Wanderungen II. Das Oderland.
4. August nicht mehr erreicht werden konnte, so bequemte man sich, in dem zwei Stunden vorher gelegenen Dorfe Steinsfurth die Nacht in einer Scheune zuzubringen. Für die Pläne des Kronprinzen indes machte Steinsfurth oder Sinsheim keinen Unterschied, und so beschloß er, in selbiger Nacht noch seine Flucht von diesem Dorf aus ins Werk zu setzen. Um zwei Uhr erhob er sich, kleidete sich in einen roten Roquelaure, der zu diesem Behuf eigens angefertigt war, und ging auf die Dorfstraße hinaus, wohin er den Pagen Keith (einen jüngeren Bruder des früher genannten) mit Pferden bestellt hatte.
Alles dieses war aber von dem Kammerdiener Gummersbach bemerkt worden, der nicht säumte, den mit der Beobachtung des Kronprinzen speziell betrauten Oberstlieutenant von Rochow zu wecken. Dieser sowie Generalmajor von Buddenbrock und die Obersten von Waldow und von Derschau folgten dem Kronprinzen auf die Dorfgasse und fanden ihn hier an eine Wagendeichsel gelehnt, immer noch auf Keith 2) und die Pferde wartend. Die Obersten, über seine Kleidung erstaunt, baten ihn, die Uniform wieder anzulegen, ehe ihn der König in diesem Aufzuge sähe. Aber eben jetzt brachte Keith die Pferde, und Friedrich schickte sich ohne weiteres an, sich in den Sattel zu werfen und davonzureiten. Nur mit Mühe gelang es den Obersten, ihn in die Scheune zurückzunötigen.
Derschau hinterbrachte das Vorgefallene dem Könige, der sich zunächst – weil es noch an eigentlichen Schuldbeweisen fehlte – gegen den Kronprinzen wie gewöhnlich zeigte. Auch in den folgenden Tagen noch, während welcher die Reise sich über Mannheim und Darmstadt fortsetzte. Nur in Darmstadt, am 6. August, konnte der König mit einer spöttischen Bemerkung gegen den Prinzen nicht zurückhalten. »Er wundre sich, ihn noch hier zu sehen; er habe ihn bereits in Paris vermutet.«
Und so blieb es bis zum 8. früh.
Am Abend vorher hatte man Frankfurt am Main erreicht, allwo der vom Rittmeister von Katte nachgesandte Courier dem Könige den vorerwähnten kompromittierenden Brief einhändigte. Durch diesen Brief war der Schuldbeweis gegeben, und der lange zurückgehaltene Zorn brach jetzt hervor. Das erste Zusammentreffen zwischen Vater und Sohn fand am Morgen des 8. auf einem Rheinboot statt, das für die Stromfahrt nach Wesel bestimmt war. Als der Kronprinz das Schiff betrat, stürzte sich der König auf ihn und schlug ihn, bis ihn der Oberst von Waldow durch sein Zwischentreten befreite und auf ein anderes bereitliegendes Schiff brachte.
Die Reise ging nun rheinabwärts. Am 10. war man in Bonn, am 11. in Wesel. Der »Arrestant« ward am Ufer von dem Oberstlieutenant von Borcke mit einem starken Kommando in Empfang genommen und in die Festung gebracht. Am anderen Morgen, den 12., erfolgte seine Vorführung vor den König.
»Warum habt Ihr entweichen wollen?«
»Weil Sie mich nicht wie Ihren Sohn, sondern wie einen gemeinen Sklaven behandelt haben.«
»Ihr seid nichts als ein feiger Deserteur, der keine Ehre hat.«
»Ich habe soviel Ehre wie Sie, und ich habe nichts getan, was Sie an meiner Stelle nicht auch getan hätten.«
Bei diesen Worten zog der König den Degen und wollte den Prinzen erstechen. Aber der tapfere Kommandant, Generalmajor von der Mosel, warf sich dazwischen und sagte: »Sire, durchbohren Sie mich, aber schonen Sie Ihres Sohnes.«
Einige Tage nachher empfingen die mehrgenannten Obersten den Befehl, den Kronprinzen unter sicherer Bedeckung von Wesel nach Treuenbrietzen zu schaffen. Schon vorher (ebenfalls am 12.) hatte der König folgende Zeilen an die Oberhofmeisterin der Königin gerichtet: »Meine liebe Frau von Kameke. Fritz hat desertieren wollen. Ich habe mich genötigt gesehen, ihn arretieren zu lassen; ich bitte Sie, auf eine gute Art meine Frau davon zu unterrichten, damit solche Neuigkeit dieselbe nicht erschrecke. Übrigens beklagen Sie einen unglücklichen Vater. F. W.«
Die Überführung des Kronprinzen erfolgte der Ordre des Königs gemäß. Wann er in Treuenbrietzen eintraf, ist nicht genau ersichtlich. Am 29. August wurde Generalmajor von Buddenbrock angewiesen, ihn von Treuenbrietzen nach Mittenwalde zu schaffen.
Aber auch Mittenwalde war nur Etappe, von der aus sein Weitertransport nach Küstrin am 4. September erfolgte. Tags darauf (am 5.) bezog er ein Arrestzimmer im zweiten Stocke des alten Küstriner Schlosses.
Von Katte vor dem König
Am 15. August wußte der in Berlin zurückgebliebene Grumbkow von dem Fluchtversuche
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