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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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wollte. Sie, die Männer, nennen das Kultur. Wir Frauen sollten vielleicht nicht so großartige Wörter gebrauchen, es genügt zu schweigen, wenn sie in lateinischen Begriffen zu uns reden. Wir kennen das Wesentliche. Sie kennen die Begriffe. Das ist oft nicht dasselbe.
    Also, die Brieftasche aus Krokodilleder. Auch die hat er aufbewahrt. Weil sie schön war, edles Material, und weil er sie von mir bekommen hatte. Als die Naht aufzugehen begann, ließ er sie reparieren. Er war pedantisch, ja. Einmal hat er lachend gesagt, er sei der wahre Abenteurer, denn auch das Abenteuer sei nur ausführbar, wenn darum herum Ordnung herrsche, kreative Sorgfalt … Du staunst? Ja, auch ich habe oft gestaunt, wenn er so etwas sagte. Es ist sehr schwer mit einem Mann, Liebes, denn er hat eine Seele.
    Möchtest du eine Zigarette? … Ich muß mir eine anzünden, ich bin aufgeregt. Jetzt, da mir das violette Band eingefallen ist, spüre ich wieder diese Erregung.
    Wie gesagt, an dem Tag war etwas in seiner Stimme. Er rief sonst nicht wegen solcher Kleinigkeiten an. Ich sagte, ich würde sie am Mittag in die Fabrik bringen, wenn ihm das recht sei. Aber er dankte und wies das Angebot zurück. Ich solle die Brieftasche in einen Umschlag stecken, und er würde gleich den Bürodiener vorbeischicken.
    Da habe ich mir eben die Brieftasche angeschaut, jedes Fach durchsucht. Ich tat so etwas zum erstenmal. Ich schaute sie mir gründlich an, kannst du dir ja denken.
    Im äußeren Fach war Geld, dann der Mitgliedsausweis der Handelskammer, acht Briefmarken zu zehn Fillér und fünf zu zwanzig Fillér, der Führerschein und ein mit Photo versehener Ausweis für die Margareteninsel. Das Photo war etwa zehn Jahre zuvor entstanden, kurz nach dem Haareschneiden, wenn die Männer so lächerlich jung aussehen, so, als seien sie gerade durch das Abitur gefallen. Dann ein paar Visitenkarten, nur mit seinem Namen, ohne Wappen oder Titel. Darauf legte er Wert. Er gestattete es auch nicht, daß ich seine Wäsche oder das Silber mit der Adelskrone versehen ließ. Er verachtete solche Dinge nicht, verbarg sie aber sorglich vor der Welt. Er sagte, ein Mensch habe nur eine einzige Art von Rang, nämlich seinen Charakter. Er redete manchmal so stolz daher.
    In den äußeren Fächern der Brieftasche fand ich also nichts Ungewöhnliches. Es herrschte Ordnung, so wie in seinem Leben, in seinen Schubladen, Schränken und Aufzeichnungen. Ordnung um ihn herum, Ordnung in seiner Brieftasche. Vielleicht war nur gerade in seiner Seele nicht alles so ordentlich und harmonisch, weißt du … Anscheinend verbirgt man mit der äußeren Ordnung, daß innen etwas unordentlich ist. Doch für solche weisen Überlegungen hatte ich keine Zeit. Ich wühlte in der Brieftasche wie ein Maulwurf in der lockeren Erde.
    Im inneren Fach fand ich eine Photographie des Kindes. Auf dem Bild war der Kleine acht Stunden alt. Er hatte dichte Haare, und er wog drei Kilo achthundert Gramm, und er hatte die kleinen Fäuste erhoben und schlief … Da hat man ihn photographiert. Wie lange tut das noch weh, sag? Solange man lebt? … Ja, wahrscheinlich schon.
    Dieses Photo fand ich im inneren Fach. Und das violette Band.
    Ich nahm es in die Hand, betastete es, und natürlich roch ich daran.
    Es roch nach nichts. Es war ein altes Band, dunkelviolett. Höchstens roch es nach Krokodilleder. Vier Zentimeter lang – ich habe es gemessen – und einen Zentimeter breit. Sorgfältig mit der Schere abgeschnitten.
    Ich mußte mich vor Schreck hinsetzen.
    So saß ich da, mit dem violetten Band in der Hand, immer noch fest entschlossen, meinen Mann zu erobern, so wie Napoleon England erobern wollte. Ich war so verstört, als hätte ich in den Mittagsblättern gelesen, mein Mann sei in der Gegend von Rákosszentmihály von den Gendarmen festgenommen worden, da sich herausgestellt habe, daß er ein Raubmörder war. Oder wie sich die Frau des Unholds von Düsseldorf gefühlt haben muß, als sie eines Abends erfuhr, ihr Mann, dieser wackere Familienvater und pünktliche Steuerzahler, sei verhaftet worden, weil er jedesmal, wenn er ein Bier trinken ging, unterwegs jemandem den Bauch aufschlitzte. Ungefähr so fühlte ich mich, als ich das violette Band entdeckte und in der Hand hielt.
    Ich sehe, du denkst, ich sei eine hysterische Gans. Nein, Liebes, ich bin eine Frau, also gleichzeitig Indianerin und Meisterdetektivin, Heilige und Spionin, alles miteinander, wenn es um den Mann geht, den ich liebe. Ich schäme mich

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