War da noch was - Roman
zurückhaltend sein wollen, so gefasst. Hatte zur Abwechslung einmal Vorsicht walten lassen wollen. Ich seufzte. Nun ja.
Maggie kam zu mir.
»Blöde Kuh«, zischte sie mir ins Ohr. »Was ist das?« Sie deutete mit dem Kopf auf meinen Jagdhocker. »Ein Sitz.« Ich klappte ihn auf. »Man kann sich mit dem Hintern darauf abstützen, während man bewundernd hinter seinem Mann steht.«
»Gut, den nehme ich«, sagte sie und schnappte sich den Hocker. »Wenn ich schon die Rolle eines unterwürfigen Anhängsels spielen muss, dann will ich es wenigstens einigermaßen bequem dabei haben.« Ich holte mir den Hocker zurück und kichernd verstrickten wir uns in ein kindisches Handgemenge.
»Benimm dich, Maggie.«
»Erzähl du mir nicht, wie ich mich zu benehmen habe. Du bist doch diejenige, die diesen sexy Typen Hal Forbes anschmachtet. Ich kann mir überhaupt nicht erklären, warum sich den bisher noch keine gekrallt hat.«
»Weißt du, Maggie …«Ich senkte die Stimme, um mich ihr anzuvertrauen, ihr alles zu erzählen, denn bevor wir unsere Geheimnisse nicht mit unseren Freundinnen geteilt haben, fehlt ihnen doch eine gewisse Dimension. Aber plötzlich packte sie mich am Arm.
»Sieh mal – ist das nicht das Mädchen, das wir neulich im Dorf getroffen haben? Da, bei Seffy?«
Mein Lachen löste sich in Luft auf und mein aufgeregtes Mitteilungsbedürfnis gleich mit, als mein Blick ihrem folgte. Ein paar Meter entfernt standen Cassie und Seffy. Sie steckten die Köpfe zusammen und sprachen leise miteinander. Sie waren offenbar gerade hinten von einem der röhrenden Quads gestiegen.
»Das ist sie doch, oder?«, wiederholte Maggie. »Die ist ja echt hübsch. Ach, mach doch nicht so ein Gesicht, Hattie. Du klammerst viel zu sehr. Lass los, Himmel noch mal. Durchtrenn die Nabelschnur. Wie heißt sie noch mal?«
»Cassie. Cassie Forbes.«
Sie blickte auf, als sie ihren Namen hörte. Lächelte mir schüchtern zu.
»Cassie.« Ich rang mir ein gezwungenes Lächeln ab. »Ich dachte, du könntest dieses Wochenende nicht nach Hause.« Es klang furchtbar. Anklagend. Ich spürte Seffys Blick auf mir.
»Na ja, manchmal dürfen wir für den Tag raus, wenn wir nicht in einer Mannschaft sind, und ich bin in keiner, also …« Sie redete nicht weiter und errötete ein wenig.
Ich plapperte wild drauflos: »Ach egal — jedenfalls, wie schön! Ja, wie nett, dass du dabeisein kannst. Ist deine Mummy auch hier?«
Mummy. Wie bescheuert hörte sich dieser plumpe Versuch von Vertrautheit an. Und nein, natürlich war sie nicht da. Sie schlief, wie ich sehr wohl wusste, den Mega-Kater des Jahrhunderts aus. Also errötete Cassie noch mehr.
»Äh, nein – sie hat heute zu viel zu tun.«
Seffys Blick war jetzt kalt angesichts dessen, was er als Gemeinheit gegenüber seiner Freundin empfinden musste. Eine Freundin oder seine Freundin, überlegte ich mit klopfendem Herzen.
»Willst du mir zuschauen, Hattie?«, rief Biba, die toll aussah in ihrer Jeans und einer alten Reitjacke, die sie bis zu den Ellbogen hochgekrempelt hatte. »Daddy lässt mich mit der 20er-Flinte schießen.«
»Unter meiner strengen Aufsicht«, warnte Hugh und schob sie weiter. »Komm jetzt, Biba, such dir deinen Platz und hör mit der Angeberei auf.«
Die Leute verteilten sich in dem breiten, sonnenbeschienenen Tal, um ihre Positionen gegenüber dem sanft ansteigenden Birkenwäldchen einzunehmen. Meine neue Freundin Imogen tauchte neben mir auf.
»Sollen wir bei Hal bleiben? Er ist ein unheimlich guter Jäger.«
Sie hielt an jeder Hand einen wohlerzogenen, schwarzen Labrador an der Leine, und ich fragte mich, ob die Farbe wohl vorgeschrieben war. Nein, dort drüben war noch einer mit hellem Fell.
»Äh, ja, warum nicht?«, nuschelte ich abwesend.
Maggie hatte sich bereits mitsamt meinem Jagdhocker den Hügel hinauf davongemacht. Ich konnte nicht richtig
erkennen, welchem Tweedrücken sie hinterherlief, aber es war mir auch ziemlich egal. Ich musste an Seffy und Cassie denken. Während wir über das knirschende Herbstlaub marschierten, plapperte Imogen neben mir auf eine wunderbar vertrauliche Weise munter drauflos und erzählte von ihren Kindern, wie Frauen das eben so tun: Gemeinsamkeiten finden. Die eine machte ein Auslandsjahr nach der Schule, der andere war schon an der Uni, und der älteste Sohn hatte einen Job als Banker in London. Sie wirkte auf mich gar nicht alt genug, um so erwachsene Kinder zu haben, aber vielleicht hatte sie jung geheiratet. Wie jung?
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