Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
um mich herum, und ich war der Mittelpunkt der Gesellschaft, man machte mir Komplimente, und alles, was ich sagte, hatte Erfolg. Eine unheimliche Sicherheit ging an dem Abend von mir aus. Ich hatte Erfolg, ja … Was ist Erfolg? Ein Willensakt offenbar, ein wahnwitziger Willensakt, der alle und alles bannt. Und der ganze Aufwand nur, weil ich wissen wollte, ob es eine Person gab, die an einem Kleid oder einem Hut ein violettes Band getragen hatte und meinem Mann vielleicht wichtiger war als ich …
Ich trank also keine Cocktails an dem Abend. Später, beim Abendessen, trank ich ein halbes Glas Champagner. Und doch benahm ich mich, als wäre ich beschwipst … aber auf eine so seltsame Art, weißt du, so nüchtern, so kalt beschwipst.
Wir warteten auf das Essen, und im Saal bildeten sich Gruppen wie auf einer Bühne. Mein Mann stand in der Tür zur Bibliothek und plauderte mit einem Pianisten. Hin und wieder spürte ich seinen Blick auf mir, ich wußte, daß er besorgt zu mir herüberblinzelte, daß er meinen Erfolg nicht verstand, diesen unerwarteten Erfolg, der ihn zwar freute, aber auch beunruhigte. Er blickte verwirrt herüber, und ich war stolz auf diese Verwirrung. Jetzt war ich meiner Sache sicher, ich wußte, daß dies mein Abend war.
Das sind die merkwürdigsten Augenblicke im Leben. Die Welt tut sich plötzlich auf, alle Augen ruhen auf dir. Ich wäre nicht überrascht gewesen, wenn ich Verehrer gefunden hätte. Weißt du, die Welt, jene andere, mondäne Welt, ist ganz und gar nicht mein Zuhause. Mein Mann hatte mich dort eingeführt, und ich litt stets an Lampenfieber und trat so vorsichtig auf wie auf dem Drehparkett im Vergnügungspark … Ich hatte dauernd Angst, auszurutschen und umzufallen. Es vergingen Jahre, und ich war in Gesellschaft noch immer zu höflich und zu aufmerksam oder zu gewollt natürlich … kurz, ich war verschreckt oder frostig oder direkt, bloß nicht so, wie ich wirklich bin. Jedenfalls völlig verkrampft. An dem Abend hingegen hatte sich der Krampf aufgelöst. Ich sah alles wie durch einen Nebel, die Lichter, die Gesichter der Menschen. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn man mir von Zeit zu Zeit applaudiert hätte.
Dann begann ich zu spüren, daß mich jemand fixierte. Ich drehte mich langsam um und suchte den Menschen, der diese elektrischen Strahlen fast wie eine Berührung nach mir aussandte. Es war Lázár, er stand neben einer Säule und sprach mit der Dame des Hauses, ließ mich aber nicht aus den Augen. Wir hatten uns lange nicht mehr gesehen.
Als die Diener die großen Spiegeltüren öffneten und wir wie im Theater in den mit Kirchenkerzen beleuchteten halbdunklen Speisesaal einzogen, trat er zu mir. »Was ist mit Ihnen?« fragte er fast ehrfürchtig und mit erstickter Stimme.
»Wieso?« fragte ich ein bißchen heiser und benommen von meinem Erfolg.
»Etwas geht mit Ihnen vor«, sagte er. »Ich schäme mich jetzt, daß wir Sie an jenem Abend mit dem billigen Ulk empfangen haben. Wissen Sie noch?«
»Ja«, sagte ich. »Sie brauchen sich nicht zu schämen. Große Männer spielen gern.«
»Sind Sie in jemanden verliebt?« fragte er ruhig und ernst, und er blickte mir direkt zwischen den Augen auf die Stirn.
»Ja«, sagte ich genauso ruhig und entschlossen. »In meinen Mann.«
Wir standen an der Schwelle zum Speisesaal. Er schaute mich von Kopf bis Fuß an. Und sagte leise und mit tiefem Mitgefühl: »Ach je.«
Dann reichte er mir den Arm und führte mich zu meinem Platz.
Bei Tisch war er einer meiner Nachbarn. Der andere war ein alter Graf, der wohl keine Ahnung hatte, wer ich war, und der mir während des Essens mit vorsintflutlichen Komplimenten den Hof machte. Links von Lázár saß die Frau eines berühmten Diplomaten, die nur Französisch sprach. Auch die Küche war französisch in diesem Haus.
Zwischen den französischen Wendungen des Gesprächs und den Gängen drehte sich Lázár einmal zu mir und sagte ganz leise, damit es niemand verstand, und so natürlich und unvermittelt, als wäre es die Fortsetzung einer schon die ganze Zeit dauernden Diskussion: »Und was haben Sie beschlossen?«
Ich beschäftigte mich gerade mit dem Geflügel und dem Kompott. Über den Teller gebeugt, Gabel und Messer in der Hand, antwortete ich lächelnd, als machte ich heiter und harmlos Konversation: »Ich habe beschlossen, ihn zu erobern und zu mir zurückzuholen.«
»Das ist unmöglich«, sagte er. »Er ist nie von Ihnen weggegangen. Deshalb ist es unmöglich. Man kann
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