Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss (German Edition)
entstand aber erst mehr als 200 Jahre später. Mit seinem Zeitgenossen Karl dem Großen tauschte Harun mehrmals Gesandtschaften aus, unter anderem schenkte er ihm einen indischen Elefanten, im ganzen Orient ein Zeichen von Macht, Wertschätzung und Reichtum. Auch mit China unter den Tang-Kaisern wurden Gesandtschaften getauscht, nur gegen Byzanz führte Harun mehrmals Krieg.
Unter Haruns Sohn Al Ma’mum erlebte Bagdad seit 813 den Beginn einer lang anhaltenden kulturellen Blütezeit. 830 gründete er das »Haus der Weisheit«, eine Akademie für die führenden Gelehrten der arabischen Welt. Sämtliche erreichbaren Schriften aus dem antiken Griechenland, von den Ärzten Hippokrates und Galen über die Philosophen Platon und Aristoteles bis zu den Mathematikern Euklid und Archimedes wurden hier gesammelt und übersetzt. Von hier aus gelangte das antike Wissen dann im Spätmittelalter und in der Renaissance durch Rückübersetzung aus dem Arabischen ins Lateinischewieder nach Europa. Ähnliche Akademien entstanden in Córdoba und Sevilla, um 1000 in Kairo und als seldschukische Neugründung 1067 die Medrese Nisamija des Seldschuken-Wesirs Nisam.
755/830
ARABISCHE ZAHLEN Das Rechnen mit den sogenannten arabischen Zahlen, das einzige Rechensystem, das sich weltweit durchgesetzt hat, verdankt die Welt dem arabischen Gelehrten Khwarizmi, arabisch Al-Chwarizmi (ca. 780–840). Er war einer der herausragenden Gelehrten Bagdads. Das Rechensystem und die Zahl Null (arabisch sifr ) waren durch den regen Handelsaustausch von Indien nach Bagdad gelangt, wo Al-Chwarizmi es in seinem Lehrbuch Über das Rechnen mit indischen Zahlen (825) in schlüssiger Weise so systematisch darstellte, dass es lange als seine Erfindung galt. Deshalb spricht man heute von den »arabischen Zahlen«.
Al-Chwarizmi gilt als »Vater der Algebra«, denn eines seiner weiteren Werke trägt den langen Titel Al kitab al muchtsar fi hisab al-jabr wa-l-muquabala (»Das umfassende Buch vom Rechnen durch Ergänzung und Ausgleich«). Es enthält 800 Beispiele dieser Rechenkunst. Im Hochmittelalter wurde es von Gerhard von Cremona (1114–1187) in Toledo ins Lateinische übersetzt und bis ins 17. Jahrhundert an den europäischen Universitäten als Grundlehrbuch der Mathematik verwendet. Der lateinische Titel lautet Ludus Algebrae Almucgrabalaeque .
PAPIER(-HERSTELLUNG) Während die Araber unter den Abbasiden-Kalifen nach Osten expandierten, dehnten die Tang-Kaiser gleichzeitig ihr chinesisches Reich nach Westen hin aus. 751 stießen die Armeen in Zentralasien, im landschaftlich schönen Flusstal des Talas am Fuße des Pamir-Gebirges zu einer Schlacht zusammen. Da die Araber die Oberhand behielten, liefen auf chinesischer Seite kämpfende Krieger aus Turkvölkern zu den Arabern über.
Trotz des etwas abgelegenen Schauplatzes im heutigen Kirgistan hatte die Schlacht zwei kulturgeschichtlich sehr bedeutsame Konsequenzen: In der Folge nahmen die Turkvölker den islamischen Glauben an. Seither sind die Turkvölker Zentralasiens und somit auch die später nach Anatolien vorgestoßenen »Türken« muslimisch. China dehnte sich seither auch nie mehr weiter nach Westen aus.
Außerdem verbreitete sich durch chinesische Kriegsgefangene und in Samarkand ansässige Handwerker die bereits jahrhundertealte chinesische Erfindung der Papierherstellung. In Bagdad wurde eine Papiermühle errichtet. Rund 100 Papierhändler betrieben alsbald ihre Geschäfte in einem eigenenSuk. Diese kann man sich als frühe Form von Verlagen vorstellen, denn manche Händler waren Schriftsteller und Gelehrte aus dem Haus der Weisheit.
Der Wert von Papier erhöht sich eben, wenn es beschrieben oder bedruckt wird: als Buch, besser noch als Banknote. Auf die Idee mit dem Papiergeld waren die Chinesen auch bereits gekommen, sie hat sich aber erst später durchgesetzt.
Was danach geschah : Die Abbasiden herrschten über ein riesiges Weltreich vom Indus bis zum Atlantik, mit Iran, Irak, Syrien, Palästina, Ägypten und Nordafrika bis Marokko. Es war das einzige Weltreich seiner Zeit neben dem byzantinischen und das sehr viel dynamischere. In der Zeit Haruns und seiner unmittelbaren Nachfolger gab es einen Wirtschafts-, Handels-, Bank- und Bauboom ohnegleichen. Die Verstädterung nahm zu, gleichzeitig wurde die Landwirtschaft durch den Ausbau der Bewässerungssysteme enorm intensiviert und durch den Anbau besonders rentierlicher Produkte wie Baumwolle, Zuckerrohr und Orangen
Weitere Kostenlose Bücher