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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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den
    Salon tretende Oberkellner mit lauter Stimme an-
    fragte: »Ein Zwei-Tage-Billet für Paris: Wer der Her-
    ren...« – »Ich«, klang es von der entgegengesetzten
    Seite der Tafel her, und eine Viertelstunde später (es
    war höchste Zeit) saß unser Studiosus juris bereits
    im Coupé und dampfte auf Paris zu. Wie er ging und
    stand, hatte er die Reise angetreten. Auch ohne
    Geld. Die paar Gulden, die er bei sich führte, waren
    schon verausgabt, eh er noch in den Pariser Ost-

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    bahnhof einfuhr. Er liebte es, alles vom Moment und
    seinem guten Glück abhängen zu lassen. Und siehe
    da, in Paris ließ es ihn nicht im Stich. Einer der ersten, denen er auf dem Boulevard des Italiens begeg-
    nete, war ein Heidelberger Freund, Sohn eines rei-
    chen Industriellen, der willfährig mit seiner Reisekas-
    se aushalf, mutmaßlich auch seine Wohnung zur Ver-
    fügung stellte. Die erborgte Geldsumme wurde ge-
    wissenhaft geteilt und die eine Hälfte in Wäsche, Hut
    und Handschuhen, die andere in Cabfahrten und
    Soupers bei Véry und den Frères Provençaux ange-
    legt. Ob er die Ausstellung besuchte, ist mindestens
    zweifelhaft. Am zweiten Tage war er pünktlich am
    Bahnhof, um die Rückreise anzutreten; plötzlich a-
    ber, ganz nach Art eines kühnen Hasardeurs, von der
    unbezwinglichen Neigung erfaßt, sein Glück noch
    einmal zu versuchen, trat er an den Schalter, ließ
    sein Billet abstempeln und blieb. Er mochte – und
    nicht ganz mit Unrecht – davon ausgehen, daß nur
    von seiten des Kassenmannes eine exakte Prüfung
    des Billets zu gewärtigen, von dem im Momente der
    Abfahrt aber die Contrôle fahrenden Schaffner nicht
    allzuviel Böses zu befürchten sei. Auf diesen Kalkül
    hin dehnte er seinen Pariser Aufenthalt um weitere
    drei Tage, will sagen bis zur Erschöpfung der letzten
    Ressourcen, aus, sah auch in bezug auf Conducteur-
    Contrôle seine Berechnungen glänzend gerechtfertigt
    und gelangte glücklich bis Straßburg. Hier erst, von
    der französischen auf die deutsche Bahn überge-
    hend, wurde die Sache bemerkt und die Weiterfahrt
    verweigert. Aber so nah am Hafen wollt unser
    Freund sein Schiff nicht scheitern lassen. Er verließ
    den Perron, stellte sich auf die entgegengesetzte

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    Seite der Wagenreihe, riß im Moment der Abfahrt
    eine Coupétür auf und sprang hinein. So kam er
    nach Karlsruhe, hungrig und keinen Kreuzer in der
    Tasche. Gleichviel, bis hierher reichten die Heidel-
    berger Beziehungen, und – terra firma war wieder
    unter seinen Füßen.
    Noch im selben Jahre, Herbst 1868, ging er, behufs
    Absolvierung seines Militärjahres, in die Heimat zu-
    rück. Er trat bei den Fürstenwalder Ulanen ein. Das
    kavalleristische Leben, das Reiten und Pistolenschie-
    ßen, das Straffe des Dienstes und daneben die ke-
    cke, mit der Gefahr spielende Ungebundenheit der
    freien Stunden, das alles entsprach so recht dem
    Hange seiner Natur. Kein Wunder also, daß er am
    Schluß seines Volontairjahres erklärte, das Rechts-
    studium aufgeben und die Frische des Daseins weiter
    genießen zu wollen. Er blieb Soldat, trat von den 3.
    (Fürstenwalder) zu den 4. (Schneidemühler) Ulanen
    über, machte seine Avantageurzeit durch und war
    bei Ausbruch des Siebziger Krieges Fähnrich im
    letztgenannten Regiment. Anfänglich bei der Ersatz-
    schwadron verblieben, traf er erst am 15. September
    in der Metzer Zernierungslinie ein, machte Anfang
    Oktober eins der im Norden stattfindenden Gefechte
    mit, zeichnete sich durch Bravour aus und sollte am
    16. Oktober vor der Front belobt und zum Offizier
    ernannt werden, als auf den Anruf des Regiments-
    kommandeurs: »Fähnrich Anderssen!« die Antwort
    gegeben werden mußte: »Fehlt seit gestern«. Jener
    Schritt war geschehen, der nicht mehr zurück getan
    werden konnte und mit dem Tode endete. Im übri-
    gen sei dem noch zu Erzählenden voraufgeschickt,

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    daß er auch hier wieder auf dem Punkte stand, der leichtsinnig heraufbeschworenen Gefahr, voll echten
    Spielerglücks, zu entgehen. Eine Bagatelle entschied
    schließlich zu seinen Ungunsten. Hören wir, wie.
    Das Regiment lag mit einigen Eskadrons in Garsch,
    zwischen Metz und Thionville. Hier befand sich auch
    Anderssen, der in dem Hause des Maires ein gutes
    Quartier gefunden hatte. Auch ein angenehmes,
    denn er stand auf bestem Fuß mit dem Wirt und al-
    len Insassen des Hauses, besonders mit den Kin-
    dern, mit denen er, gütig und lebhaft, wie er war, zu
    spielen und zu scherzen liebte. Am 15.

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