Warnschuss: Thriller (German Edition)
er mich hätte aufstehen lassen, wäre die Tragödie nie passiert. Er hätte die Verantwortung für meinen Tod übernommen und wäre von allen bemitleidet worden. Eine brillante Strategie. Begreifen Sie das nicht?«
»Schon, schon. Aber warum haben Sie nicht gleich die Polizei gerufen, als Sie in der Küche waren und ein Geräusch hörten?«
»Ich wusste doch nicht, wie viel Zeit mir blieb.« Die Reaktion kam sofort, als hätte sie diese Frage geahnt und sich die Antwort zurechtgelegt. »Ich wollte mich instinktiv schützen. Darum habe ich die Pistole aus dem Tisch in der Eingangshalle geholt.«
Duncan zupfte an seiner Unterlippe, als würde er über ihre Schilderung nachsinnen. »Sie wollten die Pistole griffbereit haben, falls Trotter Sie angreifen sollte, bevor Sie die Polizei anrufen konnten.«
»Ich nehme an, das habe ich mir dabei gedacht. Ich weiß nicht mehr, was ich wirklich gedacht habe. Ich habe einfach reagiert. Ich hatte Angst.«
Sie sackte auf die Klavierbank, presste die Hände aufs Gesicht und massierte mit den Fingerspitzen ihre Stirn. In dieser Position lag ihr Nacken frei, und Duncans Blick kam unwillkürlich darauf zu liegen, genau wie in der Nacht des Galaempfangs. Er blinzelte gegen das Phantasiebild seiner Lippen auf ihrem Nacken an.
»Sie hatten Angst«, wiederholte er, »aber Sie waren trotzdem mutig genug, ins Arbeitszimmer zu gehen.«
»Ich weiß nicht mehr, woher ich den Mut hatte. Vielleicht hoffte ich, dass ich mich geirrt hatte. Ich hoffte, ich hätte nur einen Ast gehört, der gegen den Dachfirst schlägt, oder einen Waschbären auf dem Dach, was weiß ich. Dabei wusste ich genau, dass es nicht so war. Ich wusste, dass jemand im Zimmer war und auf mich wartete.
Ich hatte schon seit Monaten damit gerechnet. Nicht unbedingt mit einem Einbruch. Aber mit irgendwas. Dies war der Augenblick, den ich gefürchtet hatte.« Sie presste die Hand gegen ihre Brust, knapp über dem Herzen, bis sich der Stoff ihres T-Shirts über ihren Brüsten spannte. »Ich wusste es, Detective. Ich wusste es einfach«, flüsterte sie, hob dabei den Kopf und sah ihn an. »Gary Ray Trotter war kein Einbrecher, den ich auf frischer Tat ertappt habe. Er war gekommen, um mich zu töten.«
Duncan kniff sich in die Nasenwurzel und schloss die Augen, als müsse er sich angestrengt konzentrieren und alle Details in seinem Kopf sortieren. In Wahrheit musste er sich nur ablenken, damit er nicht in diesen verfluchten Augen ertrank oder blöde auf ihre Brüste glotzte. Er hätte sie gern an sich gezogen, sie geküsst und ergründet, ob ihr Mund seinen Versprechungen gerecht wurde. Stattdessen kniff er sich in die Haut zwischen seinen Augenhöhlen, bis
ihm fast die Tränen einschossen. Es half ihm, sich wieder zu konzentrieren. Halbwegs.
»Gary Ray Trotters Profil entspricht kaum dem eines Auftragskillers, Mrs Laird.« Er hängte den Namen an, um sich bewusst zu machen, mit wem er es zu tun hatte.
»Das kann ich auch nicht erklären.«
»Versuchen Sie es.«
»Ich kann es nicht.« Ihre Stimme brach.
Er ging vor ihr in die Hocke und hätte um ein Haar die Hände auf ihre Knie gelegt. Plötzlich waren ihre Gesichter auf gleicher Höhe und nur ein paar Handbreit voneinander entfernt. Aus dieser Nähe hätte er erkennen müssen, wenn sie log. Erkennen sollen.
»Richter Cato Laird möchte Sie umbringen lassen.«
»Genau.«
»Er ist ein reicher und mächtiger Mann.«
»Das hindert ihn nicht daran, dass er mich umbringen lassen will.«
»Er heuert einen drittklassigen Discount-Killer an, um das zu erledigen?« Er schüttelte skeptisch den Kopf.
»Ich weiß, dass das nicht plausibel klingt, aber ich schwöre, dass es die Wahrheit ist.«
Er suchte in ihren Augen nach etwas, das auf eine Drogenparanoia oder auf Halluzinationen hindeutete. Nichts zu entdecken.
Nachdem ihr Mann sie abgöttisch liebte, war es unwahrscheinlich, dass sie ihr langweiliges Leben aufzupeppen versuchte, indem sie für Aufregung sorgte.
Schizophrenie? Möglich. Zwanghafte Lügnerin? Vielleicht.
Es bestand auch die Möglichkeit, dass sie die Wahrheit sagte, aber die Wahrscheinlichkeit war äußerst gering. So wie er Cato Laird kannte und wie er Gary Ray Trotter kannte, ging das einfach nicht zusammen.
Stattdessen sagte ihm der Instinkt, der ihn zu einem so guten Detective machte, dass er mit seiner Vermutung richtiglag und sie ihren süßen Arsch zu retten versuchte, und dass sie ihn dazu benutzen wollte, weil er sie auf dem Galaempfang so
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