Wandlung
Efeubewachsenes Fachwerk. Dahin werde ich gehen.«
»Aber wozu der Duke?«
»Unser altes Leben existiert nicht mehr, also können wir sein, wer immer wir wollen, ein Lord, ein Duke, ein Prinz. Wer wollte dem jetzt noch widersprechen?«
Eine Stunde darauf schlief Gus ein.
Nail legte Feuerholz nach, nahm den Lederstreifen aus dem Mund und schmiss ihn in die Flammen. Das Leder wurde hart und rollte sich ein. Nikki saß auf der anderen Seite des Feuers.
»Was für eine beschissene Art, den Löffel abzugeben«, sagte Nail. »Wenn man hier unten in diesem Loch festsitzt und seine eigene Pisse säuft.«
Nikki ignorierte ihn.
»Und, wie sieht’s aus?«, fragte Nail. »Willst du nun weiterleben? Willst du tatsächlich hier raus, oder ist das hier dein neues Zuhause? Ich weiß, warum ich mich in diesem gottverdammten Mausoleum verstecke, aber was ich wirklich nicht begreife, ist, wieso du auf diese Insel zurückgekommen bist. Ich begreife nicht, wieso du hier unten herumschleichst, statt auf die Rampart zurückzukehren. Weil du die Einsamkeit verdient hast, die Hölle? Ist das wirklich der Grund?«
Sie antwortete nicht.
»Kanada«, sagte Nail. »Das wäre mein Vorschlag. Wenn man sich eines der Schneemobile schnappt, könnte man es ziemlich weit bringen, bis der Sprit ausgeht. Allerdings würde man das eine oder andere von der Rampart benötigen, Lebensmittel, bessere Kleidung. Du könntest mitkommen. Du hast doch sicher nicht vor, hierzubleiben und zu verhungern?«
Nikki legte noch etwas Holz nach. »Ich wünschte, du würdest begreifen, was wir hier haben«, sagte sie. »Jeder Einzelne von euch an Bord der Rampart war auf der Flucht, auf der Flucht vor der Welt. Wieso sind jetzt alle so versessen darauf, nach Hause zurückzukehren? Hier haben wir doch alles, was wir brauchen. Das Einzige, was man tun muss, ist die Stille akzeptieren und zulassen, dass sie in den Kopf eindringt und alles Denken füllt.«
»Alles, was wir brauchen? Wir sitzen hier rum und fressen eine Lederjacke. Oder willst du diesen Mistkerlen da draußen Gesellschaft leisten und dich beißen lassen oder Schlimmeres? Ist das dein großer Plan? Wie auch immer, wenn du willst, kannst du hierbleiben und mit deinem unsichtbaren Freund abhängen. Aber ich
will leben, ich hab keine Lust, in dieser Jauchegrube zu krepieren. Ich will leben.«
Schweigend saßen sie da. Nail zuckte zusammen und hielt sich den Bauch, er hatte Krämpfe. Er streckte sich; das Hungergefühl hatte sich von einem vagen Unwohlsein zu einem heftigen stechenden Schmerz gesteigert. Nail hasste sich für das, was er zu tun im Begriff war.
Darauf bedacht, Gus nicht anzusehen, rappelte er sich schwerfällig auf und zog ein brennendes Stuhlbein aus den Flammen.
»Ich geh ein bisschen spazieren«, sagte er. »Und seh mich nach was Brauchbarem um. Könnte sein, dass ich eine Weile weg bin.«
Nikki nickte, ein Lächeln auf den Lippen.
Nail hielt auf die Dunkelheit der Tunnelöffnung zu und ließ Nikki mit Gus allein.
Eine Stunde darauf kehrte er zurück; er ließ sich am Lagerfeuer nieder und starrte in die Flammen.
Nail war ein Mörder, er hatte Mal einen Messerstich in den Hals versetzt, sich dann über den Sterbenden gebeugt und um Vergebung gebettelt. Er hatte die Blutung zu stillen versucht, war beim Versuch, die aufgeschlitzte Halsschlagader mit blutverschmierten Fingern zuzuhalten, vollgespritzt worden.
Er hatte sich in der Dusche abgeschrubbt, stundenlang, all das Blut auf den weißen Fliesen.
Und jetzt das. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Hölle.
Er wies auf Gus’ leblosen Körper. »Wie geht es ihm?«
»Er ist tot.«
»Sicher?«
»Ja.«
»Tja«, hörte er sich sagen, »dann hat er wohl nichts mehr dagegen, nehme ich an.«
Er saß da und starrte in die Flammen.
Nikki ließ ihr Klappmesser aufschnappen, schlitzte den Stoff von Gus’ Hosenbein auf und schnitt Fleischstreifen aus seinem Oberschenkel.
Sie rösteten es über dem Lagerfeuer. Als Nail es aß, weinte er.
34 – Das Gewölbe
»Es gibt keinen Grund, weshalb wir alle vier zur Insel fahren sollten«, sagte Jane. »Ich werde Punch als Begleitung mitnehmen.«
»Ich sollte fahren«, sagte Ghost. »Ich kenne mich im Bunker aus.«
»Das Argument verfängt nicht«, sagte Jane. »Es ist mein Plan, also werde ich auch fahren. Lass mich auch mal irgendwas zustande bringen.«
Ghost zeichnete eine Karte. »Also schön. Der Sprengstoff befindet sich in einem Lagergewölbe. Ihr werdet an einer ganzen
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