Warte, Bald Ruhest Auch Du: Mitchell& Markbys Dritter Fall
Versicherungsbeiträge pünktlich ab. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Ich meine nur, daß polizeiliche Ermittlungen sie nervös machen. Die Bauherrn drängen darauf, daß es keine Verzögerung gibt. Sie wissen doch, wie es ist, die Banken sitzen ihnen im Nacken, und deshalb sitzen sie dem Baumeister im Nacken …«
»Und deshalb dachten Sie, Sie müßten mir auf die Finger sehen?« fragte Markby mild.
»Nein – oder doch, ja. Offen gesagt, ich fürchte, daß ein paar von den Leuten kündigen werden. Die Baustelle ist durch diese Sache in einen schlechten Ruf gekommen, und Sie wären überrascht, wenn Sie wüßten, wie abergläubisch manche Männer sind. Einige irische Arbeiter arbeiten immer zusammen auf derselben Baustelle. Sie fahren als Gruppe durch das Land, von einer Baustelle zur anderen. Wenn einer kündigt, folgen die andern vielleicht seinem Beispiel. Daley – Sean Daley, der Baggerführer, ist schon abgehauen.«
»Er ist was?« fragte Markby bestürzt.
»Wir brauchen ihn bei der Leichenschau. Wir haben ihm gesagt, daß er hierbleiben muß. Wohin, zum Teufel, ist er gegangen? Hat er die Gegend verlassen?«
»Das ist möglich«, sagte Newman unglücklich.
»Niemand von uns hat gewußt, daß er hier noch gebraucht wird. Aufhalten hätten wir ihn sowieso nicht können. Wir hätten es Ihnen sagen müssen, das ist mir klar, aber ich habe einfach nicht daran gedacht, und ich hatte vorher auch keine Ahnung, daß er gehen wollte … Er fährt einen alten Ford Capri, wenn Ihnen das was hilft. Ich erinnere mich, ihn bei den Wohnwagen gesehen zu haben. Einige der Männer hausen in einem kleinen Wohnwagenpark, ungefähr eine Viertelmeile von – von dem Unglücksort entfernt.«
»Sie meinen, von dem Platz, wo der Tote gefunden wurde?«
»Ja – einer von den andern, er heißt Riordan, hat sich mit Daley einen Wohnwagen geteilt, und als ich heute morgen da war, hat er mir erzählt, daß Daley Alpträume hatte, seit er das – das Ding ausgegraben hat. Er hat ständig daran gedacht und konnte nicht einmal essen. Riordan hat er gesagt, daß er’s nicht mehr aushält. Er ist schon ganz früh am Morgen ins Büro der Baustelle gegangen und hat gesagt, er hört auf. Als ich kam, war er schon weg. Er hätte aber eine Nachsendeadresse dalassen müssen, weil er bestimmt noch Lohn zu bekommen hat. Doch darüber müssen Sie mit dem Baustellenleiter sprechen.« Markby machte sich eine kurze Notiz: Pearce mußte sich sofort um Daleys Verschwinden kümmern.
»Übrigens«, sagte er,
»da wir gerade beim Thema sind, Sie könnten uns helfen, wenn Sie Ihrem Polier sagen, daß er ein bißchen entgegenkommender sein soll. Nicht, daß wir ihn verdächtigten, verstehen Sie, aber er erleichtert uns unsere Arbeit nicht gerade, wenn er sich dauernd beschwert und sich weigert, uns auch nur ein Minimum an Unterstützung angedeihen zu lassen.«
»Oh, Jerry Hersey«, sagte Newman voller Unbehagen.
»Das ist ein schwieriger Kerl, unser Jerry. Ich will sehen, was ich tun kann.«
»Gut. Jetzt frage ich mich, ob Sie etwas dagegen hätten, sich eine Fotografie anzusehen, Mr. Newman?« Wachsamkeit wurde in den Augen des Bauunternehmers zu Schreck, und Markby fügte beschwichtigend hinzu:
»Schon gut, es ist nicht grausig.«
»Ja, nun – gut, in Ordnung –«, sagte Newman widerwillig. Markby griff nach dem Foto im Ablagekorb und legte es vor seinem Besucher auf den Schreibtisch. Newman betrachtete es, holte, bevor er den Kopf schüttelte, ein Taschentuch heraus und betupfte sich die Lippen. Was man
»grausig« nennt, hängt eben davon ab, wie vertraut man mit gewaltsamem Tod ist, dachte Markby. Polizisten entwickelten eine hohe Toleranz gegen unangenehme Anblicke; Newman hatte vermutlich überhaupt noch nie etwas mit einem Toten zu tun gehabt.
»Nie gesehen«, sagte er heiser.
»Von Steve Wetherall habe ich erfahren, daß die Leiche nur ausgegraben wurde, weil die Fundamente tiefer ausgebaggert werden sollten.«
»Ja – am Nachmittag sollte der Beton in den Graben gegossen werden.«
»Demnach hat derjenige, der den Leichnam dort vergrub, erwartet, daß er binnen achtundvierzig Stunden unter gut einem Meter Beton liegen und später darauf ein Haus stehen würde.«
»Häuserpaare, Doppelhaushälften auf dieser Baustelle. Vier Schlafzimmer und zwei Bäder, eins en suite.« Newman fügte die letzten Worte automatisch hinzu und sah dann leicht verlegen aus.
»Entschuldigen Sie – ich versuche nicht, Ihnen eins zu verkaufen.« Seine
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