Wandlung
einer Plane an. Und sah eine ausgezehrte Hand; sie zog die Plane ganz zurück. »Gütiger Gott.«
»Was hast du denn gefunden?«, fragte Punch, ohne seine Packarbeiten zu unterbrechen.
»Eine Leiche.« Jane beugte sich über den Körper. Der Leichnam war in eine Baggerschaufel gezwängt worden, Oberschenkel, Unterschenkel und Hinterbacken fehlten. An Oberarmen, Bauch und Brust war ihm die Haut abgezogen worden, trotz der Kälte war die Verwesung bereits fortgeschritten.
»Wer ist es?«, fragte Punch. »Kannst du das erkennen?«
Jane richtete ihre Stablampe auf das bärtige Gesicht: die Wangen waren eingefallen, das Grinsen starr, am Hals waren noch Fleischfetzen zu erkennen sowie Reste einer Stacheldrahttätowierung.
»Gus. Ich glaube, es ist Gus. Sieht ganz so aus, als hätte ihn jemand verspeist.«
Punch stopfte eine Büchse mit Zündkapseln in die Seitentasche seines Rucksacks. »Ihn verspeist?«
»Er wurde regelrecht geschlachtet. Jemand hat sich mit einem Messer an ihm zu schaffen gemacht. Und dieser Jemand hat ganze Arbeit geleistet.«
»Wir sollten zusehen, dass wir von dieser gottverfluchten Insel verschwinden.«
»Punch.« Mit einem Aufschrei richtete Jane ihre Stablampe auf die Lagerraumtür. Eine Gestalt in einem roten Kapuzenparka kämpfte mit der Tür, versuchte, sie zuzuwuchten. »Er darf uns auf keinen Fall einsperren.«
Sofort riss Punch sein Gewehr an die Schulter und feuerte, verfehlte aber das Ziel und sprengte stattdessen einen Krater in die Bleiverkleidung. Er feuerte erneut; der Schuss riss eine tiefe Furche in die Tür. Er schleuderte das Gewehr, es schlitterte über den Betonboden und verkeilte die Lagerraumtür im letzten Moment, ehe sie sich schloss.
Punch warf sich auf die Waffe, bekam den Kolben zu fassen und rang mit einem unsichtbaren Widersacher um das Gewehr. Er drückte auf den Abzug, das Mündungsfeuer flammte auf, ein Knall wie ein Donnerschlag, gefolgt von einem wütenden Aufschrei.
»Punch, aus dem Weg«, brüllte Jane.
Punch wälzte sich zur Seite, und Jane betätigte den Flammenwerfer. Auf den Aufschrei hin rannte sie quer durch den Lagerraum, wobei sie einen zweiten Feuerstoß abgab. Flüssige Flammen rannen an Wänden und Tür herab, bleierne Rinnsale wie ein Lavastrom. Der Lagerraum füllte sich mit Rauch.
Mit ihrem Stiefel trat Jane die Tür auf. Ein kurzer Stoß aus dem Flammenwerfer beleuchtete einen leeren Gang. Auf dem Fußboden lagen schwelende Stofffetzen.
»Lauf nur weg, du Scheißkerl«, brüllte sie, ihre Stimme hallte metallisch von den Wänden wider. »Lauf nur weg.«
Punch hob sein Gewehr vom Boden auf. »Glaubst du, das war Nail?«
»Wer sollte es sonst gewesen sein? Schnapp dir den Rucksack, und dann nichts wie weg hier.«
Stockwerk für Stockwerk stapften sie aufwärts. Alle paar Schritte wandte sich Jane um, um sich zu vergewissern, dass sie nicht verfolgt wurden, gab an jeder Einmündung einen kurzen Feuerstoß ab. Sie untersuchte jeden Mauerspalt, für den Fall, dass Nail irgendwo hockte und darauf lauerte, sie ein zweites Mal aus dem Hinterhalt zu überfallen. Trotz seiner Verletzung dürfte er verzweifelt genug für eine Attacke sein.
Als sie sich dem Bunkereingang näherten, schlug das ferne Rauschen des Windes in ozeanisches Tosen um. Die Türen standen offen, draußen tobte ein Unwetter. Sie stemmten sich gegen den Wirbelsturm, während Janes Lampe unzählige Schneepartikel beleuchtete, die wild umherwirbelten.
»Wo zum Teufel kommt denn das jetzt her?«, schrie Punch, um sich in dem Getöse Gehör zu verschaffen.
»Wir können es trotzdem noch schaffen.«
»Vielleicht sollten wir noch warten.«
»Nein. Hast du dein Funkgerät? Ruf Ghost an und sag ihm, er soll sämtliche Flutlichter der Bohrinsel einschalten und alle zwanzig Sekunden das Nebelhorn betätigen. Das sollte uns den Weg nach Hause weisen.«
Sie machten sich auf, mitten in das Unwetter hinein, stiegen die Betonstufen hinunter und liefen hinaus auf die zugefrorene See. Tief gebeugt stemmten sie sich gegen den Sturm, während der Schnee sie wie dichter
Rauch umwirbelte. Die Flutlichter der Bohrinsel waren nicht zu sehen, aber alle zwanzig Sekunden konnten sie das Nebelhorn spüren, ein tiefes, grollendes Wummern, tiefer noch als das unablässige Heulen des Windes.
Jane wandte sich zu Punch um und hob ihre Skimaske ein Stückchen an. »Wir kommen gut voran«, beruhigte sie ihn. »Jetzt müssten wir jeden Augenblick die Flutlichter sehen können.«
Aus dem
Weitere Kostenlose Bücher