Wanderungen II. Das Oderland.
Ungnade. Man hat Ihnen falsche Nachrichten über mich gebracht. Man beschuldigt mich, den Kronprinzen in seinen Fluchtplänen zu bestärken. Umgekehrt, ich hab es ihm abgeschlagen, ihm zu folgen. Und ich stehe Ew. Königlichen Hoheit mit meinem Kopf dafür , daß er diesen Schritt nicht ohne mich unternehmen wird.‹
›Ich sehe Ihren Kopf schon zwischen Ihren Schultern wackeln‹, replizierte ich. ›Und wenn Sie nicht bald Ihr Benehmen ändern, so werd ich ihn leicht vor Ihren Füßen sehen.‹ Er wollte antworten, aber ich fuhr fort: ›Ich leugne Ihnen nicht, daß wir, die Königin und ich, sehr unzufrieden mit Ihnen sind, weil Sie die Pläne meines Bruders ausschwatzen; vor allem aber ziemt es sich nicht für Sie, mein Portrait zu besitzen und damit zu prunken. Die Königin hat es Ihnen abfordern lassen, und Sie hätten die Pflicht gehabt, ihr zu gehorchen und es uns wieder zuzustellen.‹
Er wußte sich jedoch geschickt herauszureden und versicherte nur immer wieder, daß er das Portrait lediglich als eine Probe seiner Arbeit gezeigt habe, es auch härter als den Tod empfinden würde, wenn er sich davon trennen müsse.
›Sie spielen ein großes Spiel‹, schloß ich, ›und ich fürchte sehr, daß ich in allem, was ich Ihnen gesagt habe, nur ein allzu guter Prophet gewesen bin.‹
›Wenn ich den Kopf verliere‹, antwortete er, ›so geschieht es um einer schönen Sache willen. Aber der Prinz wird mich nicht im Stiche lassen.‹
Nach dieser Unterredung« – so schließt die Prinzessin – »trennten wir uns. Es war das letzte Mal, daß ich ihn sah, und ich glaubte damals nicht, daß sich meine Voraussagungen so bald erfüllen würden.«
Dies Zwiegespräch fand am 11. August statt. Am 16. ward er verhaftet. Was danach folgte, ist in den voraufgegangenen Abschnitten dieses Kapitels erzählt worden.
Es erübrigt nur noch die Frage: Welche Dinge sind vorhanden, die den Namen Kattes in der einen oder anderen Weise bis diesen Tag festhalten: Baulichkeiten, Hausgerät, Bilder.
Briefe (wenn nicht das Staatsarchiv einiges davon bei den Akten hat) scheinen originaliter nicht mehr zu existieren; das »Wachtlokal« in der Kaserne des Regiments Gensdarmes ist, wie die Kaserne selbst, längst vom Schauplatz verschwunden, und das Küstriner Torhäuschen, in dem er die Nacht vor seinem Tode zubrachte, wurde neuerdings bei Wegräumung des Tores mit niedergerissen. Auf Schloß Retzin dagegen befindet sich noch eine silberne, das Kattesche Wappen tragende Zuckerdose, die der Gefangene mit in sein Gefängnis genommen haben soll, und drei Bilder sind noch vorhanden – an übrigens sehr verschiedenen Stellen –, die den Anspruch erheben, Bildnisse Hans Hermann von Kattes zu sein.
Das erste Katte-Portrait ist königliches Eigentum und befindet sich zu Schloß Charlottenburg in dem, soviel ich weiß, bis diesen Augenblick unberührt erhaltenen Arbeitscabinette König Friedrich Wilhelms des Vierten. Es hing, als ich es vor einer Reihe von Jahren zum ersten Male sah, über der Eingangstür.
Das zweite Katte-Portrait ist im Besitz von Gustav zu Putlitz auf Schloß Retzin in der Prignitz. Er schreibt darüber folgendes: »Kattes Halbschwester war meine Urgroßmutter, und aus der Nachlassenschaft einer Tochter derselben (meiner Großtante) kam dieses Bildnis in unser Haus. Ich entsinne mich deutlich noch des Tages, als es mit vielem anderen uralten Hausgerät ausgepackt wurde. Es machte einen großen Eindruck auf mich, trotzdem ich noch ein Kind war, denn ich kannte die Geschichte Kattes, die mir von der alten Tante als eine Familientradition oft erzählt worden war. Das einsame, abgeschlossene und meist ereignislose Leben jener Zeit erhielt die Familiengeschichten durch Generationen hin lebendig und gab ihnen besondere Wichtigkeit.«
Das dritte Katte-Portrait befindet sich inmitten anderer Familienportraits aus jener Zeit in dem großen Empfangssaale des Herrenhauses zu Wust.
Sind diese Bildnisse zuverlässig? Keines stimmt mit der charakteristischen Personalbeschreibung, die sowohl Pöllnitz wie die Markgräfin von von Katte gegeben haben. »Häßlich, blatternarbig, mit breiten, buschigen Augenbrauen« und infolge davon »finster, melancholisch, unheimlich«. Vergleichen wir damit die Portraits, so zeigen uns dieselben einen eher hübschen als häßlichen, eher fröhlichen als finsteren, eher anheimelnden als unheimlichen jungen Mann. Wenn wir, trotz der daraus entstehenden Zweifel, auf diese Bilder hingewiesen haben,
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