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Warme Welten und Andere

Warme Welten und Andere

Titel: Warme Welten und Andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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die Tür öffnete sich. Es war der Vize, Doktor Pontreve.
    »Was im Himmel machen Sie, Evan? Habe ich Stimmen gehört?«
    »Nur meine – Aufnahmen vom Ort, Sir.«
    Pontreve neigte den Kopf.
    »Auf dem Berg, Evan?« Seine Stimme war angespannt.
    Evan nickte. Der Gedanke an ihre baldige Abfahrt überfiel ihn wieder.
    »Doktor Pontreve, Sir, es ist so schade, daß wir ihn nicht überprüfen. Dieses Gebiet wird nicht mehr von Forschern besucht werden.«
    »Aber was könnten wir denn schon zu finden hoffen? Und vor allem, was hat dieser Berg mit Ihrem Spezialgebiet zu tun?«
    »Sir, meine kulturellen Studien deuten auf eine Anomalie dort. Ein… nun, ich weiß noch nicht genau, was. Aber ich bin sicher, ich habe etwas gesehen…«
    »Das mythische Zeittor vielleicht?« Pontreves Lächeln schwand dahin. »Evan. Im Leben eines jeden jungen Wissenschaftlers kommt eine Zeit die seine Berufung auf die entscheidende Probe stellt. Ist er ein Wissenschaftler? Oder ist er bloß ein Techniker mit überspannten Vorstellungen! Die Wissenschaft darf sich und wird sich nicht zurück auf das Niveau von Phänomenologie und impressionistischer Spekulation verirren… Sie werden das nicht wissen, Evan«, fuhr Pontreve in verändertem Ton fort, »aber Ihr Onkel und ich waren zusammen an derselben Hochschule. Er hat sehr viel für Sie getan. Er glaubt an Sie. Es würde mich tief treffen, wenn Sie ihn enttäuschten.«
    Evans Herz zog sich zusammen. Pontreve mußte seinem Onkel geholfen haben, ihn, Evans, hierherzuholen. Entsetzt hörte er sich sagen:
    »Aber Doktor Pontreve, wenn mein Onkel an mich glaubt, dann wird er vor allem wollen, daß ich an mich selbst glaube. Stimmt es nicht, daß wichtige Entdeckungen von Menschen gemacht worden sind, die hartnäckig etwas verfolgten, was zunächst nur eine – Ahnung war?«
    Pontreve wich zurück.
    »Von müßiger Neugier – und an nichts anderem leiden Sie, Evan – und der inspirierten Intuition, den erhabenen Einfällen der großen Wissenschaftler der Vergangenheit sprechen Sie in einem Atemzug? Ich bin schockiert. Sie verlieren meine Sympathie.« Er musterte Evan, leckte seine Lippen. »Um Ihres Onkels willen, junger Mann«, sagte er gepreßt, »ich beschwöre Sie. Ihre Stellung ist wacklig genug. Wollen Sie alles verlieren?«
    Ein scharfer Geruch drang Evan in die Nase. Angst. Pontreve hatte wirklich Angst. Aber warum?
    »Lassen Sie das jetzt, das ist ein Befehl!«
    Schweigend folgte Evan dem Vize durch den Gang und zurück in den Gemeinschaftsraum. Außer drei verschreckt dreinblickenden Freizeit-Jünglingen, die vor dem Spielraum auf ihre nächtlichen Pflichten warteten, war niemand in Sicht. Im Vorbeigehen konnte Evan die Stimmen der Wissenschaftler beim abschließenden Duell hören.
    In seiner Schlafkabine warf er sich aufs Bett – die Jalousie ließ er ausnahmsweise geschlossen – und versuchte, den Alptraum zu entwirren. Pontreves verkniffenes Gesicht und Fosters lallende Häresie wirbelten durch seinen Kopf. Solche Angst. –
    Aber wovor? Was würde denn passieren, wenn Evan Schande über sich brächte? Würde es dann Nachforschungen geben, die irgend etwas zutage fördern könnten?
    War es möglich, daß ein Wissenschaftler bestochen worden war?
    Das würde die Angst erklären – und das ›Wunder‹.
    Evan knirschte mit den Zähnen. Wenn dem so war, war Pontreve kein echter Wissenschaftler! Selbst seine Warnungen waren suspekt, dachte Evan wütend und wälzte sich in verzweifelter Suche nach etwas Faßbarem, wogegen er kämpfen konnte, auf seinem Luftbett. Die Erinnerung an Ava Lings Duft peinigte ihn. Er zog die Blende vor der Luke auf und wurde von kaltem Licht überflutet.
    Die Zwillingsmonde des Planeten standen im Zenith. Unter ihnen ragte, unwirklich wie Schaum, der Berg in seinen unaufhörlich jagenden Nebelschwaden auf. Der Clivorn war nicht eigentlich ein großer Berg – vielleicht tausend Meter bis zu der alten Gletscherlinie – , aber er stieg direkt vom Meer auf. Fackelpünktchen blinzelten aus dem Dorf zu seinen Füßen herüber. Ein Fischeruf-Tanz war im Gange.
    Plötzlich sah Evan, daß sich über Clivorns oberen Klippen die Wolken teilten. Wie nur einmal zuvor, wurden die Türme und Kanzeln über dem Abdruck des Gletschers sichtbar. Die letzten Schleier wurden weggeweht.
    Evan spähte wie besessen. Nichts… Nein, warte! Und da war sie, eine schwach schimmernde, vollkommen horizontale Linie, die um die ganze Spitze herumlief. Vielleicht zweihundert Meter unter

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