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Wanderungen II. Das Oderland.

Wanderungen II. Das Oderland.

Titel: Wanderungen II. Das Oderland. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Standhaftigkeit, die den König in Verwunderung setzte, und gestand nur ein, von der Flucht des Kronprinzen gewußt und die Absicht, ihm zu folgen, gehabt zu haben. Auf die Frage jedoch, »an welchen Hof der Prinz sich habe begeben wollen«, antwortete er, »das wisse er nicht«. Und danach wurde er in die Gensdarmenwache zurückgebracht.
    Während der Septemberwochen – auch noch bis in den Oktober hinein – folgte nunmehr Verhör auf Verhör, und als endlich mit Hülfe derselben ein ausgiebiges Material zur Anstrengung eines prozessualischen Verfahrens gesammelt war, wurde die Voruntersuchung geschlossen und ein Kriegsgericht , das über fünf Angeklagte, in erster Reihe aber über den Kronprinzen Fritz und den Lieutenant von Katte, zu befinden hatte, zusammenberufen.
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    Die Köpenicker Kriegsgerichtsakten erzählen diesen Hergang anders. Danach schickte der Lieutenant von Katte seinen an den Kronprinzen gerichteten Brief nicht direkt an diesen , sondern an seinen Vetter, ebenden im Text genannten, auf Werbung in Erlangen liegenden Rittmeister von Katte, mit der Bitte, den Brief, seiner Adresse gemäß, weiter nach Ansbach an den Kronprinzen gelangen zu lassen. Der Rittmeister aber, der den Brief »suspekt« finden mochte, scheint ihn entweder geöffnet und gelesen oder vielleicht auch uneröffnet auf bloßen Argwohn hin, per Courier an den König geschickt zu haben. Die Differenz ist erheblich. In dem einen Falle würde der kronprinzliche Brief an Katte, in dem anderen der Kattesche Brief an den Kronprinzen die Katastrophe herbeigeführt haben. [Image: Zurück]
 
Zwei Brüder von Keith spielen in der Fluchtgeschichte des Kronprinzen eine Rolle. Es ist nötig, dies gegenwärtig zu haben, wenn man sich nicht in Angaben, die mehr als einmal wie Widersprüche wirken, verwirren soll. Der eigentliche Freund des Kronprinzen war der ältere von Keith. In seiner Eigenschaft als Page des Königs erfuhr er vieles und konnte mehr als einmal den Kronprinzen vor ihn bedrohenden Gefahren warnen. Es geschah dies alles, wie durchaus hervorgehoben werden muß, nicht aus Hang zur Intrigue oder auch nur aus besonderer Eitelkeit, sondern aus wirklicher Liebe zum Prinzen, jedenfalls aus Mitgefühl. Endlich entdeckt, schickte ihn der König zur Strafe nach Wesel in das dort stehende von Dossowsche Infanterieregiment und ließ den jüngeren von Keith in die Pagenstelle einrücken. Aber dieser jüngere Bruder erwies sich nicht viel anders als der ältere, bis er endlich, »gerührt von der ängstlichen Gemütsstimmung des Königs, diesem in Mannheim alles reumütig bekannte«. Er scheint denn auch mit einer geringen Strafe davongekommen zu sein. Der ältere Bruder, als er von den Vorgängen in Steinsfurth hörte, floh klugerweise von Wesel nach England und konnte daselbst in den Zeitungen lesen, daß er nach kriegsrechtlichem Spruch » in effigie gehenkt worden sei «. Bald darauf nahm er portugiesische Dienste, aus denen er später (nach 1740), übrigens ohne sonderliche Karriere zu machen, in preußische Dienste zurück trat. ._.
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    Das Kriegsgericht zu Köpenick
    Über dies Kriegsgericht und das durch dasselbe gefällte Urteil finden sich infolge regelmäßiger und oft ausschließlicher Benutzung der als Quelle dienenden Memoiren des Freiherrn von Pöllnitz und der Markgräfin von Bayreuth 1) immer noch Irrtümer verbreitet, die den Ergebnissen einer strengeren historischen Forschung bis diesen Tag getrotzt haben. Es wird nötig sein, die betreffenden irrtümlichen Stellen aus den Memoiren der beiden Vorgenannten zunächst zu zitieren. So schreibt die Markgräfin: »Dönhoff und Linger stimmten für Pardon, aber die anderen, um dem Könige zu Willen zu sein, verurteilten den Kronprinzen und Katte zur Enthauptung .« Und in Übereinstimmung damit heißt es bei Pöllnitz: »Weder der Kronprinz noch Katte waren persönlich zugegen. Nichtsdestoweniger wurden sie von dem Kriegsgerichte gerichtet und verurteilt, den Kopf zu verlieren .« Diese beiden Stellen sind in unzählige volkstümliche Geschichts- und Nachschlagebücher übergegangen, während umgekehrt das Wort »Tod« von seiten des Kriegsgerichts nicht gesprochen worden ist. Die dasselbe bildenden oder, richtiger, die innerhalb desselben den Ausschlag gebenden Männer fällten vielmehr über den Kronprinzen, »weil er jenseits ihrer Kompetenz läge«, gar kein Urteil und verurteilten Katte zu lebenslänglicher Festungsstrafe. Dies ist kurz das Tatsächliche.
    Foerster

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