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Warme Welten und Andere

Warme Welten und Andere

Titel: Warme Welten und Andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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vorbeigekommen.
    Diesen Pfad wurden auch die Verbrecher oder Hexen hinaufgetrieben, die der Stamm los sein wollte. Keiner kehrte je zurück, hatte Parag ihm erklärt. Vielleicht schlugen sie sich zu einem anderen Dorf durch. Wahrscheinlicher war, daß sie in den Bergen umkamen. Zur nächsten Siedlung waren es neunzig Kilometer entlang der schroffen Küste. Er erreichte die Höhe des niedrigsten Bergkamms, mit dem Wind im Rücken war das Gehen leicht. Zu dieser Jahreszeit war der Kies fast trocken, obwohl viele Bäche Den Clivorn belebten.
    Neben ihm verlief ein durchweichter Schwamm von Torfmoos und Heidekraut, in dem Evan jetzt alle paar Schritte Knochen entdeckte.
    Als der Pfad seinen Knick machte und der Wind ihm wieder entgegenblies, stellte er fest, daß die dünnen Nebelschwaden das Dorf unter ihm schon verhüllten. Ein vogelartiges Wesen kreiste klagend über ihm und zeigte seinen gekrümmten Schnabel. Einer der Hüter der Toten. Er sah ihm nach, wie er sich vom Wind davontragen ließ, und fragte sich, ob er seinem kleinen Hirn ein Rätsel aufgab.
    Als er wieder auf den Weg blickte, sah er drei olivfarbene Gestalten vor sich. Parag mit zwei anderen Eingeborenen-Männern. Sie mußten auf den Schafpfaden heraufgestiegen sein, um ihn hier zu treffen. Nun standen sie gleichmütig wartend da, während er auf sie zustapfte.
    Evan haspelte sich durch die Freunde-treffen-sich-auf-einerReise-Begrüßung.
    Parag erwiderte den Gruß. Die beiden anderen schnalzten bloß und standen, den Pfad blockierend, wartend da. Was wollten sie? Vielleicht suchten sie ein verlaufenes Tier.
    »Ein leichtes Heimwärts-Gehen«, versuchte Evan es mit einem Abschied. Als sie sich nicht rührten, setzte er an, um sie herumzugehen.
    Parag trat ihm in den Weg.
    »Du gehst den Pfad.«
    »Ich gehe den Pfad«, bestätigte Evan. »Bei Sonnen-Ende komme ich wieder.«
    »Nein«, sagte Parag. »Du gehst den Pfad des Weggehens.«
    »Ich komme wieder«, beharrte Evan. »Bei Sonnen-Ende treffen wir uns und haben freundliche Rede.«
    »Nein.« Parags Hand schoß hervor und packte Evans Jacke. Er zerrte daran.
    Evan sprang zurück. Die anderen drangen nach. Einer von ihnen deutete auf Evans Schuhe: »Nicht hilfreich.«
    Jetzt begriff Evan. Wer diesen Pfad beschritt, nahm nichts mit sich. Sie nahmen an, er gehe zu seinem Sterben, und hatten es auf seine Kleider abgesehen.
    »Nein!« protestierte er. »Ich komme zurück! Ich geh nicht zum Weggehen!«
    Wütende Oliv-Gesichter schlossen sich um ihn. Evan wurde bewußt, wie arm sie waren. Er stahl ihnen wertvolle Kleider; ein feindlicher Akt.
    »Ich gehe wieder ins Dorf! Ich gehe jetzt gleich mit euch zurück!«
    Aber es war zu spät. Sie griffen nach ihm, rissen mit narbigen Oliv-Klauen an den sonderbaren Verschlüssen. Geruch von schmutzigem Haar drang ihm in die Nase. Evan stieß sie zurück, die Hälfte seiner Jacke blieb in ihren Händen. Er fing an, geradewegs den Berghang hinaufzulaufen. Sie liefen ihm nach. Zu seiner Überraschung entdeckte er, daß sein zivilisierter Körper stärker und beweglicher war als die ihren. Von Schafspur zu Schafspur höher eilend, ließ er sie hinter sich zurück.
    Auf der Kammhöhe riskierte er einen Blick zurück und rief: »Freunde! Ich komme wieder!« Einer von ihnen schwang einen Stachelstock, wie sie ihn zum Schafetreiben benutzten.
    Er drehte sich schleunigst um und jagte weiter den Berghang hinauf. Im nächsten Augenblick spürte er einen harten Schlag in seine Seite und taumelte. Der Stachelstock fiel neben ihm zu Boden. Seine Seite – der Speer hatte ihn getroffen! Unter bohrenden Schmerzen keuchte er nach Luft und zwang sich weiterzurennen. Hinauf! Kein Pfad hier, sondern eine glatte, matschige Wiese, in den Himmel gekippt. Stolpernd lief er über die Grasbüschel, weiter, weiter, immer höher. Nebelfetzen flogen vorbei.
    Bei einem Felsensims blickte er zurück. Unter ihm machten drei neblige Gestalten kehrt. Den Clivorn hinauf folgten sie ihm nicht.
    Sein Atem beruhigte sich. Der Schmerz in seiner Seite hattejetzt einen Ort. Er preßte seinen zerrissenen Ärmel zwischen Arm und Rippen und kletterte weiter. Er war jetzt auf dem großen Bogen, der die niedrigste Schulter des Clivorn darstellte. Dann merkte er, daß er in dieser Welt strömender Schwaden nicht ganz allein war; ab und zu stand da plötzlich ein Schaf, machte ein absurdes Kek-kek-kek und erstarrte, als es ihn sah.
    Was das Dorf anging, so war er, sagte er sich, ein toter Mann. Ein toter Mann für

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