Warm Bodies
richtig? Wenigstens einer würde das dann mal zu sehen kriegen. Ich glaube, es wäre wunderschön. Als würde man ein Stückchen von seinem Hirn besitzen.« Sie sieht mich entschlossen an. »Gib mir ein Stück von deinem Hirn, Perry. Ich will es probieren.«
»Meine Güte«, lacht Nora. »Soll ich euch allein lassen?«
Ich lege den Arm um Julie und lächele das Weltschmerz-Lächeln, das ich in letzter Zeit zur Vollendung gebracht habe. »Mein kleines Mädchen«, sage ich und drücke sie. Sie schaut finster.
»Was ist mit dir, Jules?«, fragt Nora. »Was ist dein Wunschtraum?«
»Ich möchte Lehrerin werden.« Sie holt tief Luft. »Und Malerin und Sängerin und Dichterin. Und Pilotin.«
Nora lächelt. Ich verdrehe heimlich die Augen. Nora reicht den Joint an Julie weiter, die kurz daran zieht und ihn dann mir anbietet. Ich weiß es besser und schüttele den Kopf. Wir alle starren auf das glitzernde Wasser, drei Jugendliche auf demselben Stück Treibholz beobachten denselben Sonnenuntergang und denken sehr unterschiedliche Dinge, während die schwermütigen Rufe der weißen Möwen die Luft erfüllen.
Du wirst all das tun , flüstert R zu Julie hinab, und er und ich tauschen wieder die Plätze. Julie sieht zu mir hoch, der Leiche in den Wolken, die wie ein ruheloser Geist über dem Wasser schwebt. Sie schenkt mir ein strahlendes Lächeln, und ich weiß, dass sie es gar nicht wirklich ist. Ich weiß, dass nichts von dem, was ich hier sage, jemals die Grenzen meines eigenen Schädels überschreiten wird, aber ich sage es trotzdem. Du wirst groß und stark und großartig sein, und du wirst für immer leben. Du wirst die Welt verändern.
»Danke, R«, sagt sie. »Du bist so süß. Glaubst du, du kannst mich gehen lassen, wenn die Zeit gekommen ist? Glaubst du, du kannst mir Lebewohl sagen?«
Ich schlucke schwer. Werde ich das wirklich müssen?
Julie zuckt mit den Schultern, lächelt unschuldig und flüstert: »Zuck.«
Am Morgen ist der Sturm vorüber. Ich liege auf dem Rücken neben Julie im Bett. Ein greller Sonnenstrahl zerschneidet den Staub im Zimmer und malt einen heißen, weißen Ring auf ihre zusammengekauerte Gestalt. Sie ist immer noch fest in die Decken eingewickelt. Ich stehe auf und gehe auf die Veranda vor dem Haus. Die Frühlingssonne taucht die Nachbarschaft in weißes Licht, und das einzige Geräusch weit und breit kommt von einer rostigen Gartenschaukel, die im leichten Wind quietscht. Die kalte Frage aus dem Traum hallt in meinem Kopf wider. Ich will es nicht hören, aber mir wird klar, dass das hier sehr bald vorbei sein wird. Bis neun habe ich sie zur Veranda ihres Vaters gebracht, und das war’s dann. Das Tor wird krachend ins Schloss fallen, und ich werde nach Hause schleichen. Werde ich sie gehen lassen können? Ich habe mir noch nie eine schwierigere Frage gestellt. Vor einem Monat hat es nichts auf der Welt gegeben, das ich vermisst, genossen, oder nach dem ich mich gesehnt hätte. Ich wusste, ich könnte alles verlieren und nichts dabei fühlen, und in diesem Wissen habe ich es mir bequem gemacht. Aber ich bin die Bequemlichkeit leid.
Als ich wieder reingehe, sitzt Julie auf der Bettkante. Sie sieht fertig aus, halb schläft sie noch. Ihr Haar gleicht einer Naturkatastrophe, Palmen nach dem Wirbelsturm.
»Guten Morgen«, sage ich.
Sie stöhnt. Mannhaft versuche ich, sie nicht anzustarren, als sie ihren Rücken wölbt und sich streckt, ihren BH-Träger verrückt und leise jammert. Ich kann jeden Muskel und Wirbel sehen, und da sie ohnehin schon halbnackt ist, stelle ich sie mir ohne Haut vor. Aus grausiger Erfahrung weiß ich, dass auch ihre inneren Schichten etwas Schönes haben. Wunderwerke der Symmetrie und Kunstfertigkeit, inihr Inneres eingelassen wie die juwelenbesetzte Mechanik einer Uhr, große Kunstwerke, nicht dazu gedacht, gesehen zu werden.
»Was machen wir zum Frühstück?«, brummt sie. »Ich bin am Verhungern.«
Ich zögere. »Schaffen es … in einer … Stunde … zum … Stadion. Brauchen … aber … Benzin. Für den Merc.«
Sie reibt sich die Augen. Sie fängt an, ihre immer noch klammen Kleider anzuziehen. Wieder versuche ich, sie nicht anzustarren. Ihr Körper bebt und federt auf eine Art, wie es totes Fleisch nicht tut.
Plötzlich blitzen ihre Augen alarmiert auf. »Scheiße. Weißt du was? Ich muss meinen Dad anrufen.«
Sie nimmt das Schnurtelefon, und ich bin überrascht, ein Freizeichen zu hören. Ich nehme an, bei ihren Leuten haben
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