Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
begegnen, und
    alles, was das Leben, und nicht bloß das Leben einer
    kleinen Dorfgemeinde, zu bringen vermag, das bringt
    es auch: Krieg und Pest und Wasser- und Feuersnot
    und Mißwachs und Mißgeburten. Und daneben Un-
    glück über Unglück, heut auf dem Gröbener und
    morgen auf dem Siethener See. Fischer ertrinken,
    Brautzüge werden vom Sturm überrascht, und in
    Winterdämmerung Verirrte brechen ein in die kaum
    überfrorenen Lunen oder erstarren in dem zusam-
    mengewehten Schnee. Dazu Mord und Brand und
    Stäupung und Enthauptung und auf jedem dritten
    Blatte das alte Lied von Ehebruch und »Illegitimitä-
    ten« aller Art, an die sich dann regelmäßig und wie
    das Amen in der Kirche die pastoralen und meist
    invektivenreichsten Verurteilungen knüpfen. Aber
    immer im Lapidarstil.

    2768
    Und nun möge das Kirchenbuch sprechen.

    Aufzeichnungen des Pastors Johannes Thile I.1)
    »In diesem Jahre 1609 ist Herr Ernst von Schlabren-
    dorf, Erbherr auf Gröben und Siethen, aus dieser
    Zeitlichkeit geschieden. Er war vermählt mit Ursula
    von Thümen, aus welcher Ehe demselben zwei Söh-
    ne geboren wurden: Joachim von Schlabrendorf und
    Melchior Ernst von Schlabrendorf. An Melchior Ernst
    kam Gröben, und an Joachim kam Siethen, so daß
    wir von diesem Jahre 1609 an zwei Schlabrendorf-
    sche Linien haben: eine gröbensche und eine
    siethensche.
    1620 am 18. Oktober hat der an der Nuthe wohnen-
    de Vogt Hans Blume seinen Stiefvater Hans Möller
    mit einer Büchse erschossen.« Nachschrift aus dem Jahre 1622: »Selbiger Hans Blume wurde von den
    Obrigkeiten zu keiner Strafe gezogen, vielmehr
    heimlich über die Grenze geschafft. Er ging nun in
    den Krieg nach Böhmen. Eh er aber nach Prag kam,
    ward er, nach gerechter göttlicher Wiedervergeltung,
    auch erschossen. Hat also in seinen Sünden hinster-
    ben müssen. Ach, weh der armen Seele.
    1621 am 28. Oktober ist in unsrer Nachbarschaft
    (auf Schloß Beuthen) ein Sohn geboren worden. Die-
    ses Kind hat, salva venia, keinen Podicem gehabt, so
    daß es seiner natürlichen Funktionen unfähig gewe-
    sen ist. Wonach Meister Hans Meißner, Bader zu
    Trebbin, mit dem Messer den Podicem hat öffnen

    2769
    müssen. Und ist durch Gottes Segen gut geworden
    und hat einen Podicem gehabt. Wie wunderbar han-
    delt Gott mit uns Menschen!
    1629 hat Ihre Kurfürstliche Hoheit dero Küchenmeis-
    ter in Königsberg in Preußen aufhenken lassen.
    1631 starben in Gröben und Siethen 126 Menschen
    an der Pest.
    1632. Bis zu diesem Jahre bin ich, Johannes Thile,
    dreihundertmal zu Gevatter gebeten worden.
    1633 wurde das 1598 gestiftete Uhrwerk repariert.
    1634 den 25. März sind Wiprecht Erdmanns Tochter
    Ursula, Martin Schmidts Tochter Ursula und Hans
    Bethekes Stieftochter Ursula in einem Kahn spazier-
    engefahren und, als der Wind kam, auf den See ge-
    trieben worden. Wobei die zwei ersten ertrunken und
    zu Gröben beide in ein Grab gelegt worden sind.«
    Nach diesem Jahre (1634) hören die Mitteilungen,
    wie schon angedeutet, auf ganze Jahrzehnte hin auf
    und werden erst in den siebziger Jahren wieder auf-
    genommen.

    Aufzeichnungen der Pastoren Friedrich Zander,
    Felician Clar (auch Clarus) und Heinrich Wilhelm Voß

    2770
    »1673 den 5. November ist Anna Mulisch, die schon
    mehrere Kinder außer der Ehe gehabt, von mir get-
    raut worden. Und dieser ›Schandsack‹ hat sich in
    einem Kranze zur Kirche führen lassen.
    1674 am 18. Dezember ist Ursula Lehmann enthaup-
    tet worden, weil sie das mit ihrem Schwager erzeug-
    te Kind ins Wasser geworfen.
    1675 am 3. August ist Andreas Fritze, Weinmeister
    hierselbst, begraben worden, der ein heftiges Ge-
    wächs gehabt hat, eines Viertels vom Scheffel groß,
    so ihm hinten am Halse gehangen. Ist aber doch
    vierundachtzig Jahr alt geworden.
    1679 am 27. März sind auf unserer Feldmark zwei
    Soldaten begraben worden, welche den Tag vorher
    mit ihrer Compagnie hier einquartiert gewesen. Sie
    konnten keine Särrker (Särge) bekommen, weil ih-
    nen ihre Kameraden nichts gelassen hatten als alte
    Lumpen, welche denn auch ihr Sterbekleid bleiben
    mußten.
    1697. In diesem Jahr ist der moskowitische Zar Peter
    bei Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht gewesen.
    1717. Hoc anno celebratum est iubilaeum evangeli-
    co-Lutheranum. Matthäus 22, 5.
    1726 wurde wieder eine Kindesmörderin hingerich-
    tet.

    2771
    1727 starb Felician Clar, der vierzig Jahr in Gröben
    Pastor gewesen.
    1729 wurde Botho Müller wegen Gotteslästerung
    durch den Henker

Weitere Kostenlose Bücher