Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
jemanden zurückbringen, der untreu gewesen ist. Wer aber nie wirklich und endgültig angekommen ist … Nein, unmöglich.«
»Warum hat er mich dann geheiratet?« fragte ich.
»Weil er sonst zugrunde gegangen wäre.«
»Woran?«
»An einem Gefühl, das stärker war als er. Und seiner nicht würdig.«
»An dem Gefühl«, sagte ich ruhig und so, daß es niemand hören konnte, »das er für die Frau mit dem violetten Band empfand?«
»Sie wissen davon?« fragte er und schaute rasch und nervös auf.
»Ich weiß nur so viel, wie ich wissen muß«, sagte ich ehrlich.
»Wer hat Ihnen davon erzählt? Péter? …«
»Nein«, sagte ich. »Aber von dem, den man liebt, weiß man alles.«
»Das stimmt«, sagte er ernst.
»Und Sie«, fragte ich und staunte, daß meine Stimme nicht zitterte. »Kennen Sie die Frau mit dem violetten Band?«
»Ich?« murmelte er und neigte seinen kahlen Kopf verdrossen über den Teller. »Ja, ich kenne sie.«
»Sehen Sie sie hin und wieder?«
»Selten. Fast nie.« Er starrte vor sich hin. »Ich habe sie schon sehr lange nicht mehr gesehen.«
Er begann mit seinen knochigen Fingern nervös auf das Tischtuch zu trommeln. Die Diplomatengattin fragte etwas auf französisch, und ich mußte mich mit dem alten Grafen abgeben, der aus unerfindlichen Gründen eine chinesische Parabel zu erzählen begann, für die ich in dem Moment nicht sehr empfänglich war.
Dann wurden Obst und Champagner gereicht. Nachdem ich den ersten Schluck der blaßrosa Flüssigkeit getrunken und der Graf mit viel Mühe und Not die Windungen der chinesischen Parabel hinter sich gebracht hatte, wandte sich Lázár wieder an mich: »Warum tragen Sie heute abend dieses violette Ding?«
»Es ist Ihnen aufgefallen?« fragte ich, während ich die Beeren von einer Traube zupfte.
»Gleich als Sie hereinkamen.«
»Was meinen Sie, ist es auch Péter aufgefallen?«
»Geben Sie acht«, sagte er ernst. »Es ist sehr gefährlich, was Sie da machen.«
Wir schauten gleichzeitig zu Péter, wie zwei Verschwörer. In dem großen Saal, im flackernden Kerzenlicht, in den gedämpften Worten, im Inhalt und noch mehr in der Stimmung unseres Gesprächs war etwas Unheimliches. Ich saß hoch aufgerichtet und reglos, blickte starr vor mich hin und lächelte, als unterhielten mich meine Nachbarn mit köstlichen Scherzen und interessanten Geschichten. Na ja, interessant war es schon, was ich da hörte, keine Frage. Ich habe weder zuvor noch danach in meinem Leben je etwas gehört, das mich mehr interessiert hätte als Lázárs Worte an dem Abend.
Als wir uns von der Tafel erhoben, kam Péter zu uns: »Du hast während des Essens viel gelacht«, sagte er. »Du bist aber blaß. Willst du nicht in den Garten hinaus?«
»Nein«, sagte ich. »Mir fehlt nichts. Die Beleuchtung ist schuld.«
»Kommen Sie«, sagte Lázár, »gehen wir in den Wintergarten. »Auch dort können wir eine Tasse Kaffee trinken.«
»Nehmt mich mit«, sagte Péter scherzend und unruhig. »Ich lache auch gern.«
»Nein«, sagte ich.
Und auch Lázár sagte: »Nein. Heute spielen wir anders. Wir spielen zu zweit, und du bist draußen. Geh zu deinen Gräfinnen.«
In dem Augenblick bemerkte mein Mann das violette Gebinde. Er blinzelte kurzsichtig, wie es seine Gewohnheit war, und beugte sich unwillkürlich zu mir, um genauer zu sehen. Aber Lázár nahm mich am Arm und führte mich weg.
Von der Schwelle des Wintergartens blickte ich zurück. Mein Mann stand noch in der Tür des Speisesaals, in dem Gedränge, wie es nach Tisch entsteht, und starrte uns kurzsichtig nach. Es waren so viel Trauer, Ratlosigkeit, ja, Verzweiflung in seinem Gesicht, daß ich stehenbleiben mußte. Ich dachte, mir breche das Herz. Vielleicht habe ich ihn nie so sehr geliebt wie in diesem Augenblick.
Und dann saßen Lázár und ich im Wintergarten … hast du noch nicht genug von meiner Geschichte? Sag es, wenn sie dir verleidet ist. Aber ich will dich nicht mehr lange damit behelligen. Weißt du, an jenem Abend geschah alles so rasch wie im Traum.
Im Wintergarten herrschte eine dunstige, duftende, schwüle Hitze wie im Tropenwald. Wir saßen unter einer Palme und sahen durch die offene Tür die glanzvoll erleuchteten Räume … Irgendwo weit weg, in einer Ecke des dritten Raums, spielte ein Orchester leise und gefühlvoll, und die Gäste tanzten. In einem anderen Zimmer spielte man Karten. Ein großer Abend, prunkvoll und seelenlos wie alles in jenem Haus.
Lázár rauchte schweigend und
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