Warte, Bald Ruhest Auch Du: Mitchell& Markbys Dritter Fall
der andere sich ihm anschloß. Er schwang sich sogar zu einer grollenden Einladung auf.
»Ich mache mir gewöhnlich eine Tasse Tee, wenn ich nach Hause komme. Betty hört nichts, sie schläft fest. Kannst mitkommen, wenn du willst, ich geb dir ’ne Tasse ab. Ich hab dir ohnehin einiges zu sagen.«
»Oh!« Der andere blieb stehen.
»Was denn zum Beispiel, Jerry?« Hersey spähte in die Dunkelheit, vielleicht weil die leichte Veränderung im Ton des anderen flüchtig einen warnenden Instinkt in ihm geweckt hatte. Doch schwere Wolken verdeckten jetzt den freundlichen Mond, und er konnte verdammt nichts sehen. In den hohen Quecken neben dem Graben raschelte es, was bedeutete, daß dort irgendein Nachttier unterwegs war, und von weither, vom Wind getragen, kam das Rauschen der Autobahn, auf der es nie still wurde. Das Geräusch ließ Hersey an die schwierige Baustelle denken, und die Unzufriedenheit, die in ihm geschwelt hatte, brach aus ihm heraus. Er verdrängte das warnende Gefühl und begann mürrisch:
»Also zuerst mal …«
Am nächsten Morgen brach Meredith früh in die Pfarrei auf, um Pfarrer Holland das Buch zurückzubringen. Obwohl sie schon kurz nach dem Frühstück dort ankam, öffnete ihr niemand auf ihr Klingeln. Noch während sie überlegte, ob sie das Buch durch den Briefschlitz schieben sollte oder ob es schlimm beschädigt werden würde, wenn es hinter der Tür auf den Boden fiel, und schließlich beschloß, es wieder mitzunehmen, hörte sie hinter sich ein Motorrad. Sie drehte sich um und sah einen Yamaha-Fahrer in schwarzem Leder im Freilauf auf sich zukommen. Er hielt an, nahm den Helm ab, und vor sich sah sie das bärtige Gesicht von Pfarrer Holland.
»Guten Morgen, Meredith!« rief er dröhnend.
»Ich bringe Ihnen das Buch zurück.« Sie hielt es in die Höhe.
»Aber weil keiner da war, wollte ich’s wieder mitnehmen.«
»Niemand hier, wie?« sagte der Pfarrer, stieg von seinem Metallroß und fischte seinen Haustürschlüssel aus der Tasche seiner ledernen Motorradjacke.
»Kommen Sie rein, und trinken Sie eine Tasse Kaffee mit mir. Barry sollte längst hier sein und im Garten arbeiten. Im Garten arbeiten!« Der Pfarrer schnaubte.
»Wenn entweder Barry oder der Garten Anzeichen einer Besserung aufwiesen, wäre ich glücklich. Erfolg bei einem wäre besser als gar kein Erfolg. Leider ändert sich bei beiden nichts. Ich habe Ihnen gesagt, man muß ihn beaufsichtigen. Er hat gewußt, daß ich nicht zu Hause bin, weil ich in der Stadt an ihm vorbeifuhr. Er sollte« – Pfarrer Holland betonte das Wort
»sollte« –
»auf dem Weg hierher sein. Der Lümmel winkte mir fröhlich zu und hat, nachdem er mich gesehen hatte, einfach seine Pflichten sausen lassen und ist irgendwohin abgehauen. Hat gedacht, ich würde es nicht merken, wenn er zu spät kommt. Aber ich bin vor ihm wieder hier, und er kann sich auf etwas gefaßt machen, der liebe Barry.« Während Pfarrer Holland sprach, hatten sie das Pfarrhaus betreten und gingen in die Küche. Sie war sehr unordentlich, und auf dem Tisch lag ein Berg Morgenpost.
»Die Putzfrau kommt später«, sagte der Pfarrer, im Küchenschrank mit Tassen klirrend.
»Mögen Sie Pulver-Kaffee? Es geht schneller.«
»Es ist mir egal. Wie nett von Ihnen, mir einen Kaffee anzubieten. Das Buch hat mir übrigens sehr gut gefallen. Bei der alten Ruine habe ich leider nichts Interessantes entdeckt.«
»Das überrascht mich nicht, aber ich hoffe, Sie machen mit Ihren Untersuchungen weiter. Ich freue mich schon darauf, Ihre Abhandlung zu lesen.« Er unterbrach sich und goß kochendes Wasser in zwei Henkelbecher.
»So, das wär’s.« Sie ließen sich am Tisch nieder, und Pfarrer Holland warf der ungeöffneten Post einen finsteren und mißtrauischen Blick zu.
»Die nehme ich mir später vor. Habe nämlich einen schmerzlichen und unangenehmen Besuch hinter mir. Lindsays Mutter – Sie erinnern sich? Ich habe Ihnen von Lindsay erzählt. Sie ist an einer Überdosis gestorben.«
»Ja, ich erinnere mich. Was ist mit ihrer Mutter?« Er seufzte tief auf.
»Sie wird damit nicht fertig. Ihr Mann weiß nicht, was tun. Der Doktor hat ihr Tranquilizer verschrieben. Heut morgen habe ich von dem armen Mann – ich meine den Ehemann – einen Hilferuf bekommen und mußte hin. Es gibt wirklich nichts, was irgend jemand tun könnte, das ist der Jammer. Sie müssen beide damit leben, fürchte ich. Wir alle müssen es.« Dazu gab es nichts zu sagen. Nach einer kurzen Pause begann
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