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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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kam es
    durch Tausch an den damals alle Territorien an der
    Nordostecke der Müggel innehabenden Geheimen
    Oberfinanzrat von Marschall, bei dessen Nachkom-
    men es bis 1832 verblieb. In letztgenanntem Jahr
    erwarb es Heinrich von Treskow auf Dahlwitz, in des-
    sen oder seiner Familie Besitz es sich auch gegen-
    wärtig noch befindet.
    Rahnsdorf hatte, seiner schönen Lage halber, immer
    eine Anziehungskraft für die Residenzler, die hier, in
    einer zerstreuten Villenkolonie, die heiße Jahreszeit,
    insonderheit auch die Ferienwochen ihrer Kinder zu-
    zubringen liebten.

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    Im Geleite solcher Sommergäste befand sich in den
    letzten fünfziger Jahren auch ein hübscher, hoch
    aufgeschossener Blondkopf, von dem ich in nachste-
    hendem erzählen möchte. Er war ein Wildfang, eitel
    und übermütig, und über den See schwimmen oder
    bei heraufziehendem Unwetter einen Kahn nehmen
    und windan rudern, all das zählte so recht eigentlich
    zu seinem Ferienglück. Einmal wollte man's verbie-
    ten, aber einer der zufällig anwesenden Freunde des
    Hauses legte sich ins Mittel und sagte: »Wozu ver-
    bieten? Glauben Sie mir, es ist gleichgültig, was wir
    tun. Es gibt keine Sicherheiten und eigentlich auch
    keine Unsicherheiten. Unser Schicksal findet uns und
    faßt uns zu bestimmter Zeit und an bestimmter Stel-
    le.«
    Dies sollte sich in Leben und Tod Alexander Anders-
    sens bewähren.

    Alexander Anderssen, Fähnrich im
    4. Ulanenregiment
    Erschossen zu Thionville am 29. Oktober 1870
    Alexander Anderssen, der Blondkopf, dessen die vor-
    stehenden Zeilen erwähnten, ward am
    19. November 1847 zu Berlin geboren. Mit dem
    zehnten Jahre kam er auf das Werdersche Gymnasi-
    um. Von frühauf zeigte er den Charakter, dem er bis
    zu seiner letzten Stunde treu blieb: er war nervös

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    und energisch, lebhaft und verschlossen zugleich.
    »Nur nichts verraten« bildete die Devise seines Le-
    bens, und Diskretion war die vornehmste seiner Tu-
    genden. Gleichgiltig gegen Lob, war ihm der Tadel
    beinah erwünscht, sicherlich dann , wenn er ihm eingebildet oder wirklich das Gefühl seiner Unschuld
    entgegensetzen konnte. Mit Passion nahm er Dinge
    auf sich, die seine Kommilitonen verschuldet hatten;
    kam Strafe, so desto besser. Man kann von ihm sa-
    gen, daß er von Jugend auf die Leidenschaft des
    Martyriums besaß. All das kleidete ihm aber, weil es
    nichts Angeflogenes, sondern der Ausdruck seiner
    Natur war. Was vollends versöhnte, war, daß er nie
    feige umkehrte oder vor den Folgen seiner Handels-
    weise erschrak.
    1867 verließ er Berlin, um in Heidelberg Jura zu stu-
    dieren. Es waren die ersten Semester, und sie verlie-
    fen, wie erste Heidelberger Semester zu verlaufen
    pflegen. Pedelle und Nachtwächter wußten alsbald
    von ihm zu erzählen, mehr noch die Schauspielerin-
    nen, insonderheit die, denen er sich gemüßigt sah
    seine Gunst zu entziehn. In einem allerschlimmsten
    Falle, der ihn dann schließlich auch bis an die Grenze
    der Relegation brachte, ging er so weit, sich auf die
    Brüstung des ersten Ranges zu schwingen und, höh-
    nisch in den Applaus des enthusiastischen Hauses
    einstimmend, mit seinen Füßen Beifall zu klatschen.
    Eine weitere Unterbrechung, die seine Studien erlit-
    ten, wenn von Unterbrechung überhaupt die Rede
    sein konnte, waren die Duelle, die gelegentlich in
    etwas zeitraubender Weise vor sich gingen. So ward

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    eins derselben, das zwischen Königsberg und Heidel-
    berg kontrahiert worden war, halben Weges, und
    zwar in Berlin, ausgefochten. Jeder Partner machte
    per Schnellzug achtzig Meilen; Rendezvous: Hasen-
    heide. Man rieb sich den Schlaf aus den Augen und
    schoß sich. Die Kugeln gingen in die Luft. Aber wenn
    er seinen Gegner auch nicht getroffen hatte, so traf
    er dafür – eine Stunde später Unter den Linden –
    seinen Vater, der einigermaßen überrascht war, den
    im Heidelberger Kolleg Vermuteten an dieser Stelle
    zu finden.
    Ein anderes Vorkommnis dieses Studienjahres mag
    hier noch erzählt werden, weil es das heitere Gegen-
    stück zu jenem Unternehmen ist, das zwei Jahre
    später seinem Leben ein Ende machte. Wer sich der
    Müh unterziehen will, zwischen den beiden Fällen zu
    vergleichen, wird sie bis in die kleinsten Züge hinein
    gleich finden. Nur die Zeitläufte waren anders ge-
    worden. Und daran ging er zugrunde.
    Der Sommer 1868 war der Pariser Ausstellungs-
    sommer. Ende Juni, an der Table d'hôte eines Hei-
    delberger Hôtels sitzend, hörte er, wie der in

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