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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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Wochen auflösten, als würde man den Faden am Ausschnitt eines Pullis ziehen. Mein Mund wurde trocken, und ich wandte mich um und ging schnell davon. Dabei horchte ich auf den Klang meiner Absätze, wie sie die Treppe zur U-Bahn hinabklippklapperten, und hielt mich an der Bewegung fest.
    Am Sloane Square nahm ich mir ein Taxi, ein Luxus, den ich mir jetzt leisten konnte. Ich ließ mich auf die
schwarzen Polster sinken und holte die Unterlagen zu 26 Maidwell Avenue aus meiner Tasche. Ich las sie, als würde ich für meine Abschlussprüfung lernen, und ließ die Hochglanzfotos auf mich wirken. Dieses herrliche Wohnzimmer im ersten Stock und so wunderbar viel Platz in den oberen Stockwerken: dieser lange Dachgeschossraum, der sich über die ganze Länge des Hauses erstreckte und den ich bereits für einen Billardtisch für Seffy vorgesehen hatte, dazu noch ein Surround-Sound-System und einen großen Flachbildschirm an einer Wand. All die coolen Spielsachen, die seine Freunde hatten und wir nicht. Dort oben konnte er abends mit Hal sein. Konnte Hal Billard spielen? Ich war mir nicht sicher, aber der nächste Filmabschnitt in meinem Kopf zeigte einen breiten Rücken in einem Pub in Fulham, wo ich jemand anders spielen gesehen hatte. Ein gebräunter Arm, der sich mit dem Queue ausstreckte, ein heiseres Lachen, das erklang, als er mit unsäglich viel Glück die schwarze Kugel einlochte.
    Atmen, Hattie, ganz ruhig atmen. Das tat ich mit großer Konzentration, während meine Hände die Unterlagen umklammerten, als hinge mein Leben davon ab. Das Taxi fuhr ungerührt weiter. An der Feuerwache vorbei, dann an World’s End , nicht nach Hause, sondern zu Maggie. Um mit ihr über den neuen Laden zu reden. Um zu hören, wie sie kreischte und in die Luft sprang und rief: »Oh, ja, ja ! Gott, dieser Mann ist einfach genial, Hattie, und ganz klar Chelsea Green und nicht Pimlico. Das hat zu viel aus den Neunzigern, findest du nicht? Zu viele alternde Schwuchteln. Oder vielleicht sogar Chelsea Harbour, was meinst du?«
    Und ich würde mich von ihrer Begeisterung anstecken lassen, Pläne schmieden, mit Maklern telefonieren und
überlegen, ob wir den Laden in der Munster Road schon zum Verkauf anbieten sollten. Wir würden nie mehr über Müllsäcke steigen, nie mehr würden Obdachlose in unserem Eingang schlafen — oder höchstens eine bessere Klasse von Obdachlosen. Und dann brummte mein Handy in der Tasche, weil ich eine SMS bekommen hatte. Noch nie hatte ich so fieberhaft danach gesucht, noch nie hatten meine Finger das Display so schnell zurückgeschoben, um die Nachricht zu empfangen. Ich überflog sie rasch.
    Sie lautete: »Wie ist Nr. 26? Hat’s dir gefallen? Hx«
    Ich starrte sie an und wurde von tiefster Enttäuschung erschüttert.
    »Ich liebe es«, schrieb ich zurück.
    Ich legte das Handy vorsichtig in meine Tasche zurück und faltete die Hände darüber. Nach einer Weile fischte ich es wieder heraus und fügte hinzu: »Und dich liebe ich auch.«
    Dann drehte ich den Kopf zur Seite und schaute aus dem Fenster.
     
    Als wir über die Geschwindigkeitsbegrenzungs-Schwellen auf der Munster Road krochen, konnte ich sehen, dass der Laden wie erwartet geschlossen war. Es war nach fünf, und in der Woche machten wir immer pünktlich Schluss, vor allem um diese Jahrezeit, in der das Geschäft schleppend lief. Die Farbe an der Tür und entlang der Schaufenster blätterte ein wenig ab, bemerkte ich. Das musste gemacht werden. Aber es war sinnlos, wenn wir ohnehin verkauften; ein anderer würde vielleicht eine völlig andere Farbe wählen. Ein einzelner Louis-Quinze-Sessel thronte im Fenster auf einem Perserteppich, Zeuge unseres »Weniger ist mehr«-Stils; darüber hing noch
ein Pariser Kronleuchter, das war’s. Geschmackvoll, teuer, minimalistisch, obwohl er fast etwas verloren wirkte, fand ich, dieser leere Sessel in einem etwas heruntergekommenen Schaufenster, unbeleuchtet und nach Ladenschluss. Ein bisschen müde. Aber der abgewrackte Zeitschriftenladen nebenan trug auch nicht gerade zu einem besseren Bild bei, ebensowenig der herumfliegende Müll. Plötzlich hatte ich ein Bild vor Augen, wie Maggie und ich morgens gemeinsam beim Laden ankamen, etwas zu jung gekleidet, wie es die Frauen in London oft sind, und auch zu dünn, noch immer in engen Jeans und Jäckchen und glänzenden Stiefeln; doch bevor wir den Schlüssel ins Schloss steckten, drehten wir uns in die Kamera, wo unsere Gesichter faltig und bleich und im harten

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