Wanderungen durch die Mark Brandenburg
sei. Man
müsse sich nämlich alle Morgen beim Waschen erst
die Hände trocknen und dann das Gesicht; das sei probat, und er wenigstens habe seitdem Ruhe.
Gegen Mittag erreichten wir Storkow, eine der bei-
den Hauptstädte dieser Gegenden, und fuhren eine
Stunde später um den großen Wolziger See herum,
an dessen Westufer ich in einiger Entfernung unser
eigentliches Reiseziel erkannte: Dorf Blossin.
Dieses, trotzdem es nur klein und bloßes Filial zu
Friedersdorf ist, ist doch nichtsdestoweniger als der Punkt im Beeskow-Storkowschen anzusehn, dem der
Ruhm einer eminent historischen Örtlichkeit in erster
Reihe zukommt. Es wohnten hier nämlich die Queiße,
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von deren Schloß oder Herrnhaus aus die berühmte
Fehde des Nickel Minckwitz ihren Ursprung nahm,
eine Fehde, die mit der derselben Epoche zugehöri-
gen des Michel Kohlhaas eine gewisse Verwandt-
schaft hat.
Ich schildre nunmehr diese Minckwitz-Fehde nach
den Aufzeichnungen Wohlbrücks und Engels.
Ursach der Fehde.
Heinrich Queiß auf Plössin (jetzt
Blossin) führt Beschwer über sei-
nen Schäfer und erhält kein Recht
Der beinah achtzigjährige Heinrich von Queiß, Ge-
richtsherr zu Plössin und Lehnsträger des Bischofes
von Lebus, war aus einem unbekannt gebliebenen
Grunde mit seinem Schäfer in Streit geraten, so daß
dieser letztre sich an seines Guts- und Gerichtsherrn
Familie tätlich vergriff. Aber nicht genug damit, er
ging in seiner Rache weiter, überfiel – nachdem er
vorher die Flucht ergriffen und in Friedersdorf und
Dolgenbrodt einen Bauernhaufen um sich versam-
melt hatte – Dorf und Feldmark Plössin und trieb
seines Herren Schafe fort. Heinrich von Queiß ver-
klagte nunmehr den Aufrührer bei dem Bischofe von
Lebus, der denn auch seinem zu Storkow ansässigen
Amtshauptmann Ordre zugehen ließ, nicht nur die
weggetriebenen Schafe wieder herbei-, sondern auch
den Schäfer selbst vor seines Grundherrn Gericht zu
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schaffen. Der Amtshauptmann aber erwies sich als
säumig in seiner Pflicht, und da mittlerweile von sei-
ten des rachsüchtigen Schäfers wiederholentlich ver-
sucht worden war, Plössin in Feuer aufgehn zu las-
sen, so wurde der von Queiß immer dringlicher in
seinen Vorstellungen beim Bischofe.
Dieser, so wenigstens scheint es, war anfänglich zu
helfen aufrichtig bereit und sandte Befehl über Befehl
an seinen Storkower Amtshauptmann; als dieser
letztre jedoch in seiner Säumigkeit beharrte, schob
es der von Queiß auf Unaufrichtigkeit und bösen Wil-
len beim Bischofe selbst und wandte sich deshalb an
Heinrich Tunckel, obersten Münzmeister des König-
reichs Böhmen und derzeitigen Landvogt der Nieder-
lausitz, der in dieser seiner letztren Eigenschaft un-
streitig die nächste, höhere Behörde war.
Und der Landvogt unterzog sich denn auch seiner
Pflicht und ersuchte selbigen Tages noch den Bi-
schof, »sich seines Vasallen, des von Queiß, mit
größrem Nachdruck annehmen und ihn gegen den
Übermut und die Schädigungen des rachsüchtigen
Schäfers schützen zu wollen«. Der Brief, in dem dies
Ersuchen gestellt wurde, war, wie die Chronisten
melden, »in schicklichster Weise« geschrieben,
nichtsdestoweniger empfand der stolze Bischof einen
Groll darüber und äußerte sich ein Mal über das and-
re, »daß er dem Queiß den getanen Schritt nicht
vergessen und ihn seinerzeit zu züchtigen wissen
werde«.
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»Der stolze Bischof« nennt ihn die Geschichte der
Bischöfe von Lebus, und es mag hier eingeschaltet
werden, wer dieser stolze Bischof war.
Georg von Blumenthal, geboren 1490 auf dem Rit-
tergute Horst in der Prignitz, war nach dem Ableben
des Bischofs Dietrich von Waldow seitens der lebusi-
schen Domherrn einstimmig zum Nachfolger von
Waldows erwählt worden, was als eine durchaus ge-
rechtfertigte Wahl gelten konnte. Denn in früher Ju-
gend schon hatte sich der nunmehr Erwählte durch
Klugheit und Charakter hervorgetan. Er war mit
siebzehn Jahren Secretair im Dienste seines Vorgän-
gers, mit dreiundzwanzig Jahren Rektor an der Uni-
versität zu Frankfurt gewesen und hielt als solcher
eine Rede, darin er die Studierenden zu Fleiß und
gutem Betragen ermahnte. Bald danach empfing er
den Grad eines Doktors beider Rechte.
1520 erwählte man ihn, den erst Dreißigjährigen,
zum Bischofe von Havelberg, in welche Wahl jedoch
Kurfürst Joachim, als Landesherr, nicht willigte, trotzdem die Wahl bereits die päpstliche
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