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Warme Welten und Andere

Warme Welten und Andere

Titel: Warme Welten und Andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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ab.
    Evan ging die Straße entlang. Die Augen der schweigenden Männer folgten ihm. Ein schweigsames Volk war dies, gleich vielen, die an Meer und Felsen wohnten.
    Es überkam ihn, daß er nicht die geringste Ahnung hatte, was er eigentlich tat. Er mußte unter schwerem Schock stehen oder von einem Wahn befallen sein. Warum war er hierhergekommen? Gleich mußte er umkehren und sich allem unterwerfen, was auf ihn wartete. Er dachte darüber nach. Ein Prozeß, ganz gewiß. Langwierige Überprüfungsscherereien. Und dann was? Gefängnis? Nein, sie würden seine Ausbildung nicht ungenutzt lassen. ZTD würde es sein, Zwangsweiser Technischer Dienst. Er stellte sich die Disziplin vor, die Rituale. Die lärmenden Tech-Gemeinschaftsräume. Die Schlafsäle. Ende der Hoffnung. Und seinem Onkel bräche das Herz.
    Er zitterte. Sollte das sein Leben sein?
    Was würde geschehen, wenn er nicht zurückkehrte? Wenn das Schiff morgen starten müßte, wie geplant? Es konnte sich nicht lohnen, diese ganze Gegend nur seinetwegen zu sterilisieren. Man würde melden, er sei geflohen, nach einem geistigen Zusammenbruch verlorengegangen.
    Er schaute sich in dem jämmerlichen Dorf um. Die Hütten waren dunkel, sie stanken. Konnte er hier leben? Konnte er diese Leute irgend etwas lehren.
    Vor ihm war das Haus des Dorfoberen.
    »Gute… äh… vier-Maß-nach-Hoch-Sonne, Onkel.«
    Der Dorfobere schnalzte unverbindlich. Er lag, eine Kreatur von gewaltigen Gliedmaßen, auf seiner Ruhebank ausgebreitet.
    Neben ihm war der junge Mann, Parag, von dem Evan den größten Teil seiner Informationen erhalten hatte.
    Evan fand einen trockenen Stein und setzte sich. Über den Hütten strömten die ewigen Nebelschleier. Der Clivorn war ein Schatten im Himmel; entblößt, verdeckt, wieder entblößt. Ein nacktes Kind kam aus dem Haus, den Mund mit Brei verschmiert.
    Es kam herbei und starrte Evan an, sein einer Fuß kratzte das andere Bein. Niemand redete. Diese Leute waren hitzigster Aktivität fähig, das wußte er. Aber wenn nichts Wichtiges zu tun war, saßen sie einfach nur da, so, wie sie seit Jahrhunderten gesessen hatten. Ohne Neugier.
    Erschrocken merkte Evan, daß er diese knorrigen Hominiden mit den souveränen Wissenschaftlern in ihrem Schiff verglich. Er mußte verrückt sein. Das Schiff – das ureigentliche Symbol für den unstillbaren Durst des Menschen nach Wissen! Wie konnte er so verrückt sein, nur weil sie seine Daten zurückgewiesen hatten – oder vielmehr seine Nicht-Daten? Er schüttelte den Kopf, um die Häresie zu vertreiben.
    »Freund Parag«, sagte er langsam.
    Parags Augen machten eine Drehung.
    »Nächster Sonnen-Tag ist Zeit des Weggehens für das Himmelsschiff. Es ist möglich, daß ich-allein-ohne-Co-Familie hierbleiben werde.«
    Die Augen des Häuptlings öffneten sich und drehten sich ebenfalls zu ihm.
    Parag schnalzte Ich-höre.
    Evan blickte zu den nebligen Schultern Des Clivorn hinauf. Sonnenlicht lag auf einer der fast vertikal zwischen seine Klippen gebetteten Wiesen. Ardhvennes Sommersonnenwende war gerade vorbei, die Tage waren jetzt sehr lang. In seiner Tasche war die Notration aus dem Schlitten.
    Plötzlich wußte er, warum er hier war. Den Clivorn anstarrend, stand er auf. An’druinn, Der Berg des Weggehens.
    »Einen leichten Weg nach Hause, Onkel.« Unabsichtlich hatte er die Worte des förmlichen Abschieds benützt. Er verließ das Dorf auf dem Hauptpfad. Andere Wege liefen hinter den Hütten geradewegs die Bergflanke hinauf; die Frauen benutzten diese mit ihren Herden. Aber der Hauptpfad verlief in langem, geradem Zickzack. Auf seinen früheren Ausflügen war er ihm bis zu dem Steinmal gefolgt.
    Das Steinmal war lediglich ein eingefallener, doppelwandiger Feuerherd, mit den Resten von Kürbisflaschen und gefärbten Fellen bedeckt. Die Eingeborenen behandelten es nicht als heiligen Ort. Es war einfach das untere Ende vom Pfad des Weggehens und eine gute Stelle zum Kochen von Färbebädern.
    Hinter dem Steinmal verengte sich der Pfad zu einer geraden Linie aus Erosionsgeröll, die über Clivorns Schultern in die Wolken zog. Evan wußte, daß Tote und Sterbende diesen Weg hinaufgetragen und dann zurückgelassen wurden, wenn sie starben, oder wenn die Träger genug hatten. Manchmal kehrten Verwandte zurück, um neben dem Leichnam Steine aufzuhäufen, und zweifelsohne auch, um sich die Kleidung des Verstorbenen zu holen. Er war schon an einigen kleinen Häufchen verwitterter Steine und Knochen

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