier zum ers-
    ten Male begegneten. Es sind Arbeiten (ihrem
    Kunstwert nach unsern Porzellanmalereien ver-
    wandt), wie sie damals in Dresden nach berühmten
    Poussins und Carraccis gut und mannigfach ausge-
    führt wurden.
    Durch eine Balustrade vom Kirchenschiff getrennt ist
    der »Königsstuhl«. Er hat die Dimensionen eines

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    kleinen Zimmers; die Herrichtung ist einfach; an der
    Westwand erhebt sich, in das Mauerwerk eingelas-
    sen, eine durch den Stich mannigfach bekannt ge-
    wordene Arbeit Schadows: »Die Apotheose der Köni-
    gin Luise«. Mehr eigentümlich als schön. In ihrer
    Mischung von christlicher und heidnischer Symbolik
    ist uns die Arbeit kaum noch verständlich, jedenfalls
    unserem Sinne nicht mehr adäquat. Sie gehört, ihrer
    Grundanschauung nach, jener wirren Kunstepoche
    an, wo der Große Fritz in Gefahr war, unter die Heili-
    gen versetzt zu werden, wo er im Elysium, mit Ster-
    nenkranz und Krückstock angetan, die der Zeitlich-
    keit entrückten preußischen Helden wie zur Parade
    empfing. Eine Art Sanssouci auch dort oben.
    Schadow, sonst von so gutem Geschmack, vergriff
    sich in diesem Falle, wie uns scheinen will, und die
    Inschrift eines von einem Engel gehaltenen Schildes
    gibt Auskunft darüber, wie er sich vergriff. Diese Inschrift lautet: »Hohenzieritz, den 19. Juli 1810,
    vertauschte sie die irdische Krone mit der himmlischen, umgeben von Hoffnung, Liebe, Glaube und
    Treue, und in tiefe Trauer versinken Brennus und
    Borussia.« Wir haben hier Kunst mengerei und Religions mengerei, alles beieinander. Die Verdienste der Arbeit sind nichtsdestoweniger bedeutend, aber sie
    sind mehr technischer Natur und greifen zum Teil auf
    das Gebiet der Kunstindustrie hinüber.
    Die anderweitigen Schätze, die die Paretzer Kirche,
    weit über diese großen Schildereien hinaus, in ihrer
    Mitte birgt, sind zwei Erinnerungsstücke, alt und neu,
    das eine aus der Zeit der kirchlichen, das andere aus

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    der Zeit der politischen Umgestaltung, die dieses
    Land erfuhr – beinahe dreihundert Jahre liegen da-
    zwischen. Aus dem Jahre 1539, wie die eingebrannte
    Jahreszahl zeigt, stammt das Bildnis des heiligen
    Mauritius, das aus dem Spitzbogen des Chorfensters
    in die Kirche hinein grüßt; zu Füßen des alten
    Schutzpatrons dieser Lande aber steht ein zierlicher,
    mit Tapisseriebildern versehener Kasten, in dem ein
    blauseidenes, silbergesticktes Tuch zusammengefal-
    tet liegt. Es ist das Tuch, das Königin Luise bei ihrem letzten Besuch an dieser Stelle trug. Der König, nach
    ihrem Tode, breitete es, als das Liebste, was er hat-
    te, über den Altartisch, bis es, halb zerfallend in seinem leichten Gewebe, durch den Damast abgelöst
    wurde, der, mit goldenen griechischen Kreuzen ge-
    schmückt, jetzt dieselbe Stelle ziert.
    Aber in dem Kästchen liegen doch, wie verkörpert,
    die Erinnerungen dieser Stätte.

    Der »Tempel«
    Die Kirche von Paretz ist ein Platz reicher Erinnerun-
    gen, aber Paretz hat der Erinnerungsplätze mehr.
    Speziell der Erinnerung geweiht ist der »Tempel«. Er
    befindet sich in einer verschwiegenen Ecke des
    Parks, wo dieser die Havel berührt, und bildet einen
    Teil des an dieser Stelle künstlich aufgeworfenen
    Aussichtshügels, der auf seiner Spitze ein japani-
    sches Häuschen, an seiner westlichen Seite eine Ro-

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    kokogrotte und nach Süden hin ebendiesen »Tem-
    pel« trägt.
    Dieser Tempel, eine bloße Façade, die auf halbver-

sunkenen dorischen Säulen ruht und zunächst kei-
    nem anderen Zwecke gedient haben mochte, als
    Schutz gegen Regen und Sonne zu gewähren,
    scheint von Anfang an ein bevorzugter Platz gewesen
    zu sein, wie es auch in dem laubenreichsten Garten
    immer noch eine Lieblingslaube gibt, woran sich Leid
    und Freud des Hauses knüpft, der erste Kuß, die stil-
    le Verlobung, Abschied und Wiedersehen.
    Zu solchem Platze wuchs der Tempel heran, und der
    ziemlich nichtssagende Bau, der bei seiner Anlage
    nichts gewesen war als eine Gärtnerlaune,

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