Warte, Bald Ruhest Auch Du: Mitchell& Markbys Dritter Fall
fest, hatte Make-up aufgelegt und trug zwei oder drei Goldketten. Der kirschrote Pullover stand ihr gut, sogar ihre blassen Wangen waren rosig überhaucht, gerötet von Gefühl und so etwas wie Erregung.
»Oder mit jemand anders, wenn wir schon dabei sind. Ich bin kein Baby und brauche deine Erlaubnis nicht. Ich finde, du bist sehr unhöflich zu Mike. Ich schäme mich für dich, Alwyn. Ich habe gedacht, daß du wenigstens Manieren hast. Benimmst dich wie ein Irrer, und noch dazu hier drin, vor unseren Freunden.« Sie machte kehrt und nahm Michaels Arm.
»Komm, Mike, wir gehen.«
»Warte noch ein bißchen«, sagte Michael und stellte sich – bildlich gesprochen – auf die Hinterbeine.
»Ich möchte es nicht dabei belassen. Wirklich, Alwyn, Sie haben mißverstanden …«
»Komm schon«, sagte sie und wollte ihn wegziehen.
»Wenn er in einer solchen Stimmung ist, ist mit ihm nicht zu reden.« Die beiden verschwanden durch die Tür. Nach einem kurzen, unbehaglichen Schweigen begann man sich in der Bar wieder zu unterhalten, doch noch immer warfen ein paar Gäste neugierige Blicke auf die Gruppe in der Ecke. Der Wirt, der sehr schnell dagewesen war, wechselte einen Blick mit Markby, nickte und zog sich wieder zurück. Alwyn, noch immer mit rotem Gesicht und innerlich kochend, ließ sich auf seinen Stuhl sinken.
»Es wird ihr nichts passieren«, sagte Markby beschwichtigend.
»Er sieht nett und anständig aus.«
»Jess ist nicht wie andere Mädchen«, sagte Alwyn murrend. Meredith sah jetzt, daß er schwitzte. Es war warm im Raum, aber nicht so warm.
»Sie war krank. Vielleicht ist er ja in Ordnung, dieser Junge, aber vielleicht auch nicht, ich weiß es nicht. Aber er versteht nichts von Jess.« Er sah beschämt und bockig zugleich aus. Meredith, die sich den Aufruhr in seinem Innern vorstellen konnte, versuchte zu helfen, und warf ein:
»Wenn sie zusammen studiert haben, kennt er sie schon lange. Ich bin sicher, daß er versteht. Er muß von Jessicas Schwierigkeiten wissen.« Sie wußte nicht, ob Alwyn sie überhaupt gehört hatte. Verlegen rutschte er auf dem Stuhl herum und stand dann schwerfällig auf.
»Ich geh wohl am besten.« Er zögerte, sagte dann leise:
»Tut mir leid, daß ich mich so aufgeführt habe.« Er drängte sich zwischen den anderen Gästen durch und verließ rasch die Bar.
»Er wird ihnen doch nicht nachgegangen sein?« fragte Meredith besorgt.
»Glaub ich nicht. Er bedauert seinen Ausbruch.« Markby griff zu seinem Glas.
»Alwyn hat das Temperament der Rothaarigen. Aber er liebt Jess, und ich denke, sie wird mit ihm schon fertig.«
»Alwyn müßte unbedingt weg von der Farm«, sagte Steve heftig.
»Er ist ein kluger Kerl. Könnte sich etwas anderes suchen.«
»Er versteht doch nur etwas von der Farmarbeit«, sagte Markby zweifelnd.
»Und er ist es gewohnt, an der frischen Luft und sein eigener Herr zu sein.«
»Eigener Herr?« Steve schnaubte geringschätzig.
»Er ist alles andere als das. Er ist an diese verdammte Farm gekettet wie ein Leibeigener im Mittelalter. Du hast ja gehört, er hat nicht einmal mehr die Zeit, beim Dart-Team mitzumachen. Die Farm kommt immer zuerst, und das ist nicht wie in einem Geschäft, das um sechs Uhr abends dichtmacht. Er arbeitet rund um die Uhr, tagein, tagaus, an den Wochenenden und an Feiertagen. Urlaub hat er wahrscheinlich noch nie gemacht. Das ist die Schuld der beiden Alten.«
»Ich glaube, es ist schwierig für sie«, sagte Markby.
»Jamie ist von zu Hause weggegangen, und sie sorgen sich bestimmt, daß auch Alwyn eines Tages geht. Ohne ihn wären sie am Ende.«
»Sie brauchen dir nicht leid zu tun«, wandte Steve ein.
»Oh, ich weiß, der alte Winthrop gilt als bäuerliches Musterbeispiel, und seine Frau ist als Landfrau das Salz der Erde … Aber ich weiß, daß sie bigott, eigensinnig und tyrannisch sind. Kein Wunder, daß das Mädchen so geworden ist, ein Nervenbündel. Um sich gegen die Winthrops zu behaupten, braucht man eine Haut wie ein Nashorn. Ich hoffe, der junge Mann holt Jess von hier weg und heiratet sie. Alwyn sollte es besser wissen und sich nicht einmischen. Aber er verändert sich allmählich, gerät immer mehr dem Alten nach. War immer schnell aufbrausend, doch jetzt wird er mürrisch und grob. So war er früher nicht.« Markby nahm einen Schluck aus seinem Glas und stellte es sorgfältig auf den Tisch zurück.
»Hat das einen besonderen Grund?« Steve zog die Schultern hoch.
»Nun, vielleicht irre ich mich,
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