Warte, Bald Ruhest Auch Du: Mitchell& Markbys Dritter Fall
Nistplätzen suchten. Er wünschte, er hätte Zeit, anzuhalten und den possierlichen Sprüngen der jungen Lämmer zuzusehen. Markby ging vom Gas und beobachtete die Schafe über einen Zaun hinweg. Sie gehörten vermutlich den Winthrops. Es war schon einige Zeit her, daß er auf Greyladies Farm gewesen war, und er stellte fest, daß er sich auf den Besuch freute. Er hatte die Abzweigung erreicht, an der eine Holztafel an einem mit Schlamm bespritzten Pfahl verkündete: Nur zur Farm. Um dieser Mitteilung Nachdruck zu verleihen, war der einspurige Heckenweg von den Reifen schwerer Nutzfahrzeuge zernarbt und reichlich mit Mist bestreut. Langsam fuhr Markby weiter. Die Böschungen auf beiden Seiten waren hoch, und soweit er sehen konnte, gab es keine Ausweichstellen. Wenn ihm ein anderes Fahrzeug entgegenkam, mußte er im Rückwärtsgang bis zur Straße zurücksetzen. Zum Glück kam ihm niemand entgegen, aber er scheuchte ein Eichhörnchen auf. Es erschrak und rannte ein ganzes Stück vor ihm her, bis es die Böschung hinaufhuschte und sich auf eine alte Eiche rettete, die sich mit knorrigen Ästen gefährlich über den Heckenweg neigte. Er hielt an, streckte den Kopf aus dem Fenster und spähte in die Zweige hinauf, aber das Eichhörnchen war verschwunden und beobachtete ihn wahrscheinlich aus seinem Versteck. Es kam ihm so vor, als sehe der alte Baum nicht besonders sicher aus, und die Äste hingen ziemlich tief. Von den hoch beladenen Erntewagen hatten sich Heu- oder Strohhalme darin verfangen. Er fragte sich, warum die Winthrops den Baum nicht zurückgeschnitten hatten. Der Weg gabelte sich unerwartet, und als er um die Ecke bog, stand er direkt vor dem Tor der Farm. Er fuhr in den Hof und stellte den Wagen neben einer halb fertigen Scheune ab, die unter einem Wellblechdach gegen Wind und Wetter offen war. Er hörte Schafe, die sich gegenseitig klagend anblökten, stützte die Arme auf eine der niedrigen, halbfertigen Mauern, schaute hinein, und geisterhaft grauweiße Gesichter starrten zurück.
»Guten Morgen, Ladys«, sagte er höflich. Sie hörten auf zu kauen und glotzten ihn an. Markby drehte sich um und stellte fest, daß auch er beobachtet wurde – von einem ungepflegten Collie mit einer wölfisch spitzen Schnauze, mit unsteten Augen und unverkennbar unfreundlichem Benehmen.
»Hallo, Junge«, sagte Markby mit einer Selbstsicherheit, die er nicht empfand.
»Ich bin nicht hinter deinen Freundinnen her.« Mit gesenktem Kopf machte der Hund einen vorsichtigen Schritt nach vorn, mißtrauische, rot umrandete Augen musterten Markby, dann wich der Hund wieder zurück. Er schien darüber nachzudenken, wie er am besten hinter den Eindringling kam, um ihn, bis Hilfe kam, in einer Ecke festzunageln. Zum Glück nahte die Hilfe schon.
»Whisky!« rief eine Mädchenstimme. Der Hütehund drehte sich um, wedelte und führte einen unterwürfigen Begrüßungstanz auf, wand und krümmte sich, signalisierte mit dem Schwanz noch immer Freundschaft, wollte auf das Mädchen zulaufen, um es zu begrüßen, und wollte es aber auch wieder nicht
»Kann ich Ihnen helfen?« fragte sie. Nun, da sie hier war, schien der Hund die Verantwortung für den Farmhof einem ihm übergeordneten Wesen zu übertragen. Er zog sich in einen geschützten, sonnigen Winkel zurück, ließ sich auf einen dort für ihn ausgebreiteten Sack plumpsen, legte die Wolfsschnauze auf die Pfoten und beobachtete Markby weiterhin aus rotgeränderten Augen. Sie mußte ungefähr vier- oder fünfundzwanzig sein, vermutete Markby. Er schätzte sie nicht so sehr nach dem Augenschein, sondern nahm an, daß es sich um Jessica Winthrop handelte, die, wenn ihn seine Erinnerung nicht trog, jetzt etwa in diesem Alter sein mußte. Sie sah jünger aus. Ein blasses, hübsches, aber unglücklich wirkendes Mädchen mit langem blondem Haar, das so glatt war wie Zwirnsfäden, wie die alten Leute auf dem Land es nannten. Sie war schmal und zierlich, ungefähr einszweiundsechzig groß, trug eng sitzende Reithosen, hohe Reitstiefel, einen Pullover und darüber eine ärmellose marineblaue Steppweste. Sie war mit einem Stück Seil in der Hand eben aus dem Stall auf der gegenüberliegenden Hofseite gekommen. Jetzt drehte sie sich um und zog leicht an dem Seil. Hufgeklapper wurde laut, und es erwies sich, daß das Seil am ledernen Zaumzeug eines stichelhaarigen Ponys mit geflochtener Mähne befestigt war. Es trat blinzelnd ins Sonnenlicht und schaute über die Schulter des Mädchens zu Markby
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