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Warm Bodies

Warm Bodies

Titel: Warm Bodies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Marion
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geheult. Von meinen traurigen MP3s war nachher praktisch nichts mehr übrig.« Langsam wiegt sie den Kopf hin und her, ihr Blick in weiter Ferne. »Es ist einfach … manchmal finde ich alles so schwer . Als das mit Perry passiert ist, wäre ich liebend gern mehr … wie du gewesen.«
    Ich betrachte sie genau. Sie fährt sich durchs Haar und wickelt sich eine Strähne um den Finger. Mir fallen die Narben an ihren Handgelenken und ihren Unterarmen auf, dünne Linien, die zu symmetrisch sind, als dass sie von einem Unfall stammen könnten. Sie blinzelt und schaut mich auf einmal an, als ob ich sie gerade aus einem Traum geholt hätte. »Keine Ahnung, warum ich dir das erzähle«, sagt sie ärgerlich. »Egal, für heute ist die Fahrstunde vorbei. Ich bin müde.«
    Kommentarlos fahre ich uns nach Hause und bremse schon wieder zu spät. Als der Motor ausgeht, steckt unsere Stoßstange fünf Zentimeter tief im Kühlergrill eines MX-5. Julie seufzt.
     
    Später am Abend hocken wir im Schneidersitz im Mittelgang der 747. Vor Julie steht ein Teller mit Phad Thai, das gerade aus der Mikrowelle kommt und abkühlt. Schweigend sehe ich zu, wie sie darin herumstochert. Selbst wenn sie nichts tut und nichts sagt, finde ich sie unterhaltsam. Sie neigt den Kopf, lässt den Blick schweifen, bewegt sich sachte. Was sie denkt, ist ein Film auf der Leinwand ihres Gesichts.
    »Es ist zu still hier drinnen«, sagt sie und steht auf. Sie kramt in meinem Plattenstapel. »Was soll das ganze Vinyl? Hast du nicht rausgekriegt, wie ein iPod funktioniert?«
    »Klingt … besser.«
    Sie lacht. »Oh, ein Purist, ja?«
    Ich lasse einen Finger kreisen. »Echter. Mehr … Leben.«
    Sie nickt. »Ja, stimmt. Aber auch mehr Ärger.« Sie überfliegt die Stapel und legt die Stirn in Falten. »Hier drin gibt es nichts Neueres als …1999. Bist du da gestorben?«
    Einen Augenblick lang denke ich nach, dann zucke ich die Achseln. Schon möglich, aber in Wahrheit habe ich keine Ahnung, wann ich gestorben bin. Vielleicht könnte man versuchen, von meinem Verwesungszustand auf mein Todesdatum zu schließen, aber nicht alle von uns verwesen gleich schnell. Einige von uns bleiben jahrelang frisch wie aus der Leichenhalle, andere dorren binnen Monaten bis auf die Knochen aus. Ich weiß nicht, woher diese Ungerechtigkeit rührt. Vielleicht folgen die Körper den Köpfen. Einige geben sich leichthin auf, andere halten beharrlich an sich fest.
    Und dann gibt es da noch eine andere Schwierigkeit, wenn ich mein Alter schätzen soll: Ich habe nicht den blassesten Schimmer, welches Jahr wir haben. 1999, das könnte vor zehn Jahren gewesen sein oder gestern. Man könnte versuchen, die zerbröckelnden Straßen, die eingestürzten Gebäude, die zerfallene Infrastruktur zu lesen wie eine Uhr, doch jeder Teil der Welt verfällt in seinem eigenen Tempo. Es gibt Städte, die man mit den Ruinen der Azteken verwechseln könnte, und es gibt Städte, die erst vor einer Woche verlassen wurden, wo die Fernseher noch wach sind und die ganze Nacht lang statisch rauschen und die Omeletts in den Cafés eben erst zu schimmeln angefangen haben.
    Was der Welt zugestoßen ist, ist ihr schrittweise zugestoßen. Ich habe vergessen, was es eigentlich war, aber ich habe schwache, fötale Erinnerungen daran, wie es war. Das schwelende Grauen, das nie wirklich Feuer fing, bis kaum noch etwas übrig war, das hätte brennen können. Für unswar jeder Schritt eine neue Überraschung. Eines Tages wachten wir dann auf, und alles war weg.
    »Da haben wir es wieder«, sagt Julie. »Du driftest ab. Ich wüsste ja zu gerne, was du denkst, wenn dein Blick so in die Ferne wandert.« Ich zucke mit den Schultern, und sie schnaubt gereizt. »Und schon wieder – Schulterzucken. Hör auf mit den Schultern zu zucken, Schulterzucker! Beantworte meine Frage. Warum diese verkümmerte musikalische Entwicklung?«
    Ich will schon wieder die Schultern zucken und halte mich nur mit einiger Mühe davon ab. Wie kann ich ihr das bloß mit ihren Worten erklären? Das langsame Sterben Don Quichottes. Das Ende der Gralssuche, die Kapitulation der Wünsche, die Gewöhnung und Entwöhnung, die das unausweichliche Schicksal der Toten ist.
    »Wir denken … nichts … Neues«, fange ich an, im Versuch, mich aus der zu kurzen Decke meines Wortschatzes zu strampeln. »Ich … finde Sachen … manchmal. Wir … suchen … nichts.«
    »Ach was?«, sagt Julie. »Okay, das ist eine verdammte Tragödie.« Sie wühlt sich weiter durch

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