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Wanderungen II. Das Oderland.

Wanderungen II. Das Oderland.

Titel: Wanderungen II. Das Oderland. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Vorstehenden nach scheint es fast, daß der Vater am 23. November das Abschiedsschreiben noch nicht in Händen hatte, wohl aber durch andere briefliche Mitteilungen aus Berlin von seiner Existenz unterrichtet war.
    Der zweite Brief – wie der erste mit Trauerrand – ist vier Wochen später an den Kammerpräsidenten selbst gerichtet.
    »Hochwohlgeborener Herr, wertester Herr Bruder! Ich bin Euch unendlich obligieret für Euer herzlich bezeugtes Mitleiden. Ja, mein lieber Bruder, Trost ist mir bei diesen betrübten Umständen höchst nötig; und obwohl der barmherzige Gott mir viel Gnade getan und bei meinem schweren Kreuz so viel Tröstliches gegeben hat, so will doch die natürliche Liebe sich noch nicht brechen, kann sich auch so bald nicht geben!
    Ich weiß nicht, wie Gott mir alles solchergestalt zuführet, daß es mir zum Trost und Soulagement dienen muß.
    1. Mein lieber Bruder, ist es nicht tröstlich, dieses schöne und exempelwürdige Ende?
    2. Ist es nicht tröstlich, daß die Exekution in Küstrin hat geschehen müssen, um allen Leuten begreiflich zu machen, warum er ein Sacrifice?!
    3. Ebenso, daß das Kriegsgericht ihm nicht das Leben abgesprochen, sondern des Königs Machtspruch.
    4. Daß mein Sohn so généralement von aller Welt beklaget und bedauert wird. (Es ist étonnant was man hier für ihn tut. Die Menschen sprechen nur von ihm. Sein Portrait haben hier zwei Leute, eines davon der Maler, wo er zeichnen lernte. Dies Bildnis wird oft abgeholet, um kopiert zu werden. Der Maler hat noch einige Studienblätter, auf denen der Name meines Sohnes steht. Sie kaufen alles weg und zahlen, was er haben will. In den größten Häusern wird er bedauert, als ob ihnen ein Verwandter gestorben wäre.)
    Der Kronprinz soll so wehmütig Abschied von ihm genommen haben.
    Endlich schreibt mir der König so viel gnädige Briefe und bittet mich recht, mich zufriedenzugeben . Aber, mein lieber Bruder, hart ist es für einen Vater, sein Kind auf solche Art zu verlieren. Der König hat mir eine Information aus den Akten schicken lassen. Anfänglich habe ich sie nicht lesen wollen, aber nun möchte ich um nichts in der Welt, daß ich diese Information nicht hätte. Mein Herz möchte manchen Morgen vor Tränen vergehen, wenn ich an meinen lieben Sohn gedenke. Manche Zeit geht es, aber dann kommt wieder ein Stoß, so daß ich mich nicht fassen kann. Und doch, mein lieber Bruder, lasset uns den barmherzigen Gott und seine Zornrute in Demut küssen... Gott wird uns nicht verlassen. Was wir nicht erleben, wird er unsere Kinder genießen lassen. Mein Sohn hat mich einige Stunden vor seinem Ableben gebeten, unseren Albrecht nach Halle zu schicken und im Pädagogio in Gottesfurcht erziehen zu lassen. Er hätte Freylinghausens ›Theologia‹ viermal durchgehöret; die täte ihm an seinem Ende wohl. Ich möchte mich nicht so sehr betrüben über seinen Abschied. Er versicherte mir, daß er gewiß selig werde, und hat dem Prediger zum Zeugnis seines Glaubens die Hand gegeben. Nun, mein lieber Bruder, lebet wohl... Ich bin Euer getreuer Diener H. H. Katt. Königsberg, den 19. Dezember 1730. Nachschrift: Schreibet mir doch, ob Ihr meines Sohnes Brief an den König, an den Feldmarschall (von Wartensleben) und an mich habet. Auch die königliche Reprimande an das Kriegsgericht und seine eigene Sentenz.«  
Das Recht und das Schwert
    Die Hinrichtung Kattes, abgesehen von ihrer geschichtlichen Bedeutung, ist auch in ihrer Eigenschaft als Rechtsfall immer als eine cause célèbre betrachtet worden. War es Gesetz oder Willkür? War es Gerechtigkeit oder Grausamkeit? So steht die Frage. Unsere Zeit, einerseits in Verweichlichung, andererseits in Oberflächlichkeit, die nicht tief genug in den Fall eindringt, hat in dem Geschehenen einen Fleck auf dem blanken Schilde der Hohenzollern erkennen wollen. Ich meinerseits erkenne darin einen Schmuck , einen Edelstein. Daß es ein Blutkarneol ist, ändert nichts.
    Entscheidend für die Beurteilung des Katte-Falles erscheint mir in erster Reihe die Frage: »Wie hat sich die damalige Zeit dazu gestellt?«
    Lesen wir die zeitgenössischen Berichte, so kommt uns freilich der Eindruck, daß ein Zittern durch die halbe Welt gegangen sei. Sind wir aber aus dem »Sensationellen« der Erzählung erst heraus, beginnen wir zu sichten und zu sondern, so werden wir sehr bald gewahr, daß die tiefgehende, ganz unzweifelhaft vorhandene Bewegung der Gemüter nicht dem Katte-Fall, sondern dem begleitenden

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