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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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sich im Schlaf. Es sah so aus, als wolle er etwas ergreifen, an das er nicht herankam. Sein Atem ging schneller. Seine Arme bewegten sich, seine mageren Beine lagen schlaff da. Ob er in seinen Träumen noch immer gehen, laufen, springen konnte? Oder war auch diese Erinnerung verblaßt?
    Am Schrank hing die Uniform. Hatte Hema sie dort hingehängt? Sie mußte sie wegnehmen, bevor er wach wurde, denn er konnte nicht mitkommen aufs Fest. Die vielen Menschen würden ihn verwirren, und er sie. Der Distinguished Service Order hing verloren neben den anderen vergessenen Auszeichnungen. Selbst Heldentum existiert am Ende nur noch im Gedächtnis. Er seufzte leise. Seine Hände entspannten sich. Sie hörte, daß er wieder in einen traumlosen Schlaf glitt. Sie wollte nicht ins Bett gehen, obwohl sie schon zwei Nächte nicht geschlafen hatte, war sie nicht müde. Sie nahm die Uniformjacke vom Bügel und zog sie an. Der Geruch von Staub, Vergangenheit und Vergänglichkeit umfing sie. Ihre Hand strich über das grobe Leinen, die mürben Nähte und den Orden.
    »Nimm ihn ab.«
    Sie hatte nicht gemerkt, daß er aufgewacht war.
    »Du kannst ihn haben.«
    »Ich wollte dich nicht wecken.«
    »Ich habe nicht geschlafen.«
    Die Jacke glitt von ihren Schultern.
    »Nimm ihn ab«, wiederholte er.
    Sie sah ihn an und versuchte zu ergründen, ob er wußte, was er sagte, oder nur etwas daherredete.
    »Hast du nicht gehört? Nimm ihn ab!«
    Sie öffnete den Metallstift an der Innenseite des Jacketts, mit dem der Orden befestigt war, und nahm ihn ab. Das Kreuz war schwerer, als sie erwartet hatte, und es hatte scharfe Kanten; im Zentrum war die goldene Krone, umrahmt vom Lorbeerkranz. Sie hob das Moskitonetz hoch und reichte den Orden ihrem Vater.
    »Ich hab doch gesagt, daß er für dich ist.«
    »Für mich? Warum?«
    »Du bist doch seine Witwe!«
    Charlotte sah ihren Vater durchdringend an. Hatte sie seine Worte richtig verstanden? War er bei Sinnen oder war er verrückt? Meinte er, daß nicht er der Held war, sondern Peter? Er schlug die Augen nieder. Die Eule schrie kreischend auf dem nächsten Hügel. Der Mond warf sein Licht auf Vater und Tochter. Das Moskitonetz glitt ihr aus der Hand und senkte sich wie das Gittertor einer Burg zwischen sie und ihren Vater.
    Sie fand den Weg zurück in ihr Zimmer, legte sich aufs Bett und fiel mit dem Orden in der Hand in einen traumlosen Schlaf.
     
    »Tante Charlotte!« schallte die hohe Mädchenstimme durch die Eingangshalle. »Das Klopapier ist wieder alle!«
    Im selben Moment läutete das Telefon. Hema eilte in die Halle, um den Hörer abzunehmen, aber bevor er sich melden konnte, klingelte es auch an der Haustür. Er überlegte kurz, was er zuerst tun sollte, hielt sich dann aber an das Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Er setzte sein Telefongesicht auf, nahm ab und deklamierte den Spruch, den Memsahib ihm vor Jahren aufgetragen hatte. Als er hörte, daß es die Frau von Nikhil Nair war, bedauerte er es, daß er nicht zuerst die Haustür aufgemacht hatte.
    Oben schlug die Uhr neun. Memsahib hatte noch geschlafen, als er ihr um sechs Uhr Tee bringen wollte, und die Tür des Kinderzimmers hatte offengestanden, so daß er den General hatte singen hören:
     
    We’ll meet again
    Don’t know where
    Don’t know when
    But I know
    We’ll meet again
    Some sunny day
     
    Er hatte den Tee in die Küche zurückgetragen und selbst getrunken, denn die Hitze hatte die ganze Nacht wie eine schwere Decke auf ihm gelegen. Wieder läutete es an der Tür. Hema überlegte krampfhaft, wie er das Gespräch mit der Frau von Nikhil Nair beenden konnte, aber die wiederholte immer wieder, daß der Tisch, den sie dem Schneider leihweise überlassen habe, in den Club müsse, weil er dort für das Fest am Abend gebraucht werde. Daß Hema nicht wußte, wo der Schneider war, daß der Schneider nicht wußte, daß der Tisch nur geliehen war, und daß die Memsahib noch schlief, konnte die Frau von Nikhil Nair nicht beeindrucken. Trotz ihres Wortschwalls hörte Hema, daß der General oben immer noch gut aufgelegt war, denn obwohl die Tür abgeschlossen war, sang der alte Mann ständig dasselbe Lied. Wieder klingelte es an der Haustür, nun sehr lange und fordernd. Wenn nicht in diesem Moment die junge Memsahib in die Eingangshalle gekommen wäre mit der zusammengeklebten Teekanne, hätte er das Gespräch sicher höflich beendet, aber er war so erschrocken, weil jemand anders seine Aufgabe übernommen hatte, daß er den

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