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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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Mann war gegangen, weil er nicht mehr kämpfen mochte. Wissen Sie, liebe Tochter, zwischen den Menschen gibt es vielerlei Kräfte, die Menschen bringen einander auf die verschiedensten Weisen um. Es genügt nicht zu lieben. Liebe kann auch großer Egoismus sein. Man muß demütig lieben, im Glauben. Das ganze Leben hat nur einen Sinn, wenn Glaube darin ist. Gott hat den Menschen die Liebe gegeben, damit sie einander und die Welt ertragen. Aber wer ohne Demut liebt, bürdet dem anderen eine große Last auf. Verstehen Sie, meine Tochter?« fragte er so freundlich wie ein alter Lehrer, der einem kleinen Kind das ABC beibringt.
    »Ich glaube schon«, sagte ich ein bißchen erschrocken.
    »Sie werden es eines Tages verstehen, aber Sie werden auch viel leiden. Solche leidenschaftlichen Seelen sind stolz und leiden viel. Sie sagen, Sie wollen das Herz Ihres Mannes erobern. Sie sagen auch, Ihr Mann sei ein wirklicher Mann, nicht irgendein Schürzenjäger, sondern ein ernster, reiner Mensch mit einem Geheimnis. Was mag das für ein Geheimnis sein? … Genau deswegen quälen Sie sich, liebe Tochter, das ist es, was Sie wissen wollen. Aber wissen Sie denn nicht, daß Gott den Menschen seine eigene Seele gegeben hat? Eine Seele, die so viele Geheimnisse hat wie das Universum. Warum wollen Sie wissen, was Gott in einer Seele verborgen hat? Vielleicht ist das der Sinn Ihres Lebens, ist das Ihre Berufung, daß Sie diesen Zustand ertragen. Vielleicht würden Sie Ihren Mann verletzen, ihn vielleicht zugrunde richten, wenn Sie seine Seele aufmachen, wenn Sie ihn zu einem Leben und zu Gefühlen zwingen, gegen die er sich wehrt. Man darf nicht gewaltsam lieben. Die Frau, von der ich erzählt habe, war schön und jung wie Sie, und sie beging jegliche Torheit, um die Liebe ihres Mannes zu erobern. Sie bändelte mit anderen Männern an, um ihren Mann eifersüchtig zu machen, sie lebte wie im Wahn, putzte sich heraus, gab für auffällige Wiener Mode ein Vermögen aus, so wie es unglückliche Frauen tun, wenn in ihrer Seele kein Glaube mehr ist und ihr inneres Gleichgewicht zerfällt. Dann rannte sie in der Welt herum, in Vergnügungslokale, zu Abendeinladungen, überallhin, wo Lichter brannten und Menschen sich drängten, die vor der Leere ihres Lebens, der Eitelkeit und den Leidenschaften auf der Flucht waren und das Vergessen suchten. Wie hoffnungslos das ist«, sagte er eher zu sich selbst, »es gibt kein Vergessen.«
    So sprach er. Jetzt war ich sehr aufmerksam. Aber er schien mich nicht zu beachten. Er brummelte vor sich hin, vorwurfsvoll, nach Art der alten Leute. Er schien mit der ganzen Welt zu hadern.
    Dann sagte er noch: »Nein, das Vergessen gibt es nicht. Gott läßt nicht zu, daß wir die Frage, mit der uns das Leben aufruft, in Leidenschaften ersticken. In Ihnen ist ein Fieber, liebe Tochter. Das Fieber der Eitelkeit und der Selbstsucht. Mag sein, daß Ihr Mann Ihnen gegenüber nicht so fühlt, wie Sie das gern hätten, mag sein, daß er einfach eine stolze oder einsame Seele ist, die ihre Gefühle nicht zu zeigen vermag, es vielleicht nicht wagt, weil sie einmal verletzt worden ist. Es leben viele solcherart verletzte Menschen auf der Welt. Ich kann Ihren Mann nicht lossprechen, meine liebe Tochter, denn auch er kennt die Demut nicht. Zwei so stolze Menschen leiden bestimmt viel aneinander. In Ihnen steckt jetzt aber eine Gier, die fast sündhaft ist. Sie wollen einem Menschen die Seele entreißen. Das wollen die Verliebten immer. Aber es ist eine Sünde.«
    »Ich habe nicht gewußt, daß es eine Sünde ist«, sagte ich, und wie ich dort kniete, überkamen mich kalte Schauer.
    »Es ist immer eine Sünde, wenn wir uns nicht mit dem begnügen, was uns die Welt von sich aus gibt, oder mit dem, was ein Mensch uns freiwillig bietet, es ist immer eine Sünde, wenn wir mit gieriger Hand nach dem Geheimnis eines anderen Menschen greifen. Warum können Sie nicht bescheidener leben? Mit weniger emotionalen Ansprüchen? Die Liebe, die wahre Liebe, ist geduldig, meine Tochter. Die Liebe ist unendlich und kann warten. Ihr Ansinnen ist ein unmögliches, unmenschliches Unterfangen. Sie wollen Ihren Mann erobern … Nachdem doch Gott Ihre irdischen Angelegenheiten bereits geordnet hat. Begreifen Sie das nicht?«
    »Ich leide viel, Hochwürden«, sagte ich und war den Tränen nahe.
    »Dann leiden Sie eben«, sagte er stumpf und beinahe gleichgültig.
    »Warum haben Sie vor dem Leiden Angst?« fragte er kurz darauf. »Es ist eine Flamme, die

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