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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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Luca die Beute aufsammeln sollte. Nicht gerade eine besonders passende Wahl, aber
ihr Vater war allzu beschäftigt und ganz darauf konzentriert gewesen, seinen Jagdtag zu organisieren. Ich war dabei gewesen, wie Daisy den Mund aufgemacht hatte, um zu protestieren, woraufhin Hugh nur meinte: »Geh einfach, Daisy.« Verärgert darüber, dass sie sich nicht freute, ihren Stiefbruder begleiten zu können. Vielleicht hatte er den Zwischenfall mit ihrem Huhn auch einfach vergessen.
    Ich sah zu, wie Daisy missmutig mit den Händen in den Hosentaschen loszog, um eine Waldschnepfe aufzusammeln, die er geschossen hatte. Es war ein hervorragender Schuss gewesen — Schnepfen sind sehr klein — und diese war hoch geflogen. Er wandte sich zu Daisy um mit einem ungekünstelt jungenhaften Ausdruck des Vergnügens im Gesicht. Sie warf ihm einen bösen Blick zu, und sofort erstarrte sein Gesicht wieder zu einer Maske. Er drehte sich zurück, um weiter auf den Himmel zu zielen.
    Hinter Luca, ganz oben auf der Hügelkuppe konnte ich gerade noch Ralph de Granville erkennen, dunkel und schnittig sah er aus. Ein ganzes Grüppchen von Bewunderern hatte sich hinter ihm versammelt, wo sie auf ihren Jagdhockern lehnten. Ich konnte nicht genau erkennen, wer es war, aber er zog immer viele Leute an. Seffy, an Position sieben, war dann gerade über den Hügel hinweg außer Sichtweite, mit Dad. Der gute, verlässliche — vertraute — Dad. Tränen juckten in meinen Augen. Lächerlich. Warum denn so emotional, Hattie? Ich blinzelte sie zurück. Zwang mich dazu, mich auf Ralph zu konzentrieren, dessen Silhouette in dem dunstig-goldenen Licht wie eine alte, retuschierte Jagdszene auf einem Bild wirkte. Der Lauf seiner Flinte schwang herum, er zielte, und ein Fasan fiel in einer rot-braunen Kaskade zu Boden.
Er schien ein guter Schütze zu sein. Hugh wäre zufrieden. Er wollte, dass seine Gäste sich amüsierten, und auch ich versuchte mich an dem Vergnügen der anderen zu erfreuen. Aber woher kamen dann die Nagelabdrücke in meiner Handfläche? Ziemlich tief? Ich lockerte die Fäuste. Atmete langsam ein und aus; der Duft des Herbstes stieg mir in die Nase.
    »Soll ich für dich aufsammeln?«, rief ich Hal mit aufgesetzter Fröhlichkeit zu.
    Er kannte mich gut. Drehte sich zu mir um und hob fragend die Augenbrauen.
    »Willst du denn aufsammeln?«
    »Nicht wirklich«, murmelte ich dankbar.
    Er lachte. Dann drehte er sich wieder um und vollführte ein eindrucksvolles Kunststück, bei dem er über der struppigen Linie der kahlen Baumwipfel, die mit ihren dunklen Ästen wie Hexenbesen in die Luft ragten, erst eine Fasan-Henne, dann einen Fasan erlegte. Ich hatte vor Jahren einmal aufgesammelt: Bei meiner ersten Jagd hier war ich eifrig zu Laura gelaufen, die bei Hugh stand, um ihr zu helfen. Ich hatte gesehen, wie sie die Vögel geschickt vom Boden aufhob und dabei zwei Finger um ihre farbenfrohen Hälse legte, und beeilte mich, ihrem Beispiel nachzukommen. Aber dann hatte ich mein Tier kreischend fallen gelassen.
    »Der ist ja noch warm!«, keuchte ich entsetzt.
    »Natürlich ist er noch warm. Er hat doch vor zwei Sekunden noch gelebt.«
    »Und – igitt – ich glaube, er hat sich bewegt. Ich kann das nicht, Laura.« Mir war übel.
    »Dann lass es bleiben«, sagte sie ruhig und kam zu mir herüber, um das Tier selbst aufzuheben. Voller Staunen blickte ich auf meine Schwester, das Supermodel, wie sie
da in ihrer engen Jeans abmarschierte, die Hände voller toter Tiere.
    »Alles nur Übung«, hatte sie grinsend zu mir gesagt und dann hinzugefügt. »Wie so viele schwierige Dinge im Leben.«
    Damals hatte ich gewusst, dass sie Luca meinte: Sie übte, ihn zu mögen. Und Carla ebenso, die ihr damals das Leben schwer machte. Ich wusste, dass sie meinte, man könnte sich an alles gewöhnen, wenn man sich nur richtig Mühe gab. Sich zusammenriss. Sich benahm. Sich selbst überwand. Ich schaute auf die struppigen Baumwipfel und wusste, dass es stimmte. Dass man sich etwas, was man wollte, so lange einreden konnte, bis es schließlich wahr wurde. Dass ein kleiner Fleck einer Unstimmigkeit, die man selbst übertüncht hatte, sich zu einem großen Tintenfleck ausbreiten konnte, der das ganze Leben beeinflusste. Und manchmal war das ein guter Fleck, aber manchmal war er auch hässlich.
    Ich biss die Zähne zusammen und versuchte, mich aus meiner Niedergeschlagenheit zu lösen, die nicht gut war, das war mir klar. Ich konzentrierte mich auf Hals Rücken, auf den

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