Wanderungen durch die Mark Brandenburg
gekannt hatten. Den Mitteilungen
dieser verdanke ich das Nachstehende.
Die Prinzessin von Holstein-Beck kam 1800 oder viel-
leicht auch erst 1801 zu uns. Was zu einer Trennung
vom Fürsten Barjatinskij geführt hatte, war nie in
Erfahrung zu bringen. Sie war aber voll so tiefer Ab-
neigung gegen ihn, daß sie seinen Namen nicht tra-
gen wollte und in Preußen, unter Gutheißung des
Königs, ihren Geburtsnamen Holstein-Beck wieder
angenommen hatte.
Sie lebte ganz auf großem Fuß und unterhielt intime
Beziehungen zum preußischen Hofe, besonders
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nachdem dieser 1809 von Königsberg und Memel
wieder in Berlin eingetroffen war. Leicht erklärlich.
Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise waren in
Petersburg gewesen und hatten angenehme Bilder
und Eindrücke von dorther heimgebracht; Kaiser
Alexander stand den Herzen beider nahe, Freund-
schaftsgelübde waren geleistet worden; alles Heil
konnte, der allgemeinen Annahme nach, nur von
Rußland kommen. Unter diesen Verhältnissen mochten die Beziehungen zur Prinzessin einen doppelten
Wert haben; vielleicht daß sie ein Glied in der Kette
damaliger politischer Verbindungen war.
Gleichviel, der Hof war mannigfach bei der Prinzessin
in Friedrichsfelde zu Besuch, auch schon in der vor-
aufgegangenen Epoche von 1801 bis 1806. Königin
Luise erschien dann mit Pagen und Hofdamen, der
Militäradel schloß sich an, und über hundert Equipa-
gen hielten in langer Reihe vor dem Schlosse. Mit
Fackeln ging es spätabends wieder heim.
Sie selbst (die Prinzessin), wenn sie nach Berlin fuhr, fuhr immer mit sechsen ; da sie aber keinen Marstall unterhielt, so wurden drei Paar der besten Bauerpferde genommen, und die Bauern selbst ritten das
Leinepferd. Später, aus gleich zu erzählenden Grün-
den, wurde das anders. Ihr Vertrauter nämlich, ein
Franzose niederen Standes, dessen Erhebung zum
»Chevalier« sie durchzusetzen gewußt hatte, machte
Unterschleife, floh und wurde verfolgt. Man wurde
seiner habhaft, bracht ihn vor die Gerichte, und eine
strenge Strafe war bereits verhängt, als ein Fußfall
der Prinzessin, deren alte Neigung wieder wach ge-
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worden war, intervenierte. Die Strafe wurde nun nie-
dergeschlagen, und der »Chevalier«, als wäre nichts
vorgefallen, zog wieder in allen Ehren in Friedrichs-
felde ein. Aber eine Sühne blieb doch zu leisten: die Prinzessin mußte versprechen, von nun ab, statt mit
sechsen, nur noch mit vieren zu fahren. Das geschah denn auch, und alle Teile hatten ihren Frieden.
Das Leben in Friedrichsfelde war um diese Zeit das
heiterste. Eine ernstere Pflege der Kunst fiel nieman-
dem ein, aber man divertierte sich sooft und soviel
wie möglich. Es gab Schau- und Schäferspiele, teils
in geschlossenen Räumen, teils im Freien. Das »The-
ater im Grünen«, ähnlich dem Rheinsberger, ist noch
deutlich zu erkennen, trotzdem das Strauchwerk
jener Jahre mittlerweile zu stattlichen Weißbuchen
aufgewachsen ist. Das Ganze eine wieder frei gewor-
dene, aus Zwang und Fesseln erlöste Natur!
Die Dorfbevölkerung nahm teils zuschauend, teils
aktiv an diesen Szenen teil, was auf den ersten Blick
viel Anheimelndes und Bestechendes hatte. Sehr
bald indessen stellte sich's heraus, daß Arbeitslust
und Sitte zurückgingen und daß dem Dorfe kein Se-
gen daraus erwuchs, als Landschaft und Staffage für
das Vergnügen vornehmer Leute gedient zu haben.
Harmloser war der alljährlich wiederkehrende » Ern-
tekranz «. Dann wurd ein Jahrmarkt abgehalten, unter den Bäumen des Parks gegessen und getanzt,
und an den Buden, natürlich ohne Einsatz, gewürfelt
und gewonnen.
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Ein kleines, sehr hübsches Mädchen aus dem Dorfe
war das Patchen und der Liebling der Prinzessin, die
Puppe, mit der sie spielte. War die Prinzessin bei
Tafel allein, so wurd an einem kleinen Tische
daneben für das Kind gedeckt, und kam Besuch, so
war »Patchen« – wie der Kakadu oder der Bologne-
ser – der immer beachtete Gegenstand, an den sich
alle Zärtlichkeiten der Gäste richteten.
Die Prinzessin galt für sehr reich; es hieß, daß sie
täglich 1500 Taler verausgabe. War dem wirklich so,
so war es Barjatinskijsches Vermögen. Außer Fried-
richsfelde besaß sie, in Berlin selbst, ein Haus am
Pariser Platz, das jetzige französische Gesandt-
schaftshotel.
Sie starb, wie schon eingangs hervorgehoben, im
Winter 1811 auf 12, und ihre Leiche sollte nach Ruß-
land, entweder auf die
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