Wanderungen durch die Mark Brandenburg
in die damals geschriebenen Tagebücher
und Briefe zeigt uns in der Tat genugsam, daß es
sich all die Zeit über um high-life und politisch-
diplomatische Aktionen und jedenfalls viel viel weni-
ger um Kunst und Wissenschaft gehandelt hat. Nicht
als ob der Sinn dafür gefehlt hätte. Im Gegenteil.
Aber die Zeiten waren durchaus nicht dazu angetan,
sich einer mußevollen Kunstbetrachtung hinzugeben.
Man suchte dem heimischen Wirrsal zu entfliehen
und entfloh ihm zuletzt wirklich, aber dies Wirrsal
drängte nach und gestattete keine reine Freude, kei-
nen ungestörten Genuß. Überallhin warf es seine
Schatten. Einige Stellen aus dem Tiedgeschen Buche
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»Dorothea, letzte Herzogin von Kurland«, dem selbst
wieder jene vorerwähnten Tagebücher und Briefe
zugrunde liegen, werden am besten die Beweisfüh-
rung übernehmen. Wir lassen die Stellen in chrono-
logischer Ordnung folgen.
»1785. Es waren des großen Friedrich letzte Tage.
Die sanfte fürstliche Frau hatte den Beifall des Kö-
nigs gewonnen; er sandte ihr wiederholentlich niedli-
che Körbchen, mit den feinsten und seltensten
Früchten gefüllt, mit den erlesensten Blumen ge-
schmückt und jedesmal von einigen freundlichen
Zeilen begleitet. Bei Gelegenheit der ersten dieser
Sendungen beklagt er sich, daß seine Krankheit ihn
des Vergnügens beraube, sie selbst zu bewirten; er
müsse es seinem Neffen überlassen, ihren und ihres
Gemahls Aufenthalt in Potsdam und Berlin so ange-
nehm als möglich zu machen... Im Herbst fanden
Truppenversammlungen statt, Paraden und kriegeri-
sche Übungen zu Ehren des Fürstenpaares... Auch
von den übrigen Höfen der königlichen Familie (Prinz
Heinrich, Prinz Ferdinand) wurde dem Herzog und
seiner Gemahlin ein Empfang zuteil, der sich zu einer
herzlichen Verbindung entwickelte. Mit der Prinzessin
Luise, der Tochter des Prinzen Ferdinand, knüpfte die
Herzogin eine Freundschaft an, die sich in einem un-
unterbrochenen Briefwechsel durch das ganze Leben
fortsetzte.
1786. Im Herbste, nach beinah halbjähriger Abwe-
senheit, trafen der Herzog und seine Gemahlin wie-
der in Friedrichsfelde ein. Der große König war inzwi-
schen gestorben. Friedrich Wilhelm II. erwies dem
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herzoglichen Paare eine besondere Auszeichnung, so
daß allgemein die Sage ging, es seien bereits Verab-
redungen für die künftige Vermählung der Töchter
des Herzogs mit den Prinzen des königlichen Hauses
getroffen. Diese Tage waren kurz, schon im Dezem-
ber trat die Herzogin ihre Rückreise nach Kurland an.
1791. Während ihres Aufenthaltes in Warschau (wo-
hin sie sich im April begeben) erhielt sie von der
preußischen Prinzessin Friederike eine schmeichel-
hafte Einladung zur Vermählung ebendieser Prinzes-
sin mit dem Herzoge von York wie auch zu der ihrer
Schwester mit dem ältesten Prinzen des Erbstatthal-
ters in Holland, welche beide Vermählungen im Sep-
tember gleichzeitig in Berlin vollzogen werden soll-
ten. Sie nahm die Einladung an... Der Empfang von
seiten der königlichen Familie war ein auszeichnen-
der... Bei der Anordnung der Vermählungsfeierlich-
keiten befahl der König, daß der Herzogin ihr Platz
an der Tafel der königlichen Familie angewiesen
werden solle. Der Oberkammerherr remonstrierte,
die ›Hausgesetze würden es nicht zulassen, die Her-
zogin von Kurland bei einer so feierlichen Gelegen-
heit an die königliche Familientafel zu ziehen und an
dem Fackeltanze teilnehmen zu lassen‹. Friedrich
Wilhelm antwortete: ›Lassen wir es bei der ersten
Anordnung; ich hoffe es beim Könige und bei den Hausgesetzen verantworten zu können.‹... Bei Gelegenheit dieser Feierlichkeiten gab auch die Erbstatt-
halterin ihrem lebhaften Wunsche Ausdruck, ihren
zweiten Prinzen mit der ältesten Tochter der Herzo-
gin, der Prinzessin Wilhelmine, die damals zehn Jah-
re alt war, dereinst vermählt zu sehen. Der König
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unterstützte diesen Wunsch und bot sogar seine
Verwendung an, um, wenn der Herzog ohne männli-
che Nachkommen sterben sollte, die Erbfolge in Kur-
land und Semgallen für den künftigen Gemahl der
Prinzessin zu vermitteln... Dieser Plan wurde gerau-
me Zeit hindurch festgehalten... Vierzehn Tage nach
Vollziehung der vorerwähnten Vermählungsfeierlich-
keiten verließ die Herzogin Berlin (es ist fraglich, ob sie während dieser Besuchstage überhaupt in Friedrichsfelde war) und kehrte über Warschau nach Kur-
land zurück.
1793. Im
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