Wanderungen durch die Mark Brandenburg
April dieses Jahres trat die Herzogin ihre
Reise nach Berlin an; die Dinge in Kurland hatten
bereits einen solchen Charakter angenommen, daß
es gut war, einen Zufluchtsort zu haben.... In stiller Zurückgezogenheit lebte sie in Friedrichsfelde, wo sie
den 21. August 1793 ihren Gemahl mit einer Tochter
beschenkte, die den Namen Dorothea erhielt....1)
In Kurland rückte inzwischen das Ende der herzogli-
chen Herrschaft immer näher.
Die Herzogin verblieb in Berlin und Friedrichsfelde bis in das nächste Jahr hinein; dann ging sie nach Leipzig, wo sie sich noch stiller einrichtete als in Berlin, 1795 nach Sagan, an welchem Orte sie mit ihrem
Gemahl zusammentraf... Kurland war inzwischen
eine russische Provinz geworden; der Herzog hatte
resigniert.«
So etwa die Aufzeichnungen, die wir, wie vorer-
wähnt, zu größerem Teile dem Tiedgeschen Buche,
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zu kleinerem Teile dem Werke Cruses, »Kurland un-
ter den Herzögen«, entnommen haben. Nirgends ist
davon die Rede, daß in Friedrichsfelde ein besonde-
res Kunstleben sich aufgetan hätte, ein Schweigen,
das um so bemerkenswerter ist, als der alte Tiedge
gerade diese Seite in dem Leben der Herzogin mit besonderer Vorliebe hervorhebt und jedesmal genau
verzeichnet, wenn in Königsberg mit Kant, Hamann,
Hippel, in Neapel mit Hackert, in Herrenhut mit dem
alten Spangenberg etc. ein lebhafterer Verkehr an-
geknüpft wurde. Man darf füglich daraus den Schluß
ziehen, daß das Friedrichsfelder Leben, während sei-
ner kurländischen Zeit, wenig Hervorragendes auf
dem Gebiete von Kunst und Wissenschaft geboten
haben muß und daß es sich, wie wir eingangs bereits
andeuteten, bei den verschiedenen Anwesenheiten in
Berlin-Friedrichsfelde sehr wahrscheinlich immer nur
um Prinzen und Prinzessinnen, um »Gesellschaft«
und Politik, um Eheschließungen und Güterkäufe
handelte. Gewiß ging ein Verkehr mit den literari-
schen Größen jener Zeit (Nicolai, Ramler, Engel,
Mendelssohn werden eigens genannt) nebenher, a-
ber doch eben nur nebenher .2) Geistig hoch beanlagt, konnte namentlich die Herzogin auf einen Umgang,
der ihrer ästhetischen Natur Bedürfnis war, nie ganz
verzichten, aber es scheint nach den Zitaten, die wir
gegeben, festzustehen, daß der ohnehin immer nur
nach Monaten zählende Friedrichsfelder Aufenthalt
von dieser Seite her nicht seinen Charakter und seine Signatur empfing.
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1. Diese zu Friedrichsfelde geborene Tochter Do-
rothea war die nachmalige Herzogin von Sa-
gan, vermählt mit Edmund Talleyrand von
Périgord, Herzog von Talleyrand und von Di-
no, durch welche Vermählung sie die Nichte
des berühmten Talleyrand wurde. Sie starb
am 19. September 1862.
2. Unter diesen Besuchern werden natürlich
auch Maler gewesen sein, und das eine oder
andere Bild, ganz abgesehen von den Kunst-
schätzen, die man aus Italien mitbrachte,
wird damals seine Stätte in Friedrichsfelde
gefunden haben. Eins, aus jener Zeit her, ist
dem Schlosse verblieben, ein Aquarellbild
»Vue de Friedrichsfelde« mit den Widmungs-
worten: »Dédié à Son Altesse, sérénissime
madame la duchesse de Curlande et de Se-
migalles«. Das Bild ist aus dem Jahre 1787
(Schwarz fecit) und zeigt das Schloß in seiner
damaligen, von der gegenwärtigen nur wenig
verschiedenen Gestalt.
Friedrichsfelde von 1800 bis 1810
Prinzessin von Holstein-Beck
1799 kam Friedrichsfelde an den Geheimen Oberhof-
buchdrucker Georg Jakob Decker, der es aber schon
vor Ablauf eines Jahres, am 29. März 1800, an die
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Herzogin Katharina von Holstein-Beck wieder ver-
kaufte. Diese bewohnte es bis zu ihrem Tode, der am
20. Dezember 1811 erfolgte.
Prinzessin Katharina von Holstein-Beck ward am
23. Februar 1750 geboren. Ihre Mutter war eine Grä-
fin oder Fürstin Golowin, ihr Vater aber Peter August
Herzog von Holstein-Beck, russischer Generalfeld-
marschall und Gouverneur von Estland. Prinzessin
Katharina vermählte sich am 8. Januar 1767 zu Re-
val mit dem Fürsten Iwan Barjatinskij, der damals
russischer Oberst war. Ihre Ehe wurde geschieden,
oder man lebte wenigstens getrennt. Die Kinder
verblieben in Rußland, indessen begegnen wir 1802
einem Fürsten Iwan von Barjatinskij als Taufzeugen
in Friedrichsfelde. Es scheint also, daß der älteste
Sohn zur Mutter stand. Diese war fünfzig Jahr, eine
kluge, heitere, noch hübsche Frau, als sie in Schloß
Friedrichsfelde einzog. Es lebten bis vor kurzem noch
Personen, die sie
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