Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen II. Das Oderland.

Wanderungen II. Das Oderland.

Titel: Wanderungen II. Das Oderland. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Küstrin hinein, einesteils um die russischen Stellungen zu rekognoszieren, anderenteils um die Festung selbst in Augenschein zu nehmen. Diese war noch im besten Zustande, aber der Anblick der eingeäscherten Stadt erfüllte ihn mit Wehmut. Als sich von Schack wegen seiner bei der Verteidigung begangenen Fehler entschuldigen wollte, sagte der König: »Schweig Er; ich bin selbst schuld. Warum habe ich Ihn zum Kommandanten gemacht.«
    Tags darauf führte der König seine Regimenter über die Oder und stand am 24. zwischen Darmitzel und der Neudammschen Mühle dem Feinde gegenüber. »Mit solchem Kroop muß ich mich schlagen«, waren seine berühmt gewordenen Worte, als man ihm die ersten gefangenen Kosaken vorführte.
    Der 25. war der »Tag von Zorndorf«, und die russische Flut, die wochenlang die Neumark überschwemmt hatte, staute nun wieder zurück. Aber Küstrin lag in Trümmern, und das Land war eine Wüste. Der Marquis Montalembert schrieb nach Paris: »Alles ist eingeäschert, tot, geflohen; man findet keine Menschen, kein Pferd, kein Herdenvieh mehr«, und dem neumärkischen Landrat von Wobeser, der um Vergütigung des erlittenen Brandschadens eingekommen war, antwortete der König selbst in jenem grimmen Humor, zu dem er nur zu sehr berechtigt war: »Am Jüngsten Tage kriegt jeder alles wieder.«
    Bald nach dem Kriege wurde mit dem Wiederaufbau der Stadt begonnen. Er vollzog sich von 1768 bis 1770, so daß das gegenwärtige Küstrin, mit alleiniger Ausnahme des Schlosses, das während des Bombardements nur partiell zerstört wurde, als eine verhältnismäßig neue Stadt angesehen werden kann.  
Küstrin am 1. November 1806
    Jena war geschlagen; flüchtig und in Auflösung begriffen, ging die preußische Armee über die Elbe, und nur einzelne Trümmer derselben erreichten noch die Oder. In die Flucht hineingerissen ward auch der Hof. Am 19. trafen König und Königin in Küstrin zusammen und bezogen Quartier in einem am Markte belegenen Gasthof (»Goldener Hirsch«). Am Tore der Festung waren sie von dem Obersten und Kommandanten von Ingersleben empfangen worden. Unter den unrühmlichen Festungskommandanten jener Epoche der unrühmlichste, weil der zweideutigste. Von dem, was den Soldaten macht und ehrt, besaß er nichts.
    »Ingersleben« – so schreibt General von der Marwitz, eine Quelle, deren Zuverlässigkeit niemand beargwöhnen wird – »war seit dem Champagne-Feldzug von 1792 Ritter des Pour le mérite. Aber wie hatte er den Orden erhalten? Der König legte großen Wert darauf, kein Geschütz in dem aufgeweichten Kalkboden stehenzulassen. Eines Tages quälten sich die Artilleristen mit einer solchen Kanone, als das Regiment, bei welchem Ingersleben stand, vorüberzog. Dieser saß auf einem seiner gewaltigen Gestalt angemessenen riesigen Braunen, der, aller Kriegsstrapazen unerachtet, noch sehr wohl im Stande war. Ingersleben hatte den König kaum gesehen, als er vom Pferde sprang und seinen Braunen in eines der Geschirre steckte. Wohlweislich aber ließ er den Sattel mit Pistolenhalfter und der großen goldgestickten Paradeschabracke auf dem Rücken des Pferdes. Und nun tat er sehr geschäftig, schrie, legte selbst Hand an und trieb so, daß die Kanone richtig aus dem Schlamm herauskam. Der König fragt' sogleich, wem das Pferd gehöre, und gab ihm den Orden. Ingersleben aber, als der König weit genug fort war, spannte seinen Braunen wieder aus, setzte sich auf und ließ die Kanone stehen. Später wurde er wegen üblen Betragens vor dem Feinde vom Regimente entfernt, bis ihn höfische Fürsprache zum Kommandanten von Küstrin machte.«
    Sein Adlatus war der Oberst von Weyher, ein hochmütiger, die Bürger und Soldaten gleichmäßig maltraitierender Bramarbas, dem die gesamte Festungsgarnison unterstellt war. Diese bestand aus den Depotbataillonen dreier berühmter Regimenter: Prinz Heinrich, Prinz von Oranien (früher Markgraf Karl) und von Zenge. Dazu 500 Mann von der Festungsartillerie.
    König Friedrich Wilhelm der Dritte, der sich auf Menschenbeurteilung sehr wohl verstand und nur die bis zur Schwäche gehende Bescheidenheit hatte, sich dem Urteil anderer, öfter als gut war, unterzuordnen, scheint der Tüchtigkeit oder dem guten Willen Ingerslebens von Anfang an mißtraut zu haben. Er ließ sich von ihm auf den Festungswällen umherführen und stellte bei dieser Gelegenheit die Frage: »Ob er sich's auch wirklich getraue«, worauf Ingersleben die berühmte Antwort gab: »er werde die

Weitere Kostenlose Bücher