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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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etwas an, ich war wie einer, der Geld unterschlagen hat und weiß, daß er demnächst auffliegen wird und dann aus der gewohnten Umgebung verschwinden muß. Wie hätte ich auffliegen können? Na eben, indem herausgekommen wäre, daß ich mit der Rolle, die ich vor der Welt spielte, nichts mehr gemeinsam hatte. Aber ich hielt mich noch genau an die Arbeitszeiten, war als erster in der Fabrik, verließ sie nachmittags um sechs, wenn nur noch der Torwächter an seinem Platz war. Ging zu Fuß durch die Stadt, wie zuvor. Betrat eine Konditorei und sah dort zuweilen meine Frau, die erste und beinahe hätte ich gesagt: die richtige. Denn Judit empfand ich nie, keinen Augenblick als meine Frau. Sie war die andere. Was ich bei solchen Gelegenheiten fühlte, wenn ich die erste, richtige Ehefrau wiedersah? Ich wurde nicht sentimental. Aber ich wurde doch immer ein wenig blaß, grüßte verlegen und blickte streng anderswohin. Denn weißt du, die Körper erinnern sich ewig, so wie die Kontinente, die einst zusammengehörten.
    Doch davon wollte ich nicht reden, jetzt, da ich fast alles gesagt habe. Das Ende dieser Geschichte ist so töricht, wie es eben alle Abschlüsse menschlicher Geschichten sind. Willst du es hören?
    Na klar, jetzt, wo ich davon angefangen habe, willst du es schon hören, und ich muß es zu Ende erzählen. Denk dir, wir haben ein Jahr lang in dieser unwahrscheinlichen physischen und psychischen Verfassung gelebt. Ein Jahr lang habe ich gelebt wie im Urwald, zwischen Pumas und würgenden Lianen und Giftschlangen im Unterholz. Um dieses Jahres willen hat sich die Sache vielleicht gelohnt. Vielleicht sogar auch das, was vorangegangen war und was darauf folgte.
    Was vorangegangen war, weißt du im großen und ganzen. Was danach kam, überraschte auch mich einigermaßen. Ich sehe, du denkst, eines Tages hätte ich erfahren, daß mich Judit betrog. Nein, mein Lieber, das habe ich erst viel später erfahren. Sie hat mich erst betrogen, als sie nicht mehr anders konnte.
    Es brauchte ein Jahr, bis ich merkte, daß mich Judit Áldozó bestahl.
    Schau mich nicht so ungläubig an. Ich meine es nicht im übertragenen Sinn. Sie stahl mir nicht meine Gefühle, sondern Geld aus meiner Brieftasche. Genau so, wie es in den Polizeimeldungen heißt.
    Wann sie damit anfing? … Sofort, im ersten Augenblick. Halt, nein, in der ersten Zeit bestahl sie mich noch nicht, da beschwindelte sie mich bloß. Ich habe doch erzählt, daß ich zu Beginn, als wir im Hotel wohnten, für sie ein Bankkonto eröffnete und ihr ein Scheckbuch gab. Und daß das Konto erstaunlich rasch leer war. Die vielen Ausgaben, eine solche Verschwendung waren fast unverständlich. Gut, sie kaufte sich eine Menge Dinge, Pelze, Fähnchen, und ich achtete nicht darauf, Anzahl und Qualität der gekauften Sachen interessierten mich viel weniger als diese krankhafte Gier, und was mich beunruhigte, war dieser Wahn, an sich selbst etwas wiedergutmachen zu wollen. Kurz, eines Tages benachrichtigt mich die Bank, Judits Konto sei erschöpft. Natürlich zahle ich wieder eine Summe ein, allerdings eine etwas kleinere. Einige Wochen später ist auch dieses Geld weg. Da mache ich sie in scherzhaftem Ton darauf aufmerksam, daß sie unsere finanziellen Verhältnisse überschätzt, offenbar hätten sich in England ihre Vorstellungen vom Geld ein bißchen geändert, wir hierzulande seien viel bescheidener und anspruchsloser reich, als sie das meine. Sie hört sich die Lektion brav an. Verlangt kein Geld mehr. Dann ziehen wir in das Haus im Grünen, und ich stelle ihr jeden Monat eine Summe zur Verfügung, mit der sie den Haushalt versorgen und ihre eigenen Bedürfnisse mehr als reichlich befriedigen kann. Von Geld ist nicht mehr die Rede.
    Doch eines Tages mache ich einen Brief auf, in welchem die Bank meine Frau davon in Kenntnis setzt, daß man ihr per dann und dann sechsundzwanzigtausend Pengő gutgeschrieben habe. Ich drehe den Brief hin und her, reibe mir die Augen. Im ersten Augenblick wird mir ganz heiß: Ich bin eifersüchtig. Stelle mir vor, Judit habe dieses Geld noch von England, wo sie die Geliebte von jemandem war, nicht nur vom griechischen Gesangslehrer, sondern weiß Gott von was für großen Herren, die ihre Liebesdienste fürstlich entgolten haben. Die Vorstellung schmerzt mich so, daß ich mit der Faust auf den Schreibtisch schlage. Dann gehe ich zur Bank. Und erfahre dort, daß Judit das Geld nicht aus England mitgebracht, sondern in kleinen Summen eingezahlt

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