Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Wo
der Raps blüht, da ist freilich für den Mai und Juni,
und wo die Linden blühn, für den Juli gesorgt; aber
erst aus dem Vorhandensein mannigfachster Pflanzen und Bäume, die sich im Blühn untereinander
ablösen und vom April bis in den September hinein eine immer wechselnde Bienennahrung bieten, erst
aus dem Vorhandensein einer derartigen Vegetation ergibt sich das eigentliche Bienen- und Honigterrain.
Ein solches Terrain nun war Kienbaum. Ein quadrat-
meilengroßer Forst schloß es ein, und durch ebendie-
sen Forst hin schlängelte sich die zu beiden Seiten
von üppigen breiten Wiesenstreifen eingefaßte Löck-
nitz1). Unmittelbar das Flüßchen entlang zogen sich
Werft und Haselbüsche, die den Bienen im April
schon eine bevorzugte Nahrung boten; im Mai dann
begannen sommerlang die Wiesen zu blühn, bis end-
lich, von Monat August an, die weiten Heidekraut-
strecken – gelegentlicher weißer Kleefelder ganz zu
geschweigen – eine fast nicht auszunutzende Be-
zugs- und Nahrungsquelle schufen.
Und wirklich, die daraus resultierenden Erträge wa-
ren zuzeiten sehr bedeutend, und das Dorf, das fast
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aus lauter Zeidlern und Beutnern bestand, erfreute
sich, trotz seiner Ackerarmut, einer gewissen Wohl-
habenheit. Der Schulzenhof hatte 99 Stöcke, und so
im Verhältnis bis zum Büdner und Tagelöhner herab.
Ein Stock entsprach in guten Jahren einem Eimer
Honig, und den Eimer zu 10 Quart gerechnet, hätte
der Schulzenhof in guten Jahren 990 Quart Honig
gewonnen.
Von dieser Höhe nun ist Kienbaum freilich längst he-
rabgestiegen. Der Bienenkonvent tagt nicht mehr
inmitten des Dorfs, und der Schulzenhof, der es
sonst bis auf 99 Körbe brachte, begnügt sich jetzt
mit 9. Der gewonnene Honig hat längst aufgehört ein
Handelsartikel zu sein und spielt nur noch die Rolle
des Surrogats. Er vertritt die Butter, die (beinah
mehr noch als der Zucker) in einem armen Sand-
und Heidedorfe, das seinen Viehstand schwer über
eine Schafherde hinausbringt, begreiflicherweise zu
den Luxusartikeln zählt.
Das alte Wahrzeichen Kienbaums ist hin und seine
Bienenherrlichkeit nicht minder, aber an die letztre
erinnert noch mancherlei. Die Lokalität ist eben im
wesentlichen dieselbe geblieben. Noch steht der
Wald, noch blüht das Heidekraut rot über die Heide
hin, und noch schlängelt sich die Löcknitz durch üp-
pige Wiesen, deren größte und bunteste bis diesen
Tag den Namen der Zeidelwiese führt. Vielleicht, daß auch dies bald anders wird. Aber wenn auch Nam
und Sache ganz hinschwinden sollte, das Dorf in der
Heide, das abseits liegt und in seiner Armut nieman-
den auffordert, es in den großen Verkehr hineinzu-
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ziehn, es wird noch auf langhin ein Plätzchen blei-
ben, dessen still aufsteigender Rauch den über die
Heide Wandernden anheimeln und dessen erstes
Mütterchen am Zaun ihn freudig und dankbar emp-
finden lassen wird:
Wie wohl tut Menschenangesicht
Mit seiner stillen Wärme.
1. Die Löcknitz ist eines jener vielen Wässerchen
in unsrer Mark, die, plötzlich aus einem Luch
oder See tretend, auf eine kurze Strecke hin
einen Parkstreifen durch unser Sand- und
Heideland ziehn. Keines unter all diesen Wäs-
serchen aber ist vielleicht reizvoller und un-
bekannter zugleich als die Löcknitz, die, aus
dem Roten Luche kommend, in einem der
Seen zwischen »Erkner« und den Rüdersdor-
fer Kalkbergen verschwindet. Immer diesel-
ben Requisiten, gewiß; und doch, wer an die-
ser Stelle spätnachmittags an der Grenzlinie
zwischen Wald und Wiese hinfährt, dem er-
öffnet sich eine Reihe der anmutigsten Land-
schaftsbilder. Hier dringt der Wald von beiden
Seiten vor und schafft eine Schmälung, dort
tritt er zurück, und der schmale Wiesenstrei-
fen wird entweder ein Feld oder das Flüßchen
selber ein Teich, auf dem im Schimmer der
untergehenden Sonne die stillen Nymphäen
schwimmen. Dann und wann ein rauschendes
Wehr, eine Sägemühle, dazwischen Brücken,
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die den bequemen Wald-und-Wiesen-Weg
vom rechten aufs linke und dann wieder vom
linken aufs rechte Ufer führen. Selbst die Na-
men werden poetisch: Alt Buchhorst und Lie-
benberg, Klein Wall und Gottesbrück und der
Werl- und Möllen-See dazwischen. Unmittel-
bar dahinter aber beginnt wieder die Prosa,
und schon die nächste große Wasserfläche
heißt »der Dämeritz«.
Links der Spree
Eine Pfingstfahrt in den Teltow
Es reist sich schön an einem Pfingstsonnabend in
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