Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
Brieftasche greift, soll er mein Bild dort suchen und nicht fremde violette Bänder. Nicht wahr? … Na siehst du. Das könnte man doch erwarten.
Ich brannte, so wie ein friedliches Einfamilienhaus, das mit einem achtlos weggeworfenen Streichholz angezündet wurde. Denn was hinter der Fassade unseres Lebens auch gewesen sein mag, das Ganze war doch immerhin eine feste Struktur, ein Gebäude, mit Räumen und Dachstock … In diesen Dachstock war das Streichholz gefallen, das violette Band.
Am jenem Mittag kam mein Mann nicht nach Hause. Am Abend waren wir eingeladen. Ich zog mich besonders sorgfältig an, wollte schön sein, auf Biegen und Brechen. Ich wählte eine Abendrobe aus weißer Seide, die wie ein Schwur war. Feierlich, würdig. Am Nachmittag saß ich zwei volle Stunden beim Friseur. Und gegen Abend ließ ich es mir nicht nehmen, noch in die Innenstadt zu fahren, in ein Modegeschäft, wo ich ein kleines violettes Gebinde kaufte, eine Art künstlichen Veilchenstrauß, so ein dummes kleines Ding, wie man es in jenem Jahr gern trug. Man steckte es in allerlei Varianten an die Kleider. Diesen kleinen Strauß, dessen Bänder genau die Farbe hatten wie das Band in der Brieftasche meines Mannes, steckte ich an den Ausschnitt des weißen Kleids. Und dann machte ich mich so sorgfältig zurecht wie eine Schauspielerin für die Galavorstellung. Als mein Mann nach Hause kam, stand ich schon in der Pelzstola da. Er zog sich hastig um, denn er war spät dran. Dieses eine Mal mußte ich auf ihn warten.
Im Wagen saßen wir schweigend nebeneinander. Ich sah, daß er müde war und an anderes dachte. Mein Herz klopfte, aber gleichzeitig war auch eine schreckliche, ernste Ruhe in mir, und ich wußte, daß dieser Abend über mein Leben entscheiden würde. Ich saß höflich neben ihm, mit meinem phantastisch hergerichteten Haar, meiner Blaufuchsstola, meinem weißen Seidenkleid, duftend und tödlich ruhig, den violetten Strauß am Ausschnitt. Das Haus, in dem wir erwartet wurden, war hochherrschaftlich, vor dem Portal stand ein Türhüter, in der Eingangshalle wurden wir von livrierten Dienern empfangen. Während mein Mann seinen Mantel auszog und ihn dem Diener reichte, erblickte er mich in einem Spiegel, und er lächelte.
An dem Abend war ich so schön, daß sogar er es bemerkte.
Er richtete vor dem Spiegel seine weiße Krawatte, mit einer zerstreuten, hastigen, etwas befangenen Geste, als störte ihn der Diener, der mit ernstem Ausdruck wartete; jedenfalls tat er es auf die Art, wie Männer, die nicht viel auf ihre Kleidung geben, dieses ewig verrutschende Frackzubehör zu richten pflegen. Er lächelte mir im Spiegel zu, sehr freundlich und höflich, als wollte er sagen: »Ja, ich weiß, du bist sehr schön. Vielleicht die Schönste. Nur hilft das leider nichts. Es geht um anderes.«
Aber er sagte nichts. Und ich zerbrach mir den Kopf, ob ich wohl schöner war als die andere, deren Band er aufbewahrte. Dann betraten wir den großen Saal, wo die Gäste schon versammelt waren, Berühmtheiten, Politiker, einige der ersten Männer des Landes, schöne Frauen, und alle sprachen miteinander, als wären sie verwandt, als wüßte jeder genau, worauf der andere mit seinen Andeutungen anspielte, als wären alle eingeweiht – in was? … Nun, in jenes feine, verdorbene und erregende, ungute und überhebliche, hoffnungslose, kalte Komplizentum, wie es die andere Welt, das Gesellschaftsleben, darstellt. Der Saal war groß, mit Säulen aus rotem Marmor. Zwischen den Gästen gingen Lakaien in Kniehosen und weißen Strümpfen herum und boten auf Kristalltabletts den Cocktail an, ein giftbuntes starkes Gemisch. Ich nippte nur daran, denn ich vertrage keinen starken Alkohol, mir beginnt sich gleich der Kopf zu drehen. Aber an dem Abend brauchte ich sowieso kein Rauschmittel. Ich spürte eine grundlose, lächerliche und kindische Spannung, als hätte mich das Schicksal für eine schwere Aufgabe ausersehen, als würden an dem Abend alle mich, nur mich beobachten, all die schönen und interessanten Frauen, die berühmten, mächtigen, klugen Männer … Ich kicherte, ich war zu allen sehr freundlich, so wie zu früherer Zeit die Erzherzoginnen in gepuderter Perücke, die ihren Cercle hielten. Und tatsächlich war an dem Abend von mir die Rede … ein so starkes Lebensgefühl strahlt unwiderstehlich auf die anderen aus und läßt niemanden gleichgültig. Auf einmal sah ich mich, wie ich dort zwischen den Marmorsäulen stand, Frauen und Männer
Weitere Kostenlose Bücher