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Waren Sie auch bei der Krönung?

Waren Sie auch bei der Krönung?

Titel: Waren Sie auch bei der Krönung? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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alle da.
    Er hatte den einfachen, aber vernünftigen Gedanken, einen Polizisten nach einem Autobus zu fragen. Er zeigte ihm die Billets, die der Beamte mit Respekt und Bewunderung begutachtete. Dem Polizisten zufolge war die Sache höchst simpel: der Autobus Nr. 73 — der dort, gerade gegenüber — würde sie an ihr Ziel bringen; er fahre durch Tottenham Court Road zur Oxford Street und von dort durch Park Lane nach Hyde Park Corner. Er war nicht ganz sicher, ob die Autobusse noch durch jenen Stadtteil führen, aber selbst wenn sie ein Stück zu Fuß gehen müßten, wäre es kein weiter Weg. Auf jeden Fall gäbe es dort genug Polizeibeamte, die ihnen den Weg zu ihrem Ziel weisen könnten.
    Ungeachtet des Sprühregens und der Nässe erfüllte der erste Anblick von London an jenem Morgen alle ihre Erwartungen. Als sie durch Oxford Street fuhren, gab es «Oh!»- und «Ah!»-Rufe, und «Schau mal!» und «Vati, siehst du das?» oder «Mutti, ist das nicht herrlich?», als sie durch blaue und goldene Triumphbogen rollten, auf deren höchstem Punkt das königliche Wappen zu sehen war, oder wenn sie an den Fassaden von Kaufhäusern vorbeikamen, die von oben bis unten mit rotem, weißem und blauem Fahnenstoff und mit farbigen Wimpeln und Bannern drapiert oder mit reichen, wappengeschmückten Fahnen dekoriert waren.
    Es hätte die Mühe einer langen Reise gelohnt, nur um das Kaufhaus Selfridge in seinem Festschmuck von Fahnen und Wappen zu sehen. Die menschendurchwogten Straßen allein waren eine Sehenswürdigkeit. Während der Fahrt durch Park Lane wurde der Autobus einige Male durch den endlosen Menschenstrom zum Stillstand gebracht, der sich vor dem Schließen der Tore in der Richtung von Hyde Park Corner bewegte. Wenn der Autobus anhielt, waren das Summen von tausendfachen leisen Gesprächen und die Schritte der Menschen vernehmbar, denn das Zentrum von London war an diesem Tag eine stille Stadt.
    Das Fahrzeug, in dem sie saßen, war eines der letzten, die noch in die Nähe von Wellington Place Vordringen durften. Es hielt beim St. Georgs-Spital an der Ecke von Knightsbridge an. Der Autobusschaffner, der auf das Reiseziel der Familie Clagg aufmerksam gemacht worden war, berührte Will an der Schulter und sagte: «Hier steigen Sie aus, Sir. Sie müssen längs dem Spital weitergehen, wenn Sie dort durchkommen, und dann sind Sie auch schon beim Wellington Crescent.» Er fügte hinzu: «Dort sollten Sie alles gut sehen können.»
    Sie stiegen aus und wurden sofort von einem wild bewegten Menschenmeer verschlungen. Clagg begriff jetzt, was der Schaffner mit den Worten «Wenn Sie dort durchkommen!» gemeint hatte. Denn hier gab es Tausende und aber Tausende von Menschen, die sich über den großen Platz drängten, einander schoben, vorwärts preßten, sich zwischen andern hindurchzwängten; die einen versuchten, die Tribünen zu erreichen, die andern bemühten sich, zu den vorderen Reihen des dichten Menschenspaliers durchzukommen, das bereits Kopf an Kopf die Prozessionsroute säumte, die durch Seile abgesperrt war und von der Polizei freigehalten wurde. Ein jeder war vom Krönungsfieber erfaßt. Gerade das Gedränge der Menschenmassen und ihre frohe Stimmung gaben den Claggs das Gefühl, daß dies das aufregendste Erlebnis war, das sie je gehabt hatten. Zu diesem Zweck waren sie nach London gekommen, und jetzt gehörten auch sie dazu.
    Während sie sich jedoch — manchmal fast erfolglos — bemühten,' sich in der vom Autobusschaffner angegebenen Richtung einen Weg durch die Menge zu bahnen, beobachteten sie mit noch größerer Faszination, welche magische Wirkung die Karten ausübten, die Will Clagg, an der Spitze gehend, in der Hand hielt.
    «Karten? Bitte hierher, Sir! Wellington Crescent? Dort drüben, Sir. Platz machen, bitte, laßt diese Leute durch. Sie haben Karten.»
    Es gab innerhalb der Ketten von Polizisten andere Ketten von Polizisten und gesperrte Fahrbahnen und Stellen, wo der Zugang untersagt war, und andere, die mit Tafeln gekennzeichnet waren: «Eintritt nur mit Karten gestattet.» Die talismanartigen Billetts in Claggs Hand öffneten ihnen jede sichtbare und unsichtbare Schranke. Keiner von ihnen hatte je in seinem Leben eine Sonderstellung eingenommen oder besonderen Respekt genossen. Wenn man irgendwo Schlange stand, reihten sie sich eben ein; wenn es irgendwo «Kein Eintritt!» geheißen hatte, waren sie draußen geblieben. Hier aber gehörten sie zu den Privilegierten. Diese Tatsache stieg ihnen

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